Donnerstag, 5. Dezember 2024

InterviewDigitale Ökosysteme im Blick

[23.09.2021] Das Unternehmen Prosoz hat mit einer neuen Firmenspitze die Weichen für die Zukunft gestellt. Kommune21 sprach mit Leslie Czienienga und Arne Baltissen über ihre strategischen Ziele und die Herausforderungen im kommunalen Software-Markt.
Leslie Czienienga und Arne Baltissen

Leslie Czienienga und Arne Baltissen

(Bildquelle: PROSOZ Herten)

Frau Czienienga, Herr Baltissen, im Oktober vergangenen Jahres haben Sie die Geschäftsführung von Prosoz übernommen. Welche strategischen Ziele haben Sie sich gesetzt?

Leslie Czienienga: Wir haben die Verantwortung für ein Unternehmen übernommen, das im kommunalen Software-Markt eine relevante Rolle spielt, im Kerngeschäft Sozialwesen, Bauen und Umwelt sind wir sogar führend. Gleichwohl beobachten wir seit einigen Jahren, dass sich die Bedarfe und Anforderungen unserer Kunden getrieben durch die Digitalisierung ändern und ordentlich Dampf in den Markt gekommen ist. Das hat natürlich Einfluss auf unsere strategische Zielrichtung. Es gilt jetzt, die stabile Position von Prosoz weiter auszubauen, um unseren Kunden weiterhin zu bieten, was sie von uns gewohnt sind, nämlich die richtige Lösung zur richtigen Zeit zu haben. Gerade in diesen dynamischen Zeiten verlassen sich viele Ansprechpartner in den kommunalen Fachämtern auf uns. Deshalb richten wir den Blick nach vorne und tragen dazu bei, die Digitalisierung in den Kommunen vo­ranzubringen: als Gestalter, Schrittmacher und Begleiter.

Arne Baltissen: Ergänzend dazu möchte ich den Fokus darauf richten, dass unser Geschäft inzwischen vernetzter ist als früher. Das Fachverfahren für ein Fachamt war gestern, heute brauchen wir Lösungen, die sich in ein digitales Ökosystem einbinden lassen. Ein Handlungsschwerpunkt für uns ist deshalb, die Fachanwendungen weiterzuentwickeln und diese Lösungen integrationsfähig zu machen. Das ist jetzt die entscheidende Aufgabe: die Systeme so zu vernetzen, dass idealerweise sowohl für die Beschäftigten in den Kommunen als auch für die Bürger ein Mehrwert entsteht.

Bei Prosoz gibt es das neue Geschäftsfeld Digitale Verwaltung. Wie wollen Sie damit die digitale Transformation vorantreiben?

Baltissen: Wie schon angedeutet, haben wir die Notwendigkeit gesehen, über den Fachflur hinauszuschauen und das digitale Ökosystem in den Blick zu nehmen. Mit dem neuen Geschäftsfeld stehen wir mit Rat und Tat bereit und sind den kommunalen Kunden ein Navigator bei der digitalen Transformation. Es genügt nicht mehr, ein Fachverfahren zu implementieren, wir brauchen übergreifende Kompetenzen.

Czienienga: Bei der digitalen Verwaltung geht es darum, wie wir unterschiedlichste Lösungen zur Verfügung stellen können, auch solche, die wir nicht selbst entwickeln. Die digitale Transformation ist eine Gemeinschaftsaufgabe, wir brauchen dazu Partner. Das Geschäftsfeld Digitale Verwaltung hat den Charme, dass es frei ist von der Fachlichkeit und sich mit anderen Lösungen befassen kann.

Die Corona-Pandemie zeigt, wie wichtig eine durchgehend digitalisierte Verwaltung wäre. Wo stehen die Kommunen aus Ihrer Sicht?

Czienienga: Die Kommunen sind inzwischen alle aus dem Startblock herausgekommen, stehen aber noch an sehr unterschiedlichen Stellen. In der Praxis finden wir mutige Menschen, die sich frühzeitig auf den Weg gemacht haben, Lösungen zu finden. Das ist aber nicht in allen Kommunen der Fall. Ich erlebe immer noch, dass manche Kommunen alleine auf weiter Flur unterwegs sind, weil zentrale Infrastrukturen fehlen.

Woran liegt das?

Czienienga: Immer noch verhindern Schriftformerfordernisse, dass kommunale Vorgänge ohne Medienbrüche gestaltet werden können. Auf kommunaler Ebene gibt es einen großen Willen, Ende-zu-Ende-Prozesse zu schaffen, es scheitert aber an solchen Hürden. Immerhin stellen wir fest, dass das Onlinezugangsgesetz (OZG) für mehr Tempo bei der Digitalisierung sorgt. Aber in der Praxis sind viele Fragen offen: Was stellt die Landesebene zur Verfügung, wo muss sich die Kommune selbst auf den Weg machen, welche Bausteine sind nötig, um Prozesse durchgängig zu gestalten, wie können die Systeme vernetzt werden? Hier liegt noch ganz viel Arbeit vor uns.

„Immer noch verhindern Schriftformerfordernisse, dass medienbruchfreie Vorgänge gestaltet werden können.“
Baltissen: Wir erleben im Kundenkontakt, dass die Herausforderungen recht elementar sind. Durch die Corona-Pandemie hat sich zwar viel bewegt und es wurden in kurzer Zeit große Fortschritte gemacht. Aber man darf nicht die Augen verschließen: In manchen Kommunen ist es schon eine Herausforderung, eine Kamera für Videokonferenzen zur Verfügung zu stellen. Da muss man über die digitale Akte gar nicht reden.

Das OZG schreibt vor, dass Verwaltungen ihre Dienstleistungen online zur Verfügung stellen müssen. Wie unterstützen die Prosoz-Lösungen die Kommunen dabei?

Baltissen: Eine wesentliche He­rausforderung ist, dass die Lage bei der OZG-Umsetzung für die Beteiligten nicht ganz klar ist. Digitale Ökosysteme bilden sich erst heraus, wir wissen heute noch gar nicht, welche Komponenten wir anbinden müssen. Hier sind Standards wichtig, deshalb engagieren wir uns bei der Entwicklung der XÖV-Standards. Allerdings gibt es immer wieder individuellen Anpassungsbedarf, beispielsweise weil das Landesportal nicht fertig und eine Übergangslösung für die Kommunen nötig ist. Das macht es für einen Fachverfahrenshersteller schwierig, die optimale Lösung anzubieten.

Fühlen Sie sich getrieben durch die OZG-Vorgaben?

Czienienga: Wir sehen uns eher in der Rolle des getriebenen Gestalters. Wie schon angesprochen, ist Standardisierung elementar wichtig, weil wir mit unseren Lösungen an verschiedene Systeme andocken müssen. Wo immer es geht, arbeiten wir an der Entwicklung von Standards mit und versuchen Einfluss zu nehmen. Je früher wir wissen, wo die Reise hingeht, desto eher können wir unsere Lösungen anpassen.

Baltissen: Und wir sehen uns als Ermöglicher. Bei der OZG-Umsetzung ist es manchmal besser, direkt mit den Fachverfahrensherstellern Kontakt aufzunehmen, um nach Lösungen zu suchen. Mit unserem Marktanteil sind wir ein interessanter Player für alle, die Digitalisierung vorantreiben.

Wie bewerten Sie Technologien wie künstliche Intelligenz oder Blockchain?

Baltissen: Wir brauchen diese Technologien, damit Kommunalverwaltungen auch künftig ihre Aufgaben bewältigen können. Insbesondere von KI-Lösungen verspreche ich mir viel, dadurch können Abläufe automatisiert werden. Im Bereich von Transaktionen kann auch die Blockchain-Technologie interessant werden, Beispiele aus dem Ausland zeigen bereits den praktischen Nutzen. Wir haben also einen wachen Blick darauf, wann der Zeitpunkt da ist, um solche Technologien nutzbringend einzusetzen.

Czienienga: Es ist eine Frage der Perspektive: Man kann neue Technologien als Bedrohung oder als Chance sehen. Ein Blick in die Kommunalverwaltungen zeigt, dass der demografische Wandel für Veränderungen sorgt. Neue Technologien können dazu beitragen, dass Aufgaben mit weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erledigt werden können. Wer beispielsweise im Sozialwesen tätig ist, will nichts lieber, als sich mit den Kernaufgaben zu beschäftigen. Da ist man gerne bereit, administrative Aufgaben abzugeben – und sei es an eine künstliche Intelligenz.

Interview: Alexander Schaeff


Stichwörter: Panorama, Prosoz, OZG


Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Panorama

Potsdam: Onlinedienst für Fundsachen

[03.12.2024] Verlorene oder gefundene Gegenstände können in Potsdam jetzt auch online gemeldet werden. Der neue Service erleichtert das Verfahren sowohl für Finderinnen und Finder als auch für Suchende. mehr...

Augsburger Altstadt aus der Vogelperspektive.

Augsburg: Digitaler Stadtplan zur Barrierefreiheit

[26.11.2024] Mit dem digitalen Stadtplan Augsburg barrierefrei hat die bayerische Kommune ein neues Projekt gestartet, das Menschen mit Behinderung detaillierte Informationen zur Barrierefreiheit von Orten und Gebäuden bietet. Alle Angaben wurden durch Begehungen vor Ort überprüft und digital erfasst. mehr...

Baustelle: Blick durch Zaundraht auf einen Pumpenkran zum Heben und Gießen von Beton, im Hintergrund ein Gebäude, das eine Schule sein könnte.

Leipzig: Baumaßnahmen-Dashboard ist online

[26.11.2024] Die Stadt Leipzig hat ein Online-Dashboard zur Schul- und Kitabaustrategie veröffentlicht. Es bietet aktuelle Einblicke in laufende und geplante Baumaßnahmen im Bildungsbereich, übersichtlich dargestellt auf einer Stadtkarte mit detaillierten Informationen zu jedem Projekt. mehr...

Oberbürgermeister Marcus König und Eugenia Strasser halten gemeinsam die Auszeichungsurkunde.

Nürnberg: E-Government-Beauftragte der Stadt ausgezeichnet

[19.11.2024] Nürnbergs E-Government-Beauftragte, Eugenia Strasser, ist mit dem WIN-Award der Vogel IT-Akademie ausgezeichnet worden. Sie belegt somit den zweiten Platz als Woman of the Year 2024. mehr...

Illustration: Klemmbrett mit einem Formular und einem Stift daneben vor hellblauem Hintergrund.

Köln: Bürgerfreundliche Bescheide ausgezeichnet

[18.11.2024] Das Public Service Lab hat die Stadt Köln für ihr Projekt Formularwerkstätten mit dem Preis für gute Verwaltung 2024 ausgezeichnet. Das Kölner Innovationsbüro hilft Fachämtern dabei, Formulare verständlicher zu gestalten und so den Zugang zu staatlichen Angeboten zu verbessern. mehr...

Illustration: Symbolbild für den Public Sector. Mehrere klein dargstellte Menschen arbeiten zwischen einem überdimensionalen Laptop, Tablet und anderen Gegenständen.

Bitkom: Neuer Geschäftsbereich „Public Sector“

[15.11.2024] Der Digitalverband Bitkom strukturiert sich neu: Die Geschäftsbereiche „Public Sector“ und „Digitale Gesellschaft“ werden eigenständige Kompetenzbereiche. Themen wie Künstliche Intelligenz und Digitale Souveränität rücken stärker in den Fokus. mehr...

Historishcer Marktbrunnen der Stadt Eisenach, im Hintergrund das moderne Gebäude der Stadtverwaltung.
bericht

Immobilienmanagement: Stadt Eisenach setzt Maßstäbe

[11.11.2024] Eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen verpflichtet Kommunen zum sicheren Betrieb ihrer Immobilien. Die Stadt Eisenach hat durch Digitalisierung und Prozessoptimierung die Verwaltung ihrer Immobilien neu strukturiert. Dabei setzte die Kommune auf externe Unterstützung und internen Kompetenzaufbau. mehr...

Frau in blauem Pulli mit Handy in der Hand vor orangenem, darüber die Aufschrift: "Mach's jetzt online". Hintergrund

Brandenburg: Werbekampagne für Onlinedienste

[08.11.2024] Eine Werbekampagne soll Brandenburgerinnen und Brandenburger auf die bereits verfügbaren digitalen Verwaltungsdienste aufmerksam machen. Das Land stellt für Kommunen Printmaterialien und Downloads bereit, mit denen Bürgerinnen und Bürger ohne großen Aufwand über verfügbare Online-Dienste informiert werden können. mehr...

Rathaus Stadt Wiesbaden

Wiesbaden: Vernetzt zur digitalen Transformation

[05.11.2024] Die Stadt Wiesbaden ist dem Netzwerk NExT beigetreten, um durch Austausch mit über 2.000 Fachleuten innovative Ansätze für eine bürgerorientierte Verwaltung zu entwickeln und Best Practices anderer Städte zu nutzen. mehr...

Zweistöckiges Gebäude aus rotem Backstein mit Dachgauben, davor ein Parkplatz mit wenigen Autos und spärlicher Bepflanzung.

Brake: Gewerbesteuerbescheid wird digital

[29.10.2024] Die Stadt Brake (Unterweser) ist die erste Kommune Niedersachsens, die Gewerbesteuerbescheide digital über ELSTER versendet. Das Pilotprojekt von Axians Infoma und KDO zeigt, wie medienbruchfreie Verwaltungsprozesse die Verwaltung, aber auch die Steuerpflichtigen selbst entlasten können. mehr...

Aktuelle Temperaturverteilung in Frankfurt (Tag und Nacht)

Frankfurt am Main: Erweiterung für die Urbane Datenplattform

[28.10.2024] Die Stadt Frankfurt am Main hat ihre Urbane Datenplattform weiterentwickelt, diese ermöglicht jetzt auch den Zugang zu Echtzeitdaten über die Lufttemperatur. Die Plattform setzt auf die Smart-City-Lösung von ekom21, um Umwelt- und Klimadaten öffentlich zugänglich zu machen und um sich besser für anstehende Klimaveränderungen zu rüsten. mehr...

Illustration, Strickzeichnung schwarz auf weißem Grund mit vereinzelten farbigen Akzenten: Darstellung von Menschen, die sich vernetzen

NExT-Studie: Networking als Ressource

[28.10.2024] Netzwerken kann bei der Verwaltungstransformation ein echter Motor für Veränderungen sein. Empirisch erforscht ist dieser Effekt bisher noch nicht. Das will eine Studie des netzwerks NExT jetzt ändern. Für eine Online-Umfrage werden noch Mitwirkende gesucht. mehr...

Ansicht eines typisch westfälischen Fachwerkhauses von der Giebelseite, im Vordergrund Rasen.

Nordrhein-Westfalen: Ausflugsziele mit der App entdecken

[25.10.2024] Die App entdecke.nrw fördert den Regionaltourismus in Nordrhein-Westfalen und bietet Informationen zu über 500 Ausflugszielen. Nutzer können Orte wie Museen und Naturschutzgebiete entdecken, unterstützt durch eine praktische Umgebungssuche und einen integrierten Routenplaner. mehr...

Roundtable gezeichnet
bericht

Digitalisierung: Chancen nutzen, Herausforderungen meistern

[24.10.2024] Kommunen stehen zunehmend unter Druck, ihre Dienstleistungen digital anzubieten. Und es gibt durchaus ungenutzte Potenziale, die Bund, Länder und Kommunen erheblich entlasten könnten. mehr...

Ein Straßenschild mit dem Zusatz "Hochwasser" steht vor einer Wasserfläche im Abendlicht.

Nordrhein-Westfalen: Starkregenschutz aus der Hosentasche

[24.10.2024] In Nordrhein-Westfalen wurde eine App entwickelt, die Bürgern helfen soll, den Überflutungsschutz ihrer Häuser zu überprüfen und sich über Schutzmaßnahmen ihrer Kommune zu informieren. Die FloodCheck-App, bisher nur in ausgewählten Städten verfügbar, wird nun landesweit ausgerollt. mehr...