InterviewDigitale Ökosysteme im Blick
Frau Czienienga, Herr Baltissen, im Oktober vergangenen Jahres haben Sie die Geschäftsführung von Prosoz übernommen. Welche strategischen Ziele haben Sie sich gesetzt?
Leslie Czienienga: Wir haben die Verantwortung für ein Unternehmen übernommen, das im kommunalen Software-Markt eine relevante Rolle spielt, im Kerngeschäft Sozialwesen, Bauen und Umwelt sind wir sogar führend. Gleichwohl beobachten wir seit einigen Jahren, dass sich die Bedarfe und Anforderungen unserer Kunden getrieben durch die Digitalisierung ändern und ordentlich Dampf in den Markt gekommen ist. Das hat natürlich Einfluss auf unsere strategische Zielrichtung. Es gilt jetzt, die stabile Position von Prosoz weiter auszubauen, um unseren Kunden weiterhin zu bieten, was sie von uns gewohnt sind, nämlich die richtige Lösung zur richtigen Zeit zu haben. Gerade in diesen dynamischen Zeiten verlassen sich viele Ansprechpartner in den kommunalen Fachämtern auf uns. Deshalb richten wir den Blick nach vorne und tragen dazu bei, die Digitalisierung in den Kommunen voranzubringen: als Gestalter, Schrittmacher und Begleiter.
Arne Baltissen: Ergänzend dazu möchte ich den Fokus darauf richten, dass unser Geschäft inzwischen vernetzter ist als früher. Das Fachverfahren für ein Fachamt war gestern, heute brauchen wir Lösungen, die sich in ein digitales Ökosystem einbinden lassen. Ein Handlungsschwerpunkt für uns ist deshalb, die Fachanwendungen weiterzuentwickeln und diese Lösungen integrationsfähig zu machen. Das ist jetzt die entscheidende Aufgabe: die Systeme so zu vernetzen, dass idealerweise sowohl für die Beschäftigten in den Kommunen als auch für die Bürger ein Mehrwert entsteht.
Bei Prosoz gibt es das neue Geschäftsfeld Digitale Verwaltung. Wie wollen Sie damit die digitale Transformation vorantreiben?
Baltissen: Wie schon angedeutet, haben wir die Notwendigkeit gesehen, über den Fachflur hinauszuschauen und das digitale Ökosystem in den Blick zu nehmen. Mit dem neuen Geschäftsfeld stehen wir mit Rat und Tat bereit und sind den kommunalen Kunden ein Navigator bei der digitalen Transformation. Es genügt nicht mehr, ein Fachverfahren zu implementieren, wir brauchen übergreifende Kompetenzen.
Czienienga: Bei der digitalen Verwaltung geht es darum, wie wir unterschiedlichste Lösungen zur Verfügung stellen können, auch solche, die wir nicht selbst entwickeln. Die digitale Transformation ist eine Gemeinschaftsaufgabe, wir brauchen dazu Partner. Das Geschäftsfeld Digitale Verwaltung hat den Charme, dass es frei ist von der Fachlichkeit und sich mit anderen Lösungen befassen kann.
Die Corona-Pandemie zeigt, wie wichtig eine durchgehend digitalisierte Verwaltung wäre. Wo stehen die Kommunen aus Ihrer Sicht?
Czienienga: Die Kommunen sind inzwischen alle aus dem Startblock herausgekommen, stehen aber noch an sehr unterschiedlichen Stellen. In der Praxis finden wir mutige Menschen, die sich frühzeitig auf den Weg gemacht haben, Lösungen zu finden. Das ist aber nicht in allen Kommunen der Fall. Ich erlebe immer noch, dass manche Kommunen alleine auf weiter Flur unterwegs sind, weil zentrale Infrastrukturen fehlen.
Woran liegt das?
Czienienga: Immer noch verhindern Schriftformerfordernisse, dass kommunale Vorgänge ohne Medienbrüche gestaltet werden können. Auf kommunaler Ebene gibt es einen großen Willen, Ende-zu-Ende-Prozesse zu schaffen, es scheitert aber an solchen Hürden. Immerhin stellen wir fest, dass das Onlinezugangsgesetz (OZG) für mehr Tempo bei der Digitalisierung sorgt. Aber in der Praxis sind viele Fragen offen: Was stellt die Landesebene zur Verfügung, wo muss sich die Kommune selbst auf den Weg machen, welche Bausteine sind nötig, um Prozesse durchgängig zu gestalten, wie können die Systeme vernetzt werden? Hier liegt noch ganz viel Arbeit vor uns.
„Immer noch verhindern Schriftformerfordernisse, dass medienbruchfreie Vorgänge gestaltet werden können.“
Baltissen: Wir erleben im Kundenkontakt, dass die Herausforderungen recht elementar sind. Durch die Corona-Pandemie hat sich zwar viel bewegt und es wurden in kurzer Zeit große Fortschritte gemacht. Aber man darf nicht die Augen verschließen: In manchen Kommunen ist es schon eine Herausforderung, eine Kamera für Videokonferenzen zur Verfügung zu stellen. Da muss man über die digitale Akte gar nicht reden.
Das OZG schreibt vor, dass Verwaltungen ihre Dienstleistungen online zur Verfügung stellen müssen. Wie unterstützen die Prosoz-Lösungen die Kommunen dabei?
Baltissen: Eine wesentliche Herausforderung ist, dass die Lage bei der OZG-Umsetzung für die Beteiligten nicht ganz klar ist. Digitale Ökosysteme bilden sich erst heraus, wir wissen heute noch gar nicht, welche Komponenten wir anbinden müssen. Hier sind Standards wichtig, deshalb engagieren wir uns bei der Entwicklung der XÖV-Standards. Allerdings gibt es immer wieder individuellen Anpassungsbedarf, beispielsweise weil das Landesportal nicht fertig und eine Übergangslösung für die Kommunen nötig ist. Das macht es für einen Fachverfahrenshersteller schwierig, die optimale Lösung anzubieten.
Fühlen Sie sich getrieben durch die OZG-Vorgaben?
Czienienga: Wir sehen uns eher in der Rolle des getriebenen Gestalters. Wie schon angesprochen, ist Standardisierung elementar wichtig, weil wir mit unseren Lösungen an verschiedene Systeme andocken müssen. Wo immer es geht, arbeiten wir an der Entwicklung von Standards mit und versuchen Einfluss zu nehmen. Je früher wir wissen, wo die Reise hingeht, desto eher können wir unsere Lösungen anpassen.
Baltissen: Und wir sehen uns als Ermöglicher. Bei der OZG-Umsetzung ist es manchmal besser, direkt mit den Fachverfahrensherstellern Kontakt aufzunehmen, um nach Lösungen zu suchen. Mit unserem Marktanteil sind wir ein interessanter Player für alle, die Digitalisierung vorantreiben.
Wie bewerten Sie Technologien wie künstliche Intelligenz oder Blockchain?
Baltissen: Wir brauchen diese Technologien, damit Kommunalverwaltungen auch künftig ihre Aufgaben bewältigen können. Insbesondere von KI-Lösungen verspreche ich mir viel, dadurch können Abläufe automatisiert werden. Im Bereich von Transaktionen kann auch die Blockchain-Technologie interessant werden, Beispiele aus dem Ausland zeigen bereits den praktischen Nutzen. Wir haben also einen wachen Blick darauf, wann der Zeitpunkt da ist, um solche Technologien nutzbringend einzusetzen.
Czienienga: Es ist eine Frage der Perspektive: Man kann neue Technologien als Bedrohung oder als Chance sehen. Ein Blick in die Kommunalverwaltungen zeigt, dass der demografische Wandel für Veränderungen sorgt. Neue Technologien können dazu beitragen, dass Aufgaben mit weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erledigt werden können. Wer beispielsweise im Sozialwesen tätig ist, will nichts lieber, als sich mit den Kernaufgaben zu beschäftigen. Da ist man gerne bereit, administrative Aufgaben abzugeben – und sei es an eine künstliche Intelligenz.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe September 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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