Samstag, 16. November 2024

InterviewDigitalisierung muss man wollen

[23.01.2024] Im Rahmen des Kongresses Innovatives Management sprach Kommune21 mit Michael Mätzig vom Städtetag Rheinland-Pfalz und Form-Solutions-Geschäftsführer Olaf Rohstock über Möglichkeiten, das Tempo bei der Digitalisierung zu erhöhen.
Michael Mätzig

Michael Mätzig

(Bildquelle: Städtetag Rheinland-Pfalz)

Herr Mätzig, Herr Rohstock, durchgängig digitale Prozesse sollen das Verwaltungshandeln deutlich beschleunigen. Wie digital sind die Kommunalverwaltungen aus Ihrer jeweiligen Sicht bereits? Michael Mätzig: Das hängt häufig von der Größe der Kommunen ab. Die größeren Städte in Rheinland-Pfalz sind bei der Digitalisierung deutlich weiter, viele haben auch die Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes (OZG) bereits umgesetzt. Kleinere Kommunen fangen zum Teil erst an, Digitalisierungsprojekte zu starten. Man sieht also, es ist ganz klar eine Frage der Ressourcenausstattung. Olaf Rohstock: Das kann ich bestätigen, größere Gemeinden tun sich mit der Digitalisierung leichter. Auch in kleineren Gemeinden gibt es gute Beispiele. Aber in der Tat sind die Verwaltungsprozesse noch nicht so durchgängig, wie es wünschenswert wäre. Die Technologien sind zwar vorhanden, aber es fehlt an Basisdienstleistungen. Und in kleineren Gemeinden fehlt oft das Personal, um die Digitalisierung auch intern voranzutreiben. Was tut die Landesregierung Rheinland-Pfalz, um die Kommunen bei der Digitalisierung zu unterstützen? Mätzig: In Rheinland-Pfalz sollte das Land Basiskomponenten für das OZG bereitstellen. Da dies nicht im erforderlichen Umfang geschehen ist, gibt es in den kleineren Gemeinden keine Fortschritte. Die Landesregierung ist aber bemüht, hier voranzukommen, insbesondere bei den Dienstleistungen nach dem Prinzip Einer für Alle. Ein Erfolg versprechender Ansatz ist die Konzentration auf 16 Basisdienstleistungen und hier ist das Land auf einem guten Weg. Vor allem nach der Landtagswahl, denn vorher war die Digitalisierung im Innenministerium angesiedelt – als eine von vielen Aufgaben. Jetzt gibt es ein eigenes Digitalministerium, und das macht sich bemerkbar. Leider gibt es wenig finanzielle Unterstützung für die Kommunen. Wenn man bedenkt, wie viele Milliarden der Bund zur Verfügung gestellt hat, ist bei den Kommunen sehr wenig angekommen. Welche Rolle spielen rechtliche Rahmenbedingungen und die richtige Mentalität bei der Digitalisierung? Rohstock: Um das Verwaltungshandeln von der Papierwelt in die digitale Welt zu überführen, braucht es eine entsprechende Mentalität und den Mut der Verwaltungsspitze, auch Grenzen zu überschreiten. Wir brauchen neues Denken und neue Prozesse. Leider verhindert das Korsett der Gesetzgebung oft die Modernisierung. Man kann Verwaltungsprozesse auch kreativ gestalten, aber man muss die ausgetretenen Pfade verlassen, welche die rechtlichen Rahmenbedingungen von vorgestern darstellen. Es wäre wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass auch Experimente möglich sind. Mätzig: Leider wurde es beim OZG versäumt, zunächst den rechtlichen Rahmen an die neuen digitalen Prozesse anzupassen, etwa beim Thema Schriftformerfordernis. Jetzt haben wir die Chance, einen Neuanfang zu machen. Mit dem Digi-Check versucht der Bund, einen Praxisbezug in die Digitalisierung zu bringen. Das ist ein positiver Ansatz. Zur Mentalität: Viele Experten sagen, es gibt ein Organisationsversagen der öffentlichen Hand bei der Digitalisierung und das hat etwas mit der Denkweise zu tun. Man muss ganz klar sagen, dass die Digitalisierung noch nicht in den Köpfen angekommen ist. Bevor man immer neue Digitalstrategien verkündet, sollte man die kommunale Ebene erst einmal in die Lage versetzen, ihre Strukturen zu verändern. „Ich bin ungebrochen optimistisch, denn es gibt keine Alternative zur Digitalisierung.“ Herr Rohstock, was muss aus Ihrer Sicht getan werden, um echte Veränderungen im Verwaltungshandeln herbeizuführen? Rohstock: Da kann ich nur bestätigen: Digitalisierung beginnt im Kopf und ist Aufgabe der Verwaltungsspitze. Eine intrinsische Motivation zur Digitalisierung findet man in solchen Kommunen, in denen die Führungskräfte dahinter stehen. Die Praxis zeigt, dass es wichtig ist, Ermessensspielräume zu schaffen. So kann das Verwaltungshandeln beschleunigt werden. Veränderungen müssen aber auch gewollt sein. Welche konkreten Maßnahmen könnten ergriffen werden, um eine durchgängige Digitalisierung von Verwaltungsprozessen voranzutreiben? Mätzig: Ich finde es richtig, dass man sich jetzt auf 16 Fokusdienste konzentriert, es erscheint mir realistisch, bis Ende 2024 solche Ende-zu-Ende-Dienste zur Verfügung zu stellen. Was mich stört, ist, dass der Bund eine Initiative nach der anderen startet, aber die eigentlichen Probleme und Herausforderungen nicht angegangen werden. Und das ist das Thema Organisation. Die Kommunen brauchen Prozessdesigner, die in der Lage sind, die Prozesse in den Kommunalverwaltungen zu digitalisieren. Dafür sind Ressourcen und Know-how notwendig. Viele Kommunen haben weder das eine noch das andere. Rohstock: Ich möchte ein Beispiel aus Sachsen-Anhalt nennen. Das Land hat 2015 in der so genannten Flüchtlingskrise jeder Kommune Budgets zur Verfügung gestellt, um zusätzliches Personal einzustellen und den Zustrom zu bewältigen. So konnte die Wucht des Wandels abgefedert werden. Für die Digitalisierung gab es Bundesmittel, die vielleicht bei den kommunalen IT-Dienstleistern angekommen sind, aber nicht bei den Kommunen selbst. Die Kommunen brauchen aber Ressourcen und Personal, um von der Digitalisierung profitieren zu können. Welche Strategien würden Sie vorschlagen, um das Tempo des Verwaltungshandelns zu erhöhen und gleichzeitig echte Veränderungen herbeizuführen? Mätzig: Ich war der Meinung, dass der Top-down-Ansatz richtig ist, dass es sinnvoll ist, den vielen Kommunen bestimmte Basisdienste zur Verfügung zu stellen. Aber das hat nicht funktioniert. Es wäre besser, auf regionaler Ebene zusammenzuarbeiten. Wir müssen jetzt viel stärker die einzelnen Prozesse betrachten und anpassen. Rohstock: Die Idee der interkommunalen Zusammenarbeit bei der Digitalisierung ist nicht neu und es gibt viele erfolgreiche Beispiele. Regionale Projekte sind oft schneller und führen eher zu guten Ergebnissen. Allerdings sind regionale Entwicklungen nicht unbedingt auf andere Kommunen übertragbar. Wie optimistisch sind Sie, dass die Digitalisierung in den Kommunen trotz aller Rückschläge vorankommt? Mätzig: Ich bin ungebrochen optimistisch, denn es gibt keine Alternative und der Veränderungsdruck ist da. Es wird also vorangehen, zumal auch die Verwaltungsspitzen in den Kommunen die Digitalisierung wollen. Allerdings: Eine Bundesgesetzgebung in der Sache ist nicht förderlich.

Interview: Alexander Schaeff




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