GewerbesteuerbescheidDigitalisierung nimmt Fahrt auf
Die Digitalisierung beim Gewerbesteuerbescheid gewinnt an Dynamik und die flächendeckende Umsetzung kommt zügig voran: Schon ein Drittel der Hersteller von Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungssystemen (HKR-Systemen) hat umgerüstet, und mehrere Kommunen in unterschiedlichen Bundesländern haben bereits vollständig digitalisierte Gewerbesteuerbescheide versendet.
Seit April 2024 können Steuerpflichtige in Deutschland direkt bei Abgabe ihrer Gewerbesteuererklärung den digitalen Gewerbesteuerbescheid über das ELSTER-Portal beantragen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums (BMI) wurde die Umsetzung inzwischen in über 100 Kommunen pilotiert, umfassend getestet und in einigen Kommunen auch schon erfolgreich in die Praxis überführt. Die Herausforderung: Die Vielzahl an HKR-Systemen sowie die zahlreichen kommunalen IT-Dienstleister mit ihren eigenen Systemen und deren Anbindung an die Landesfinanzverwaltung. Bund, Länder und Kommunen, Unternehmen, Steuerberatungen, HKR-Systemanbieter und IT-Dienstleister müssen an einem Strang ziehen, damit die Umsetzung gelingt.
Erste Kommunen machen Erfahrungen
Ein gutes Beispiel ist die Stadt Essen. Im Frühjahr 2024 verschickte sie als eine der ersten Kommunen den vollständig digitalen Gewerbesteuerbescheid. „Als Stadtverwaltung Essen sind wir sehr stolz darauf, als erste Kommune in Deutschland den Gewerbesteuerbescheid vollumfänglich digital an die DATEV-Steuerberatersoftware zugestellt zu haben. Für uns bedeutet es einen großen Schritt im Rahmen unserer Digitalstrategie, ein gutes Dienstleistungsangebot bereitzustellen, das für alle einfach und standardisiert nutzbar ist“, sagt Anke Hammacher, die Leiterin der Abteilung Steuern und Abgaben des Fachbereichs Finanzbuchhaltung und Stadtsteueramt der Stadt Essen. Im Vorjahr waren Rostock und Düsseldorf bereits deutschlandweit Vorreiter. Auch einige kleinere Gemeinden – Nieder-Olm in Rheinland-Pfalz und Amt Mittleres Nordfriesland in Schleswig-Holstein – sowie die Stadt Brake (Unterweser) in Niedersachsen haben inzwischen die ersten vollständig digitalen Bescheide an ansässige Unternehmen verschickt. In Brake (Unterweser) hat der kommunale IT-Dienstleister KDO an der Umsetzung mitgewirkt und in Zusammenarbeit mit dem Leiter des Steueramts den ersten Bescheid erfolgreich versendet. „Als kommunaler IT-Dienstleister begrüßen wir die Fortschritte bei der flächendeckenden Einführung des digitalen Gewerbesteuerbescheids. Es ist von großer Bedeutung, einen standardisierten Prozess umsetzen zu können. Die Bescheidbearbeitung erfolgt dadurch effizient, einheitlich und nachnutzbar“, sagt Martin Sunder, Leiter der Unternehmenseinheit Kommunale Fachverfahren bei der KDO.
600 Papierformate werden abgelöst
Der neue digitale Bescheid wird als PDF-Dokument mit eingebettetem XML (PDF/A-3) in das Postfach des ELSTER-Unternehmenskontos zugestellt. Der maschinell lesbare, einheitliche XML-Datensatz ermöglicht eine direkte Weiterverarbeitung in den unterschiedlichen Softwarelösungen der Unternehmen und Steuerberatungen. Perspektivisch sollen damit über 600 verschiedene Papierformate in 11.000 Kommunen abgelöst werden. Viele Anbieter von Steuersoftware planen, die digitale Lösung mit ihren Produkten noch im Laufe des Jahres 2024 umzusetzen. Der Dienstleister Infolog ist schon jetzt bereit, digitale Bescheide zu empfangen und wartet nun gemeinsam mit seinen Kunden RWE, BMW und BASF auf die ersten produktiven Übertragungen. Positive Aussichten gibt es auch für alle Steuerpflichtigen, die mit den Lösungen von Wolters Kluwer arbeiten: Der so genannte elektronische Bekanntgabewunsch soll bald übermittelt werden können und so den Weg für den digitalen Gewerbesteuerbescheid ebnen. Dieser und andere Erweiterungen vereinfachen den Prozess in den Steuerkanzleien erheblich, da die Daten unter anderem automatisch in das Fristenbuch eingelesen werden. Der Steuerberatungsdienstleister DATEV hat bereits im August 2023 den elektronischen Bekanntgabewunsch sowie den Abruf von Bescheiden in seiner Software umgesetzt.
Roll-out für Steuerberatungsbüros steht bevor
Seit die technischen Voraussetzungen für den Start einer Pilotierung seitens ELSTER geschaffen wurden, erproben zudem ausgewählte Steuerberatungen die bereitgestellte Lösung. Sobald das Verfahren auch erfolgreich mit verschiedenen Kommunen und deren Softwareherstellern getestet ist, steht einem sukzessiven Roll-out für alle ihre Steuerberater im Laufe des Jahres 2024 nichts mehr im Weg. Ebenfalls noch im Jahr 2024 soll der digitale Gewerbesteuerbescheid die nächste Stufe der Standardisierung erreichen, indem er als Fachmodul von XUnternehmen umgesetzt wird. Dadurch wird eine verbindliche Nutzung und kontinuierliche Pflege des Datenmodells geschaffen. Zudem ermöglicht die Teilnahme an einem solchen XÖV-Standard auch die reibungslose Datenübertragung zwischen verschiedenen Systemen und Organisationen. Somit können alle Verwaltungsprozesse, die im Zusammenhang mit der Gewerbesteuer stehen, vereinfacht und automatisiert werden.
Digitaler Zerlegungsbescheid wird pilotiert
Eine spezielle Herausforderung im Gesamtprojekt ist der so genannte elektronische Zerlegungsbescheid. Der Hintergrund: Viele Unternehmen sind in mehreren Gemeinden aktiv, daher wird die zu leistende Gewerbesteuer entsprechend auf die verschiedenen Gemeinden verteilt. Die technische Umsetzung dieses Digitalisierungsprozesses macht Fortschritte. Aktuell stehen die ersten Tests der Umsetzung mit elektronischen Bescheiden an. Dabei agiert die Stadt Dortmund mit ihrem HKR-Hersteller als Testpartner. Der neue PDF-Zerlegungsbescheid mit eingebettetem XML (PDF/A-3) löst das Format ELSTER-Schlüssel in K1 und den Papierbescheid in Nordrhein-Westfalen ab und ermöglicht einen deutschlandweiten digitalen Versand der Zerlegungsbescheide vom Finanzamt an betroffene Kommunen. Die Pilotierung mit Echtdaten soll im Herbst 2024 abgeschlossen sein. Die flächendeckende Einführung in ganz Deutschland ist für das Jahr 2025 geplant. Perspektivisch ist auch für die Gewerbesteuer-Messbetragsmitteilung vom Finanzamt an die Kommunen eine Umstellung auf das Format PDF/A-3 vorgesehen.
Unterstützung für Kommunen
Der größte Knackpunkt ist aktuell noch die Umsetzung in den Kommunen. Dass diese rechtzeitig die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Anbindung an die digitale Lösung schaffen, ist entscheidend. Die Gewerbesteuer ist meist die wichtigste Einnahmequelle. In vielen Kommunen sind die Auswirkungen der Grundsteuerreform noch spürbar. So fehlen vielerorts die personelle Kapazität und die finanziellen Mittel, neue Digitalisierungsprozesse schnell umzusetzen. Daher gibt es für Kommunen Unterstützung aus dem Projekt in Form von Länderarbeitskreisen und dem Service-Desk Digitaler Gewerbesteuerbescheid. Alle interessierten Kommunen sind eingeladen, an dem Projekt „Digitaler Gewerbesteuerbescheid“ teilzunehmen. In diesem Jahr haben Kommunen auch noch die Möglichkeit, kostenlos beim Umstieg auf die digitale Lösung begleitet und unterstützt zu werden. Der Service-Desk kann direkt unterstützen, daneben gibt es auch vielfältiges Informationsmaterial sowie die Möglichkeit, den Versand in einem Testsystem zu erproben. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich mit anderen Kommunen mit den gleichen HKR-Systemen auszutauschen und zu vernetzen. Durch die Erfahrung aus der aktiven Zusammenarbeit ergeben sich unzählige Synergien und Möglichkeiten, den komplexen Umstieg zu meistern.
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