Donnerstag, 5. Dezember 2024

Dokumenten-ManagementEin Hype, der bleibt

[31.08.2011] Im Interview erläutert Laurenz Stecking, worauf Kommunen bei der DMS-Auswahl achten sollten. Außerdem erklärt der Geschäftsführer von codia Software, warum die Digitalisierung so lange dauert und wie die Vorgangsbearbeitung der Zukunft aussieht.
Laurenz Stecking

Laurenz Stecking

(Bildquelle: codia Software)

Herr Stecking, die elektronische Dokumentenverwaltung und Vorgangsbe- arbeitung gilt plötzlich als Next Big Thing in den Kommunen. Teilen Sie diese Einschätzung?

Als wir die codia Software GmbH vor zwölf Jahren gegründet haben, haben „Experten“ Dokumenten-Management-Systeme (DMS) bereits als Hype-Thema für die Kommunalverwaltung eingestuft. Über die Jahre haben wir eine wachsende Bedeutung der elektronischen Dokumentenverwaltung und Vorgangsbearbeitung festgestellt und können diese Einschätzung daher teilen. Kommunen erkennen zunehmend, dass es nicht nur um Archivierung geht, sondern mit einem DMS komplette Prozesse und der gesamte Lebenszyklus eines Dokumentes abgebildet werden können und das System somit eine optimale Basis für E-Government darstellt.

Das Dokumenten-Management gilt als Nervensystem der Verwaltung. Warum dauert die Digitalisierung gerade in diesem wichtigen Bereich so lange?

Solange sich Dokumenten-Management auf die Ablage von Dokumenten beschränkte, war die Einführung problemlos und ging in vielen Verwaltungen schnell vonstatten. Beim echten Dokumenten-Management hat man es jedoch mit lebenden Dokumenten zu tun, die von verschiedenen Mitarbeitern bearbeitet werden und sich teilweise in Workflows befinden. Die Einführung derartiger Lösungen bedarf deshalb häufig organisatorischer Vorarbeiten. Diese Aufgaben können nicht zusätzlich zum Alltagsgeschäft erledigt werden, sondern erfordern verstärkten Einsatz – auch personell.

Ihr Unternehmen hat sich auf öffentliche Verwaltungen spezialisiert. Wie hat sich der Markt entwickelt?

Die Verwaltungsabläufe in den Kommunen werden zunehmend im Hinblick auf Effektivitätssteigerung und Erhöhung der Transparenz bewertet. Die Kommunen suchen verstärkt ganzheitliche Lösungen, die sowohl die Schriftgutverwaltung als auch die Archivierung mit Fachverfahrensintegration umfassen. Im Zusammenhang mit der automatisierten Eingangsrechnungsbearbeitung hat zudem das Thema Workflow stark an Bedeutung gewonnen.

Worauf sollten Kommunen bei der Auswahl eines Dokumenten-Management-Systems achten?

Das beste DMS nützt nichts, wenn nicht zugleich auch Lösungen und Beratungskompetenz für die Kommunalverwaltung verfügbar sind. Wichtig sind daher Schnittstellen und Integrationen in Fachverfahren auf der einen Seite sowie Lösungen für die allgemeine Schriftgutverwaltung/Aktenplan und Übergabe an das Archiv auf der anderen Seite. Unserer Ansicht nach sollte eine Verwaltung darauf achten, dass das DMS möglichst branchen­übergreifend in hoher Stückzahl im Einsatz ist. Denn das gewährleistet, dass der Hersteller auch langfristig über die finanziellen Voraussetzungen verfügt, sein System an die rasanten technologischen Neuerungen anzupassen.

Wie bewerten sie den Datenaustauschstandard xdomea?

Über diesen Standard wird eine komfortable Möglichkeit zum Austausch von Akten, Vorgängen und Dokumenten sowie den zugehörigen Metadaten auch zwischen verschiedenen Dokumenten-Management-Systemen bereitgestellt. Im Rahmen der DOMEA-Zertifizierung des d.3-Systems haben wir den Standard xdomea 2.0 umgesetzt. Bezogen auf den möglichen Austausch von Daten zwischen DMS und Fachverfahren stellen wir fest, dass die Fachverfahrenshersteller den xdomea-Standard bislang kaum nutzen. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass häufig zwischen Fachverfahren und DMS komplexe bidirektionale Schnittstellen zu schaffen sind, die sich mit xdomea nicht abbilden lassen. Andererseits verfügen die meisten Fachverfahrenshersteller bereits über ausgereifte und praxisbewährte Schnittstellen.

„Das DMS stellt eine optimale Basis für E-Government dar.“

codia bietet Lösungen auf Basis des ECM-Systems d.3 von d.velop an. Was zeichnet die Lösung aus?

d.3 steht für Archivierung, Dokumenten-Management und Workflow in einem Produkt. Das System ist branchenübergreifend in über 2.500 Installationen im Einsatz. Mit ihrer zwölfjährigen Erfahrung im Kommunalbereich hat die Firma codia Software auf der Plattform von d.3 Lösungen für die Kommunalverwaltung geschaffen und arbeitet bei der Realisierung von Schnittstellen eng mit den jeweiligen Fachverfahrensherstellern zusammen.

Welches Kundenprojekt würden Sie als beispielhaft hervorheben?

Im Kreis Borken haben wir vor zehn Jahren mit der klassischen Archivierung im Bereich der Kfz-Zulassung begonnen. Über die Jahre sind weitere Fachverfahrensintegrationen hinzugekommen. 2010 haben wir einen Vertrag zur verwaltungsweiten Einführung von d.3 abgeschlossen. Konkret heißt das: Der Kreis Borken entwickelt in enger Zusammenarbeit mit d.velop und codia die Dokumenten- und Workflow-Management-Produkte von d.velop zu praxisgerechten Lösungen für die Abbildung digitaler Geschäftsprozesse in öffentlichen Verwaltungen weiter. Hier sind wir in der Praxis bereits sehr weit fortgeschritten, etwa was die behördenweite Umstellung analoger Prozesse auf eine volldigitale Sachbearbeitung inklusive digitaler Postein- und -ausgangsszenarien angeht.

Wie wird die Vorgangsbearbeitung der Zukunft aussehen?

Wir gehen davon aus, dass die elektronische Kommunikation zwischen den Behörden sowie mit den Unternehmen und Bürgern in den kommenden Jahren deutlich zunehmen wird. Damit ist zwangsläufig ein System zur ordnungsgemäßen Verwaltung der elektronisch eingehenden Dokumente erforderlich. Aber auch bei den papiergebundenen Posteingängen erwarten wir auf der Grundlage komfortabler Erfassungsstrecken und Postverteilungslösungen, dass nahezu der gesamte Posteingang zentral gescannt und über das DMS verteilt und bearbeitet wird. Die Fachverfahren werden ihre Dokumentenablage künftig nicht mehr in Files oder einer Datenbank vornehmen, sondern im behördenweiten Dokumenten-Management-System. Ergonomische Oberflächen werden zu einer weiteren Akzeptanzsteigerung von DMS führen, etwa wenn Führungskräfte über Mobil Clients auf Anwendungen zugreifen, die auf Smartphones lauffähig sind. Auch das Thema SharePoint wird in den Kommunen eine ernstzunehmende Rolle spielen.

Interview: Alexander Schaeff




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