InterviewEin Pakt allein reicht nicht
Herr Dr. Trips, der Giga-Pakt für Niedersachsen soll den Breitband-Ausbau schneller, unbürokratischer und einfacher machen. Welche Bedeutung messen Sie dem Digitalisierungsprogramm bei?
Von derartigen Absichtsbekundungen sollte man nicht zu viel erwarten. Letztendlich ist der Giga-Pakt ein Letter of Intent, in dem die Unterzeichner erklären, dass sie den Breitband-Ausbau in Niedersachsen unterstützen wollen. Allein dadurch erhält aber keine Gemeinde eine adäquate digitale Anbindung. Es ist wichtig, die Lage ganz rational auf Grundlage des administrativen Vollzugs zu bewerten. Und da gibt es einiges, was richtig gemacht wurde. Beispielsweise hat die Landesregierung beim Wirtschaftsministerium eine zentrale Stelle geschaffen, in der alle Facetten des leistungsfähigen Breitband-Ausbaus gebündelt werden. Abgesichert ist diese Stelle mit einem eigenen Staatssekretär. Erst das ermöglicht die Bearbeitung aus einem Guss. Auch ist der Versuch der Stabsstelle Digitalisierung hervorzuheben, alle betroffenen Akteure an einen Tisch zu holen. Denn: Besser, man spricht miteinander als übereinander.
Wird so auch die im Giga-Pakt geforderte ebenen- und gesellschaftsübergreifende Zusammenarbeit umgesetzt?
Man sitzt an einem Tisch, das ist schonmal gut. Aber die Interessen der Beteiligten sind grundverschieden und in der Praxis gibt es weitere Probleme. Beispielsweise in der Zusammenarbeit mit einem großen Telekommunikationsanbieter (TK-Anbieter): An die Zusage zum Anschluss eines Neubaugebiets an das Glasfasernetz fühlen sich TK-Anbieter nicht mehr gebunden, weil ein auf Bundesebene gut gedachtes aber handwerklich schlecht gemachtes Gesetz, diese Pflicht der Gemeinde auferlegt.
Wie sahen denn die ersten Schritte zur Umsetzung des Giga-Pakts aus?
Inhaltlich ist man mit sehr viel Dynamik gestartet. Es gab eine Steuerungs- und mehrere Arbeitsgruppen, in der die drängendsten Probleme angegangen werden sollten. Vor allem mit dem Bürokratie-Abbau und Verbesserungen der baulichen Rahmenbedingungen haben sich die Arbeitsgruppen beschäftigt. Für Letztere saßen dann tatsächlich Vertreter von Gruppen am Tisch, die in dieser Konstellation sonst nicht zusammenkommen.
Wie ging es weiter?
Soweit es den Bürokratie-Abbau betrifft, passiert, was in solchen Arbeitsgruppen immer passiert: Es wird viel Papier beschrieben. Die meisten Prozesse entziehen sich dann aber einer unmittelbaren Beeinflussung, weil entweder andere nicht beteiligte staatliche Ebenen die Entscheidungshoheit haben, oder weil die Misstrauenskultur anderer Akteure – etwa der Finanzverwaltung – höher gewichtet wird. Wichtig ist deshalb auch hier, die Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben und vor allem die beeinflussbaren Dinge anzugehen, etwa Bestandserhebungen vorzunehmen und zu konsolidieren. An dieser Stelle hat das Land unter wenig optimalen Vorzeichen ordentliche Arbeit geleistet.
„Allein durch derartige Papiere erhält keine Gemeinde eine adäquate digitale Anbindung.“
Wie könnte man zu besseren Ergebnissen kommen?
Da sehe ich reichlich Optimierungsbedarf. Etwa in den bürokratischen Vorgaben aus Vergabevorschriften und Förderbestimmungen oder in der Verzettelung der Förderlandschaft über Europa, Bund, Länder und Kommunen. Bewährt hat sich die stärkere zentrale Koordination der Ausbauaktivitäten durch die Stabsstelle Digitalisierung. Besonders hervorzuheben ist die ausgezeichnete Arbeit des Breitband Kompetenz Zentrums Niedersachsen. Denn dort erhalten Kommunen die dringend erforderliche fachliche Unterstützung für den Ausbau.
Sind die gesetzten Ziele realistisch?
Drei von vier Ausbauzielen, die gigafähige Versorgung von Gewerbegebieten und Häfen, Schulen und Krankenhäusern, sollen erst ab 2021 erreicht werden. Das vierte Ausbauziel, die schnellstmögliche Versorgung aller Adressen in weißen Flecken ist für ein Flächenland wie Niedersachsen natürlich schon eine Herausforderung. Überprüfe ich den aktuellen Stand im Breitbandatlas, sehe ich noch reichlich Luft nach oben. Die Ziele sind inhaltlich so breit gehalten, dass man sich durchaus darin wiederfinden kann. Bedenken wir aber, dass sie aus dem Jahr 2018 stammen, wird klar: Für eine adäquate Anbindung unserer Schulen und Gewerbeflächen waren mindestens drei Jahre und für Krankenhäuser noch längere Zeiten vorgesehen. Gerade mit Blick auf die Corona-Pandemie würde ich mir deutlich ambitioniertere Zeitvorstellungen wünschen. Wir müssen in diesem Land doch in der Lage sein, für die Bildung unserer Kinder, für unser Gewerbe und für unsere Gesundheit essenzielle Infrastruktur schnell bereitzustellen. Das klappt jedoch nicht, wenn ich auf einen ausschließlich marktgetriebenen Ausbau setze und dann dessen erwartbare Defizite mit einem Förder- und Zuständigkeitsdschungel zu beheben versuche. Ich habe erhebliche Zweifel, ob die Ziele mit dem marktorientierten Ansatz zum Ausbau der Breitband-Versorgung in der Bundesrepublik überhaupt zu erreichen sind.
Stichwort Corona: Wie hält die kommunale Breitband-Infrastruktur in Niedersachsen dem Bedarf Stand?
Wir haben doch alle bemerkt, unter welcher Belastung die digitalen Netze, insbesondere in der Phase des eingeschränkten öffentlichen Lebens waren. Selbst manchen Bürgern in den eigentlich gut versorgten Städten ist das aufgefallen. Und in den ländlichen unterversorgten Regionen waren Arbeitsformen wie Homeoffice oder Videokonferenzen keine Alternative, weil die Breitband-Kapazitäten fehlten. Die Pandemie hat uns nochmal deutlich vor Augen geführt, dass ein Land wie Deutschland eben doch schnelles Internet an jeder Milchkanne benötigt.
Mit welchen Kosten ist beim Breitband-Ausbau in Niedersachsen zu rechnen?
Der finanzielle Rahmen des Landes für Maßnahmen zur digitalen Infrastruktur umfasst bis zum Jahr 2022 ein Volumen von 500 Millionen Euro. Der größte Teil davon entfällt auf die Kofinanzierung der Breitband-Förderung. Insgesamt wird durch die Kommunen, den Bund und private Unternehmen aber ein deutlich höherer Betrag aufgebracht werden müssen.
Zusammengefasst: Was würde den Breitband-Ausbau optimal voranbringen?
Mit der in Niedersachsen begonnenen Bündelung von Zuständigkeiten und administrativen Ressourcen unter einem hochrangigen Vertreter der Regierung ist die richtige Richtung eingeschlagen worden. Ich würde mir aber wünschen, dass wir aus dem Kleinklein der Förderung herauskommen und uns ambitioniertere Ziele beim Ausbau stecken. Wir brauchen eine konkrete Planung, wann der letzte Winkel in welcher Form versorgt werden soll. Dafür sind dann unbürokratisch ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen. Auch die TK-Unternehmen müssen endlich stärker in die Pflicht genommen werden. Und da die Unternehmen vornehmlich an einer Gewinnabschöpfung in attraktiven Ballungsräumen interessiert sind, braucht es einen verbindlicheren Rechtsrahmen für ein stärkeres Engagement im ländlichen Raum.
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