Dienstag, 19. November 2024

StadtplanungEin Strauß an Möglichkeiten

[28.03.2023] Mithilfe von Smart-City-Technologien lassen sich viele Ideen umsetzen, welche die Lebensqualität in Städten erhöhen – beispielsweise im Bereich öffentlicher Nahverkehr, beim Leerstandsmanagement oder der Planung der Infrastruktur in einzelnen Vierteln.
ÖPNV: Digitale Daten helfen

ÖPNV: Digitale Daten helfen, die Taktung an den tatsächlichen Bedarf anzupassen.

(Bildquelle: Sina Ettmer/stock.adobe.com)

Moderne Technologien beeinflussen immer stärker unser Leben: Lösungen auf Basis des Internet of Things (IoT), von Predictive Analytics (PA) oder künstlicher Intelligenz (KI) können unseren Alltag erheblich bereichern, wenn sie zu unseren Gunsten eingesetzt werden. Auch Städte können von der Nutzung dieser Technologien profitieren – und ihren Bürgerinnen und Bürgern damit eine deutlich höhere Lebensqualität bieten.
„Die Idee der smarten Stadt lässt sich im Wesentlichen auf eine Kernaussage reduzieren: Die Stadt soll attraktiver für Menschen und Unternehmen werden, indem sich die Stadtplaner primär an deren Bedürfnissen orientieren. Ein zentraler Indikator dafür ist die von den Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommene Lebensqualität“, erläutert Markus Ritzel, Director Public Sector Services und Experte für Smart Cities beim IT-Dienstleister Nagarro. „Diese wird durch so unterschiedliche Faktoren wie Arbeitsplatz-, Bildungs- und Freizeitangebot, Qualität der öffentlichen Dienstleistungen oder auch das Vorhandensein sauberer, naturnaher Rückzugsräume geprägt.“ Technologien sind hier daher kein Selbstzweck – sie verhelfen den Planern zu den Informationen, die sie zur Verbesserung der Lebensqualität benötigen.

Eine einfache Maßnahme, viele positive Auswirkungen

Gerade in Deutschland hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – wohl auch aus historischen Gründen – einen besonderen Stellenwert. Die Digitalisierung ist daher für manche Bürger ein zweischneidiges Schwert. Doch beim Einsatz smarter Technologien gilt: An sich ist die Technik weder gut noch schlecht – auf die Nutzung kommt es an. Mit etwas Ideenreichtum lassen sich viele öffentliche Leistungen verbessern, ohne auf personenbezogene Daten zurückzugreifen. Durch Gewichtssensoren oder Lichtschranken ist es zum Beispiel möglich, die grobe Auslastung von Straßenbahnen automatisch zu berechnen. Das ist nicht neu. Heute können diese Techniken aber dank moderner IoT-Sensoren die Transportdaten automatisch an ein Rechenzentrum weiterleiten. Auf Basis von Hochrechnungen kann die Stadt die Taktungen dann besser an den tatsächlichen Bedarf anpassen.
Die digitalen Daten ermöglichen auch langfristigere Auslastungsprognosen. Dadurch werden Trends sichtbar, welche sich für die künftige Optimierung des Streckennetzes nutzen lassen. So reduziert eine Kommune das Risiko, in nicht benötigte Teilstrecken zu investieren. „Allein eine recht einfache Maßnahme kann schon viele positive Wirkungen entfalten“, erklärt Basim Alptekin, Accountmanager bei Nagarro. „Die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs nimmt zu, gleichzeitig lässt sich der deutlich umweltschädlichere Individualverkehr reduzieren. Durch Verringerung von Leerfahrten sparen die städtischen Verkehrsbetriebe gleichzeitig unnötige Betriebskosten ein. Der abnehmende Individualverkehr reduziert zudem die durchschnittliche Feinstaubbelastung und trägt zu einer besseren Luftqualität und öffentlichen Gesundheit bei.“

Smart-City-Ansatz ist eine Leitphilosophie

Durch ergänzende Dienstleistungen ließe sich die Attraktivität des ÖPNV noch weiter steigern – beispielsweise durch eine App-basierte, automatische Abrechnung nach gefahrenen Kilometern. In den Verkehrsbetrieben Rhein-Main und Rhein-Neckar besteht diese Möglichkeit bereits.
Tatsächlich spielen persönliche Daten in vielen smarten Anwendungen keine Rolle – zumeist geht es um das automatische Erkennen von Trends mittels KI und PA anhand aggregierter Daten. Für eine verbesserte Stadtplanung sind diese als Informationsgrundlage enorm wichtig. Soll die Stadt etwa frühzeitig ausreichend Kindertagesstätten oder Schulen ortsnah anbieten, benötigt sie Prognosen über die Entwicklung einzelner Stadtviertel. Lässt sich die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur statistisch ex­tra­polieren, können sich die Bildungsinstitutionen der Stadt im Vorfeld auf diese Trends einstellen – und damit die Attraktivität als Standort erhöhen.
Da die technischen Möglichkeiten einem stetigen Wandel unterliegen, handelt es sich beim Smart-City-Ansatz eher um eine Leitphilosophie als um ein abgeschlossenes Konzept. Für Städte stellt sich somit die Frage, womit sie bei der Umsetzung starten sollten. „Grundsätzlich bietet es sich an, mit denjenigen Projekten zu beginnen, die leicht umzusetzen sind und einen möglichst großen positiven Effekt für die Bürger besitzen“, fasst Basim Alptekin seine Erfahrungen zusammen. In vielen Fällen fängt es bei der öffentlichen Verwaltung an. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) sieht vor, dass Bund, Länder und Kommunen ihre Verwaltungsleistungen auch digital anbieten. Obgleich das Gesetz eine Frist bis Ende 2022 für die Umsetzung vorsah, ist das Vorhaben noch längst nicht in allen Kommunen vollständig finalisiert. In der Konsequenz bedeutet das insbesondere für Arbeitnehmende, dass sie für notwenige Behördengänge oft mindestens einen halben Tag Urlaub benötigen. Gleichzeitig vergeben die Behörden die Chancen darauf, repetitive Abläufe zu automatisieren und so Kosten einzusparen.

Smarte Ideen für eine lebenswertere Stadt

Aber nicht nur die Verwaltung bietet in vielen Städten noch Optimierungspotenzial. Viele Innenstädte leiden unter der aktuellen Wirtschaftslage – die Folge sind Leerstand und verwaiste Fußgängerzonen. Durch digitale Matching-Plattformen können Städte und Gemeinden diesem Trend entgegenwirken. Dazu müssen sie nicht zwangsläufig eigene Plattformen entwerfen. Bestehende Angebote – etwa die in Zusammenarbeit mit Nagarro entwickelten Leerstandslotsen – bringen bereits heute Anbieter von Gewerbeflächen und Neugründer digital zusammen. Der Clou dabei: Der Neugründer beschreibt auf der Plattform sein Nutzungskonzept und erhält somit nur passende Angebote, gleichzeitig kann der Vermieter einschätzen, ob ihm ein Konzept tragfähig erscheint und so sein wirtschaftliches Risiko minimieren. Auch Kommunen können auf der Plattform nach geeigneten Konzeptanbietern für freie Gewerbeflächen suchen und diese aktiv ansprechen.
Ideen für eine lebenswertere Stadt lassen sich schnell finden. Hier ist Abschauen ausdrücklich erlaubt. Die Leitphilosophie verträgt sich zudem bestens mit einer stärkeren Bürgerbeteiligung. Dafür können Gemeinden ihren Bürgern ein Forum zur Verfügung stellen, indem diese ihre Ideen und Kritik einbringen und diskutieren können. Erste Ansätze dazu liefert die Plattform „Stuttgart – Meine Stadt“.
„Es bleibt zu hoffen, dass sich andere Städte schrittweise anschließen werden. Sobald eine dem Datenschutz und der -sicherheit entsprechende IT-Infrastruktur erst einmal steht, lassen sich grundsätzlich viele Ideen umsetzen – dabei können die Bürgerinnen und Bürger aktiv einbezogen werden. Mit unserer Expertise können wir Kommunen dabei gezielt unterstützen, das gilt vor allem für die Digitalisierung der Verwaltung durch Lösungen wie die Suite4Public“, resümiert Markus Ritzel von Nagarro. Nun liegt es bei den Gemeinden, diese Chance zu ergreifen.

Bastian Schwengers ist Fachjournalist aus Köln.


Stichwörter: Smart City, KI, IoT


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