Donnerstag, 5. Dezember 2024

OsnabrückEin Workflow für alle

[23.06.2021] Auf Standards statt Sonderlösungen setzt Osnabrück bei der digitalen Rechnungsbearbeitung und hat hierzu ein gesamtstädtisches Verfahren etabliert. Dank strategischer Auftragnehmeransprache werden auch immer mehr E-Rechnungen eingereicht.
Matthias Göcken leitete das E-Rechnungs-Projekt.

Matthias Göcken leitete das E-Rechnungs-Projekt.

(Bildquelle: Stadt Osnabrück, Nina Hoss)

Die Stadtverwaltung Osnabrücks wird mit ihren Prozessen immer digitaler. Einerseits bietet sie den Bürgerinnen und Bürgern ein Serviceportal an, über das sie kommunale Dienstleistungen online abwickeln können. Andererseits arbeitet die Verwaltung erfolgreich mit einem Dokumenten-Management-System (DMS). Eine Vorreiterrolle nimmt die niedersächsische Kommune außerdem in der digitalen Rechnungseingangsbearbeitung ein. Ein Projekt-Team hat dazu unter der Leitung von Matthias Göcken, Fachdienstleiter Rechnungswesen und Sondervermögen, einen gesamtstädtischen digitalen Workflow mit Anbindung an das bestehende DMS sowie an das Finanzsys­tem SAP entwickelt. Die Verwaltung sollte so noch effizienter gestaltet werden. Eine rechtssichere Archivierung von Rechnungsbelegen, flexibel gestaltbare Workflows im Rahmen des DMS, eine eigene Benutzer- und Berechtigungsverwaltung innerhalb des DMS, ein jederzeitiger Zugriff auf benötigte Unterlagen sowie eine flexible Anbindung an das bestehende Finanzsystem waren die Vorgaben bei der Entwicklung des Workflows.

Heterogene Anforderungen

Zunächst wurden die unterschiedlichen Anforderungen der Fachbereiche der Stadt Osnabrück bei der Rechnungseingangsverarbeitung analysiert und für den Rechnungseingangsbearbeitungs-Workflow (REB-WFL) umgesetzt. „Diese heterogenen Anforderungen aus den unterschiedlichen Fachbereichen sowie das Zusammenspiel zwischen dem DMS und dem SAP-System stellten die wohl größten organisatorischen Herausforderungen innerhalb des Projekts dar“, berichtet Matthias Göcken. Durch die Maßgabe der größtmöglichen Standardisierung konnten die über die Jahre gewachsenen Strukturen aufgebrochen werden. Dem Wunsch nach Sonderlösungen wurde überwiegend nicht entsprochen. „Dafür nutzen wir jetzt ein einheitliches gesamtstädtisches Verfahren, das viele Vorteile bietet“, erklärt der Fachdienstleiter.

Meilensteine definiert

Für die REB-WFL-Umsetzung wurden in Osnabrück Meilensteine definiert. Dazu zählten die Zentralisierung des Rechnungseingangs und das Umsetzen einer Scan-Strecke für Rechnungen. Weitere Höhepunkte sollten mit der Implementierung des Rechnungsworkflows, dem elektronischen Rechnungseingang per E-Mail und der Auftragnehmeransprache erreicht werden. Als die Meilensteine realisiert und der REB-WFL inklusive der Verarbeitung von elektronischen Rechnungen im PDF-Format stadtweit implementiert waren, zeigten sich schnell positive Ergebnisse. „Durch die elektronische Verarbeitung der Eingangsrechnungen konnte die Verwaltung die Bearbeitungszeit von durchschnittlich 6,2 auf 2,9 Tage reduzieren“, berichtet Matthias Göcken. Auch sorgt die Digitalisierung der Arbeitsprozesse für mehr Transparenz. Berechtigte können nun zu jedem Zeitpunkt und ortsunabhhängig auf eine Rechnung zugreifen und ihren Status einsehen. „Das ist besonders in Pandemie-Zeiten ein Vorteil, wenn Kolleginnen und Kollegen beispielsweise im Homeoffice arbeiten“, sagt Finanzvorstand Thomas Fillep.

Dreistufiges Konzept

Zur Ansprache der Unternehmen hat Osnabrück ein dreistufiges Konzept entwickelt. Es basiert auf der Maßgabe der Europäischen Richtlinie über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen (EU-RL 2014/559) sowie den jeweiligen nationalen Gesetzen und Verordnungen. Im ersten Schritt wurden die Zentralisierung des Rechnungseingangs innerhalb der Stadt und die Verbesserung der Rechnungsadressierungsqualität durch gezielte Anschreiben an die Lieferanten vorangetrieben. „In einem zweiten Schritt wurde ein zentrales digitales Postfach für die Verarbeitung von digital eingehenden Rechnungen im PDF-Format eingerichtet“, erklärt Matthias Göcken. Seit Mitte 2018 können diese an die E-Mail-Adresse rechnung@osnabrueck.de verschickt werden. Dort werden die Rechnungen über eine OCR-Erkennung (Optical Character Recognition) ausgelesen und anschließend digital an den zuständigen Fachbereich zur Bearbeitung weitergeleitet.

Volumen gesteigert

Durch die Kommunikation mit den Firmen konnte im Laufe der Jahre 2018 und 2019 die Anzahl der eingehenden Rechnungen im PDF-Format per E-Mail auf monatlich 370 erhöht werden. „Deutlich gesteigert wurde das Volumen dann im Jahr 2020: 1.844 Rechnungen wurden pro Monat bearbeitet, die digital über dieses Postfach eingegangenen sind“, sagt Fachdienstleiter Göcken. Damit gingen insgesamt 52,22 Prozent aller gebuchten Eingangsrechnungen über den digitalen Weg bei der Stadt ein (Stand Dezember 2020).
Im dritten Schritt erfolgte 2020 unter anderem eine Registrierung der Stadt Osnabrück beim Niedersächsischen Antragssystem für Verwaltungsleistungen Online (NAVO). Auftragnehmer haben hier die Möglichkeit, Rechnungen im XRechnungs-Format direkt an das NAVO zu senden oder Rechnungen im XRechnungs-Format vom NAVO erstellen zu lassen. „Durch die Angabe der Leitweg-ID wird die E-Rechnung direkt an die Stadt Osnabrück zur weiteren Bearbeitung im REB-WFL zugeordnet“, erklärt Ellen Herbst, Projektorganisatorin im Fachdienst Rechnungswesen und Sondervermögen der Stadt.

In Pilotprojekt umgesetzt

Seit dem vierten Quartal 2020 ist es außerdem möglich, standardkonforme E-Rechnungen (Rechnungen im Format ZUGFeRD 2.0 und XRechnung) an die zentrale E-Mail-Adresse rechnung@osnabrueck.de zu schicken. Dies konnte in einem Pilotprojekt innerhalb kürzester Zeit umgesetzt werden. „Hier konnte die Stadt an die Kontakte mit den Unternehmen codia Software und ITEBO anknüpfen, um die bestehenden Strukturen zur Verarbeitung von E-Rechnungen zu erweitern“, erläutert Ellen Herbst. „Eine rasche und zuverlässige Kommunikation ermöglichte allen beteiligten Parteien einen erfolgreichen und zielgerichteten Projektverlauf. Nach einer kurzen Erprobungsphase in einem städtischen Testsystem konnte die Lösung gesamtstädtisch erfolgreich produktiv gesetzt werden.“

Vollständig elektronisch abbilden

Als Pilotkunde ließ sich ITEBO gewinnen. Das Unternehmen weist ein hohes Fakturierungsvolumen zur Stadt auf. Aus dem Finanzsys­tem von ITEBO können nun ZUGFeRD-Rechnungen erstellt und direkt an die zentrale Rechnungsadresse der Kommune geschickt werden. Aus dem städtischen Postfach heraus wird der REB-WFL mit den rechnungsrelevanten XML-Daten gestartet. Fakturierungsprozesse zwischen ITEBO und der Stadt lassen sich somit vollständig elektronisch abbilden. „Damit setzt Osnabrück auch die Regelungen der NERechVO in die Praxis um“, erklärt Matthias Göcken.
In den nächsten Monaten sollen die Businesspartner der Kommune mit einem hohen Fakturierungsvolumen, entsprechend der vorangegangenen Kommunikationsstrategie, auf die digitale Rechnungsstellung umgestellt werden. „Die gute Konzernstruktur der Stadt hilft hier, schnell und unkompliziert beteilig­te Gesellschaften ins Boot zu holen“, so Thomas Fillep.

Nina Hoss ist Redakteurin im Referat Kommunikation der Stadt Osnabrück.




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