E-EinkaufElektronische Marktplätze
In einer von Statista.de veröffentlichten Studie gilt Amazon als wertvollste Marke der Welt und rangiert sogar leicht vor Apple. Dies liegt sicherlich daran, dass fast jeder – zumindest im privaten Bereich – bereits auf elektronischen Marktplätzen und vermutlich sogar beim Branchenprimus Amazon eingekauft hat. In der öffentlichen Beschaffung sind elektronische Marktplatzkonzepte auch bekannt und in Teilen bereits etabliert, wie beispielsweise das Kaufhaus des Bundes. Gleichwohl ist die Frage, ob und wie sie unter den Rahmenbedingungen des Vergaberechts genutzt werden können und dürfen für viele Vergabestellen noch unklar.
Nichtnutzung hat vielschichtige Ursachen
Eine explorative Erhebung ausgewählter Fallstudien bei öffentlichen Auftraggebern, welche von der Universität der Bundeswehr München durchgeführt wurde, hat ergeben, dass die Ursachen für die (Nicht-)Nutzung elektronischer Marktplätze durchaus vielschichtig sind. Tatsächlich hat die Mehrheit der analysierten Auftraggeber bereits Erfahrungen mit elektronischen Marktplätzen gesammelt – allerdings in nicht unerheblicher Anzahl in erster Line mit elektronischen Verkaufsplattformen (Webshops), welche letztlich nur einen modifizierten Vertriebsweg etablierter Anbieter darstellen. Die Kernidee des Marktplatzes geht jedoch darüber hinaus.
Als wesentliche Vorteile und Chancen der Nutzung elektronischer Marktplätze gelten gemäß der Erhebung in erster Linie die Steigerung der Wirtschaftlichkeit durch erleichterte Produktsuchen (Erhöhung der Transparenz und Senkung der Transaktionskosten), was mithin gerade bei geringwertigeren Produkten im Falle des Direktauftrags insbesondere die deutlich verbesserte Prozesswirtschaftlichkeit betrifft. Technische Aspekte oder Schwierigkeiten spielen erstaunlicherweise keine Rolle, offensichtlich besitzen die elektronischen Systeme heute bereits einen hohen Reifegrad. Gleichzeitig kennen viele Nutzer diese Form der Beschaffung aus dem privaten Umfeld, weshalb technische (Schulungs-)Aspekte nicht unter-, aber eben auch nicht überschätzt werden dürfen.
Unklare Rolle der Marktplätze
Größere Schwierigkeiten sehen die öffentlichen Auftraggeber eher in der unklaren Rolle des elektronischen Marktplatzes: Ist es eine Verkaufsplattform oder eine Art Ausschreibungssystem und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Frage, was bei der Nutzung elektronischer Marktplätze nun eigentlich Leistungsinhalt und damit Ausschreibungsgegenstand ist? Liefert der Hinweis auf den weitgehend regulierungsfreien Direktauftrag auch eine erste Indikation, bleibt die unklare Rolle aus Sicht öffentlicher Auftraggeber offen.
Um sie beantworten zu können, lohnt ein vertiefter Blick auf elektronische Marktplätze und ihre Systematisierung. Der Begriff wurde Anfang der 1990er-Jahre zur Zeit des ersten E-Commerce-Hype geprägt und stand für ein (webbasiertes) elektronisches System, das Anbieter und Nachfrager mit ihren Preis- und Leistungsinformationen verbindet. Im Mittelpunkt steht dabei eine Vermittlungstätigkeit zwischen beiden Marktseiten, die ganz unterschiedlich ausgestaltet werden kann.
Nebenbeschaffungstätigkeit unverbindlich geregelt
Das Vergaberecht konzentriert sich traditionell auf Wirtschaftsteilnehmer (Unternehmen, welche am Markt Leistungen anbieten), Bewerber (Unternehmen, welche sich selbst aktiv um Teilnahme an einem Auftrag bewerben oder hierzu aufgefordert werden) und Bieter (Unternehmen, welche ein Angebot abgegeben haben) auf der Angebotsseite sowie auf die Rolle des öffentlichen Auftraggebers. Elektronischer Marktplatz oder (Angebots-)Vermittler sind keine Begrifflichkeiten der öffentlichen Auftragsvergabe. Es gibt lediglich den Begriff der Nebenbeschaffungstätigkeit, welche unter anderem die Bereitstellung technischer Infrastruktur umfasst, die es öffentlichen Auftraggebern ermöglicht, öffentliche Aufträge zu vergeben oder das Verfahren zu verwalten. Versteht man die Vermittlungstätigkeit des E-Marktplatzes in diesem Sinne, würde es sich somit um eine Nebenbeschaffungstätigkeit handeln.
In der Folge wird diese Nebenbeschaffungstätigkeit selbst relativ unverbindlich beziehungsweise nicht explizit reguliert: So heißt es im Erwägungsgrund 70 zur Richtlinie 2014/24/EU, dass Nebenbeschaffungstätigkeiten im Einklang mit der Richtlinie vergeben werden sollten. Erfolgt die Erbringung der Nebenbeschaffungstätigkeit für den Auftraggeber unentgeltlich – was bei E-Marktplätzen häufig der Fall ist, da lediglich der Verkäufer eine Verkaufsprovision bezahlen muss –, so wäre die Regulierung prinzipiell nicht anzuwenden (vgl. Europäisches Parlament/Europäischer Rat 2014 S. L 94/77).
Vermittlungsmodell kann unterschiedliche Ausprägungen haben
Betrachtet man im nächsten Schritt die Ausgestaltung der elektronischen Marktplätze näher, dann kommt erschwerend hinzu, dass das Vermittlungsmodell unterschiedliche Ausprägungen in der Praxis haben kann: Einerseits sind die Vermittler strukturell eher nahe der Bieter-Bewerberseite, andererseits nahe der Auftraggeberseite. So bietet beispielsweise Amazon Business nicht nur die Vermittlung dritter Anbieter auf seiner Plattform an, sondern verkauft auch im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Das Kaufhaus des Bundes wiederum wird vom Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums betrieben und ist daher eher auftraggebernah.
Gleichzeitig ist der inhaltliche Vermittlungsfokus unterschiedlich: Bietet der elektronische Marktplatz die Durchführung eines Vergabeverfahrens – in vollem Umfang oder teilweise – an oder dient er lediglich der Abwicklung oder des Abrufs einer Bestellung? Im Kaufhaus des Bundes etwa kann aus Rahmenverträgen abgerufen werden (auftraggebernahe Bestellplattform). Die Durchführung des Vergabeverfahrens zum Abschluss des Rahmenvertrags läuft aber vorab nach einer Veröffentlichung auf bund.de (Vergabeplattform, die aber nur den Veröffentlichungsschritt abdeckt). Die Durchführung des Verfahrens selbst wird über eVergabe-online vollzogen, gegebenenfalls basierend auf einer Vergabe-Software, etwa vom Unternehmen Cosinex. Plattformen wie TED (Tenders Electronic Daily) oder bund.de stellen mit ihren Vergabeveröffentlichungen ebenfalls eine Vermittlungsleistung zur Verfügung – aber eben nur den Teil des Vergabeverfahrens, der die Veröffentlichungspflichten betrifft.
Konkretisierung notwendig
Zusammenfassend kann man also festhalten, dass die Thematik „Elektronischer Marktplatz und öffentliche Beschaffung“ durchaus vielschichtig ist. Schon heute ist es möglich, im Rahmen des Direktauftrags auf Webshops und Onlinehändler, also auch elektronische Marktplätze, zuzugreifen. Oberhalb des Direktauftrags dagegen ist die Situation äußerst heterogen, da sich die verfügbaren Vermittlermodelle wie auch deren inhaltliche Ausgestaltung stark unterscheiden.
Der Endverbraucher schätzt es sehr, rasch und einfach auf elektronische Marktplätze mit ihren Funktionalitäten zugreifen zu können. Er nimmt oftmals auch keinen Anstoß daran, dass Treffer auf die Produktsuche in einer bestimmten Form gelistet und präsentiert werden. Öffentliche Auftraggeber sind hier sicherlich sensitiver, insbesondere wenn die Rolle des Anbieters (Vermittler oder Verkäufer) nicht klar ist.
Aus diesem Grund sind die bestehenden Funktionalitäten elektronischer Marktplätze mit kommerziellen Lösungen nicht komplett vergleichbar. Damit ist dies aber auch ein Themengebiet, welches in der Ausgestaltung und Regulierung im Sinne der Governance eine Konkretisierung benötigt, damit öffentliche Auftraggeber das Instrument eines elektronischen Marktplatzes künftig passgenauer nutzen können.
http://go.unibw.de/emarktplaetze
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli 2020 von Kommune21 im Schwerpunkt E-Einkauf erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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