Donnerstag, 5. Dezember 2024

InterviewEnde des Einkaufstourismus

[20.06.2014] Die Stadt Erfurt hat eine webbasierte Bestellplattform im Einsatz. Kommune21 sprach mit Denise Böttcher, Leiterin der Beschaffungsabteilung, über Erfahrungen mit dem elektronischen Einkauf und die Vorteile für Verwaltung und Mitarbeiter.
Denise Böttcher

Denise Böttcher

(Bildquelle: Stadt Erfurt)

Frau Böttcher, die Stadt Erfurt hat seit Ende 2011 eine E-Procurement-Lösung im Einsatz: Welche Bilanz ziehen Sie gut zwei Jahre nach der Einführung?

Die Entwicklung ist positiv. Im ersten Jahr hatten wir Bestellungen im Wert von rund 75.000 Euro. Der Bestellwert hat sich inzwischen versechsfacht, wir sind jetzt bei 450.000 Euro angelangt, Tendenz steigend. Inzwischen bestellen rund 200 Mitarbeiter über das System. Sieben Kataloge sind online.

Wie kommt das System intern an?

Die genannten Zahlen zeigen, dass das Einkaufssystem akzeptiert wird. Externe Einkäufe werden kaum noch getätigt, das ist natürlich offiziell auch nicht mehr erlaubt. Die gesamte Stadtverwaltung, die Eigenbetriebe und alle Schulen nutzen das System, nur das Theater macht noch nicht mit.

Wo liegen die wesentlichen Vorteile des elektronischen Einkaufssystems?

Die Stadtverwaltung Erfurt ist sehr stark dezentralisiert und hat viele Außenstellen. Wir verzeichneten früher einen regen Einkaufstourismus, doch seit Einführung des Systems sind die Beschaffungswege viel kürzer geworden und der gesamte Einkaufsprozess hat sich deutlich verschlankt. Ein Vorteil, den die Mitarbeiter sehr schätzen: Die Bestellungen werden direkt an den Schreibtisch geliefert. Hinzu kommt, dass alle Artikelinformationen, die vorher nur in Papierkatalogen zu finden waren, nun im System für die Besteller sichtbar sind. Sogar Produktblätter können per Mausklick abgerufen werden. Seit Ende vergangenen Jahres sind die Kataloge im PDF-Format im In­tranet hinterlegt, sodass alle rund 3.000 Mitarbeiter sich ihre Bedarfe zusammenstellen und bei ihrem Besteller in Auftrag geben können. Der Nachteil: Dadurch entstehen neue Bedarfe.

„Die Beschaffungswege sind viel kürzer geworden und der Einkaufsprozess hat sich deutlich verschlankt.“
Welche Einsparungen konnten erzielt werden?

Das ist schwer zu beziffern, weil wir im Vorfeld der Einführung des elektronischen Einkaufs keine Prozesskostenanalyse gemacht haben. Der große Gewinn ist, dass die gesamte Stadtverwaltung von den günstigeren Preisen durch die Aus-schreibungen profitiert. Vergleiche mit dem Preisindex des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik zeigen, dass wir mit unseren Ausschreibungen immer in der unteren Hälfte liegen. Einsparungen konnten auch erzielt werden, weil weniger Artikel bestellt werden, die nicht im Ausschreibungssortiment enthalten sind. Wir haben ermittelt, dass solche Einzelbestellungen über 25 Prozent teurer sind als die Artikel im Katalog. Nicht bezifferbar ist auch die immense Einsparung von Arbeitszeit. Laut einer Studie sind im herkömmlichen Einkaufssystem 15 Schritte erforderlich, um eine Bestellung abzuwickeln, der Zeitbedarf wird auf 160 Minuten geschätzt. Bei uns werden für eine vergleichbare Bestellung 10 bis 15 Minuten benötigt.

Welche weiteren Schritte sind geplant?

Wir wollen die Anzahl der Kataloge erweitern, etwa um die Themen Arbeitsschutz und -sicherheit. Elektroartikel und Leuchtmittel werden derzeit durch eine OCI-Schnittstelle im Einkaufssystem verlinkt. Hier wollen wir über die Bestellungen den Jahresbedarf und die häufig wiederkehrenden Artikel für zukünftige Ausschreibungen ermitteln und sie später als Katalog in das Einkaufssystem aufnehmen. Rund 500.000 Euro pro Jahr werden in diesen Bereichen ausgegeben. Hier sehen wir noch Einsparpotenziale, wenn es uns gelingt, diese Bedarfe zu bündeln, auszuschreiben und Rahmenverträge abzuschließen.

Welchen Rat geben Sie Kommunen, die den E-Einkauf einführen wollen?

In jedem Fall sollten im Vorfeld die Ziele festgelegt werden. Denn eine für alle Kommunen passende Lösung gibt es nicht. Sinnvoll ist es, eine Markterkundung mittels Teilnahmewettbewerb durchzuführen. Bei uns haben verschiedene Anbieter ihre Lösung präsentiert, so konnten wir die passende Auswahl treffen. Ein Kriterium war, dass wir nicht lange erklären müssen, wie das System funktioniert. Übrigens werden alle Anfragen zur Nutzung des Einkaufssystems nicht von der Hotline der IT-Abteilung, sondern von den Mitarbeitern der Zentralen Beschaffung oder unserem Dienstleister TEK-Service beantwortet. Auch das hat für Akzeptanz gesorgt, denn – ohne despektierlich sein zu wollen – die IT-Leute reden manchmal wie von einem anderen Stern.

Interview: Alexander Schaeff




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