Samstag, 19. April 2025

Neue SteuerungErfolgreich gescheitert?

[06.02.2013] Knapp zwanzig Jahre nach Einführung des Neuen Steuerungsmodells stellt sich die Frage, was die Verwaltungsmodernisierung in den Kommunen tatsächlich verändert hat und welche Rahmenbedingungen über Erfolg oder Scheitern von Reformmaßnahmen bestimmen.

Nachdem sich zahlreiche Kommunen in den 1990er-Jahren im Rahmen des Neuen Steuerungsmodells (NSM) mit großer Euphorie auf den Weg zu einer effizienteren, dienstleistungsorientierten und bürgernahen Verwaltung gemacht haben, stellt sich knapp 20 Jahre später die Frage nach Folgen und Wirkungen dieser Reformen. Denn auf lokaler Ebene ist die Euphorie mittlerweile abgeklungen; teilweise wird sogar von einem generellen Scheitern des Neuen Steuerungsmodells gesprochen.
Elemente der Reformen waren eine umfassende Dezentralisierung von Fach- und Ressourcenverantwortung sowie eine outputgesteuerte Verwaltungsführung mittels Kontrakten und Zielvereinbarungen. Dabei sollte das Verhältnis zwischen Kommunalpolitik und Verwaltung auf eine mittelfristige strategische Steuerung umgestellt werden. Wettbewerbsmechanismen sowie eine Orientierung am Kunden, ergo dem Bürger in der Rolle als Nachfrager öffentlicher Dienstleistungen, sollten dieses neue System der Verwaltungssteuerung „unter Strom setzen“, so die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt).

Positive Effekte…

Die bislang umfassendste Bilanz dieser Reformen („Zehn Jahre Neues Steuerungsmodell“, erschienen in der edition sigma) kam jedoch zu dem ernüchternden Schluss, dass in den meisten Kommunen die postulierten Ziele kaum erreicht wurden. Hinsichtlich der Umsetzung der Reformmaßnahmen beschränkte sich die Mehrzahl der Kommunen auf einen selektiven Zugriff auf den Werkzeugkasten des NSM: Von 870 befragten Kommunen hatten gerade einmal 22 alle Kernelemente des NSM realisiert – wohl aber haben sich über 80 Prozent an Teilaspekten orientiert. Die Bilanz des Neuen Steuerungsmodells in der Praxis fällt insgesamt ambivalent aus. Einerseits ist eine Reihe positiver Reformeffekte zu nennen: Augenfällig ist etwa eine stärkere Bürger- und Kundenorientierung, die vor allem auf den Siegeszug des Bürgeramtskonzeptes zurückzuführen ist. Des Weiteren sind zahlreiche Fachaufgaben anzuführen, bei denen es durch klassische Maßnahmen der Organisationsentwicklung zu deutlichen Leistungsverbesserungen und Verfahrensverkürzungen kam. Darüber hinaus werden von den kommunalen Akteuren Effizienzgewinne, Einsparungen und insbesondere eine erhöhte Kostensensibilität ausgemacht. Eine intensivere Betrachtung der Haushalte fördert allerdings keine eindeutigen Einsparerfolge zutage. Stellt man zudem die mit der Reform verbundenen Kosten durch Sach- und Personalaufwand in der Planung, Einführung und im laufenden Betrieb in Rechnung, ist kaum eine eindeutige Aussage hinsichtlich der Effizienzgewinne möglich.

…und Defizite

Auf der anderen Seite sind eindeutige Defizite der Verwaltungsmodernisierung zu nennen: So ist die Verbesserung der politischen Steuerung das von den Kommunen am wenigsten bearbeitete Problemfeld und ihre Ergebnisse fallen selten erfolgreich aus. Es zeigt sich, dass eine bessere Transparenz und Informationslage nicht von allein zu besserer Steuerung und der Korrektur eingeschlagener Pfade führen. Gleichzeitig zeigen sich in den Kommunen zahlreiche zentrifugale Tendenzen, die unter anderem durch die Dezentralisierung im Rahmen des NSM ausgelöst wurden, denen keine adäquaten Steuerungsverfahren entgegengesetzt werden. So kommt es zu einer verwaltungsinternen Abkopplung der Fachbereiche von gesamtstädtischen Zielen. Ein bestehendes und sich eher verschärfendes Problem scheint außerdem die Unzufriedenheit der Mitarbeiter zu sein. Vor dem Hintergrund der Gleichzeitigkeit von Haushaltskonsolidierung und Verwaltungsmodernisierung ist deren Motivation stetig gesunken und schlägt sich in Reformmüdigkeit nieder.

Kundenorientierung verbessert

Gemessen an den ursprünglichen Absichten des NSM könnte man in einem harten Soll-Ist-Vergleich also von einem weitgehenden Scheitern sprechen. Als Ursachen können einerseits Fehler in der Implementierung ausgemacht werden: Häufig wurden Reformen wenig kontext- und fachsensibel eingeführt. Auch wurde versäumt, einzelne Instrumente miteinander zu verzahnen, zu denken ist hier etwa an die Dezentralisierung von Verantwortung ohne den Aufbau entsprechender Rückkopplungsmechanismen, wie etwa ein Berichtswesen. Teilweise erklären die Rahmenbedingungen das Scheitern: Die Gleichzeitigkeit von Haushaltsproblemen und Verwaltungsmodernisierung war hier ebenso hinderlich wie ein starres Haushalts- und Personalrecht. Gemessen an den Erkenntnissen über die Veränderungsresistenz öffentlicher Verwaltungen sieht die Bilanz allerdings besser aus. Die Kommunalverwaltungen sind heute ohne jeden Zweifel vor allem bürger- und kundenorientierter – zu denken ist insbesondere an die Schaffung von Bürgerbüros, Verfahrensbeschleunigung oder die Stärkung professioneller Konzepte im Sozial- und Jugendhilfebereich.

Paradoxe Reformen

Verwaltungsmodernisierung steht also vor einem offensichtlichen Reformparadox: Ohne das Wecken (zu) großer Erwartungen ist die erforderliche Reformdynamik kaum zu entfalten. Mit überzogenen Versprechen ist deren Scheitern aber bereits vorprogrammiert. Damit verbunden ist das zweite Paradox, dass die eigentlichen Erfolge der Reform häufig in deren nichtintendierten Folgen lagen, zum Beispiel der Reaktivierung älterer Reformkonzepte. Für eine rationale Gestaltung von Reformprozessen sind diese Einsichten ernüchternd, denn sie erlauben kaum lehrbuchartige Blaupausen, wie sie der Praktiker gerne sieht. Vielmehr bleibt Verwaltungsreform mehr Kunst als Wissenschaft, für die allenfalls einige Daumenregeln zum Umgang mit Reformparadoxien formuliert werden können. Hierzu gehört der reflexive Umgang mit Erwartungen, eine pragmatische Anpassung von Konzepten an die lokalen Bedarfe, eine Form von Kontingenzoffenheit, die Zufälle und nicht-intendierte Effekte zulässt und schließlich die Kunst, vor lauter kleinen Schritten das Reformziel nicht aus den Augen zu verlieren.

Dr. Stephan Grohs ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Vergleichende Policy-Forschung und Verwaltungswissenschaft der Universität Konstanz.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Panorama
Wehende Flagge des Landes Schleswig-Holstein vor schwach bewölktem Himmel.

Schleswig-Holstein: Kooperation verlängert

[16.04.2025] Nach fünf erfolgreichen Jahren haben Schleswig-Holstein und der ITV.SH ihre Kooperation zur Verwaltungsdigitalisierung bis Ende 2029 verlängert. Geplant sind unter anderem der Roll-out weiterer digitaler Anträge und Unterstützung für Kommunen bei Informationssicherheits- und IT-Notfällen. mehr...

Darmstadt: Resiliente Krisenkommunikation

[11.04.2025] Großflächige, lang andauernde Stromausfälle sind selten – stellen die Krisenkommunikation jedoch vor Schwierigkeiten, weil Mobilfunk, Internet und Rundfunk ausfallen. In Darmstadt wird nun eine energieautarke digitale Litfaßsäule erprobt, die auch bei Blackouts als Warnmultiplikator funktioniert. mehr...

Gruppenfoto mit Vertreterinnen und Vertretern der Verbandsgemeinden Diez, Kaisersesch, Montabaur und Weißenthurm, die im Prozessmanagement kooperieren.

Diez/Kaisersesch/Montabaur/Weißenthurm: Kooperation im Prozessmanagement

[08.04.2025] Gemeinsam wollen die Verbandsgemeinden Diez, Kaisersesch, Montabaur und Weißenthurm ihre Verwaltungsprozesse effizienter gestalten. Im Fokus steht die Wissensdokumentation ihrer Prozesse. Auch sollen eine Datenbank für Notfallszenarien und ein interkommunales Prozessregister aufgebaut werden. mehr...

Drei ältere Personen sitzen auf einem Sofa und beschäftigen sich mit verschiedenen digitalen Endgeräten.

Hessen: Projekt Di@-Lotsen wächst weiter

[07.04.2025] Das hessische Digitallotsen-Projekt, das älteren Menschen den Zugang zur digitalen Welt erleichtern soll, wird fortgeführt und ausgeweitet. Kommunen, Vereine und andere Einrichtungen können sich bis zum 11. Mai 2025 als digitale Stützpunkte bewerben. mehr...

Logo der Berliner Beihilfe-App auf blauem Hintergrund.

Berlin: Beihilfe ohne Medienbrüche

[04.04.2025] In Berlin haben Beamtinnen und Beamte nicht nur die Möglichkeit, Anträge auf Beihilfe digital zu stellen – mit einer neuen App ist es ab jetzt auch möglich, den Bearbeitungsstand einzusehen und die Bescheide digital zu empfangen. mehr...

Interkommunale Zusammenarbeit: Dritte Förderphase für Digitale Dörfer RLP

[01.04.2025] Das Netzwerk Digitale Dörfer RLP erhält bis 2026 weitere 730.000 Euro Landesförderung. Erfolgreiche Digitalprojekte sollen landesweit ausgerollt und die interkommunale Zusammenarbeit gestärkt werden. Ein Schwerpunkt liegt auf wissenschaftlich unterfütterten Pilotprojekten zum Bürokratieabbau. mehr...

In Bayern soll nach dem Willen von Digitalminister Fabian Mehring der „Digitalisierungsturbo“ gezündet werden.

Bayern: Ein Jahr Zukunftskommission

[31.03.2025] Die Zukunftskommission #Digitales Bayern 5.0 hat ihren aktuellen Bericht vorgelegt. Unter Leitung des Finanz- und Heimatministeriums erarbeiten Ministerien, Kommunalverbände und Experten Lösungen für eine einheitlichere, effizientere und sicherere IT in Bayerns Kommunen. mehr...

Stadtansicht von Bernkastel-Kues, ein altes Fachwerkhaus im Bildzentrum.

Rheinland-Pfalz: Projekt KuLaDig geht in die nächste Runde

[28.03.2025] Die kulturelle Vielfalt in Rheinland-Pfalz systematisch digital erfassen und für die Öffentlichkeit aufbereiten – das will das Projekt KuLaDig. Nun steht fest, welche Kommunen darin unterstützt werden, ihr kulturelles Erbe digital zu erfassen und zugänglich zu machen. mehr...

Open Data ansprechend strukturieren.

Polyteia: Wege für den Datenschutz in der Verwaltung

[27.03.2025] Einer sinnvollen Nutzung kommunaler Daten für die Entscheidungsfindung steht nicht selten der Datenschutz entgegen. Das Projekt ATLAS will zeigen, wie moderne Datenschutztechnologien in der Praxis helfen und echten Mehrwert für den öffentlichen Sektor schaffen. mehr...

Olaf Kuch und Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König stehen vor einer Abholstation für Ausweisdokumente.

Nürnberg: Vier Abholstationen für Ausweisdokumente

[26.03.2025] Die Stadt Nürnberg hat ihr Angebot an Abholstationen für Ausweisdokumente verdoppelt. An insgesamt vier Standorten können die Bürgerinnen und Bürger nun Personalausweise, Reisepässe und eID-Karten unabhängig von den Öffnungszeiten der Bürgerämter abholen. mehr...

Difu-Befragung: Kommunalfinanzen beherrschendes Thema

[25.03.2025] Eine Vorabveröffentlichung aus dem „OB-Barometer 2025“ zeigt, dass kommunale Finanzen das drängendste Thema der Stadtspitzen sind – auch mit Blick auf zukünftige Investitionen. Es sei nötig, dass Kommunen einen beträchtlichen Anteil aus dem Sondervermögen erhielten, so das Difu. mehr...

Berlin: ÖGD wird fit für die Zukunft

[25.03.2025] Mit dem Programm „Digitaler ÖGD“ werden in Berlin Grundlagen für moderne Technologien, Softwarelösungen und schlankere Prozesse in den Einrichtungen des ÖGD geschaffen. Davon können Mitarbeitende wie auch Bürgerinnen und Bürger profitieren. mehr...

Außenansicht des Mainzer Rathauses.

Mainz: Ko-Pionier-Sonderpreis 2025

[24.03.2025] Mit dem Ko-Pionier-Sonderpreis 2025 wurde die Stadt Mainz ausgezeichnet. Dieser Preis würdigt Verwaltungen, die innovative Ansätze aus anderen Städten erfolgreich adaptieren und an ihre spezifischen Rahmenbedingungen anpassen. mehr...

LSI Bayern: Ausschuss für Kommunale Fragen zu Gast

[18.03.2025] Bei einer Sitzung des Innenausschusses im LSI standen die Bedrohungslage im Cyberraum und Schutzmaßnahmen für Bayerns IT im Fokus. LSI-Präsident Geisler stellte die Unterstützungsangebote für Kommunen vor, bevor die Abgeordneten das Lagezentrum und das Labor besichtigten. mehr...

Landrätin Dagmar Schulz und Stabsstellenleiterin Digitalisierung Sabrina Donner mit der Auszeichnung des Silicon Valley Europe

Kreis Lüchow-Dannenberg: Ausgezeichnete Digitalisierungsstrategie

[17.03.2025] Für seine herausragende Digitalisierungsstrategie hat der Landkreis Lüchow-Dannenberg das Qualitätssiegel „Top-Organisation 2025“ des Netzwerks Silicon Valley Europe erhalten. mehr...