BauwesenErfolgreicher Vorreiter
Wer einen Bauantrag stellen möchte, muss neben dem eigentlichen Antragsformular jede Menge anderer Unterlagen einreichen. Als Beispiele genannt seien Sicherheitsnachweise, der Lageplan, Bauzeichnungen oder Kostenberechnungen. Zwar können diese Dokumente bei vielen Behörden bereits in elektronischer Form übermittelt werden. Aufgrund der Schriftformerfordernis ist der Bauherr aber oft noch verpflichtet, sie auch in Papierform abzugeben. Umgekehrt wird die Baugenehmigung der Behörde in Papierform erteilt. Die Folge sind lange Bearbeitungszeiten, ein hoher bürokratischer Aufwand sowie eine große Fehleranfälligkeit. Deutlich schneller, effizienter und nutzerfreundlicher ist ein komplett digitales Baugenehmigungsverfahren, bei dem sämtliche Abläufe per Mausklick erledigt werden können – und zwar vom Einreichen des Bauantrags bis zur Erteilung der Baugenehmigung. In ein paar Kommunen ist dies bereits Realität, die übrigen könnten sehr bald nachziehen.
Im August 2017 erließ die Bundesregierung das Onlinezugangsgesetz (OZG), welches kurz darauf in Kraft trat. Laut diesem Gesetz sind Bund, Länder und Kommunen verpflichtet, bis spätestens Ende 2022 insgesamt 575 Verwaltungsdienstleistungen elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten. Auch das Baugenehmigungsverfahren gehört dazu und soll bis dahin in jeder Gemeinde Deutschlands digital durchführbar sein. Noch geht die Umsetzung eher schleppend voran, einige Länder und Kommunen sind aber auf dem besten Weg. Etwa im Kreis Nordwestmecklenburg können Bauherren seit dem 1. Januar 2021 den Bauantrag digital stellen.
2019: Start des Pilotprojekts digitale Baugenehmigung
Schon im Mai 2019 ist in der Kommune das Pilotprojekt „digitale Baugenehmigung“ gestartet. Gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommerns Landesregierung entwickelte die Kreisverwaltung ein Verfahren, mit dem Bauanträge online eingereicht und komplett digital bearbeitet werden können. Um eine möglichst unkomplizierte und intuitive Lösung zu konzipieren, wurden die Wünsche und Erfahrungen der Nutzer in die Entwicklung gleich mit einbezogen.
Seit Jahresbeginn 2021 haben die Bauherren nun die Wahl zwischen dem vereinfachten und dem alten Baugenehmigungsverfahren. Voraussetzung für den digitalen Antrag ist die Anmeldung mit einem MV-Nutzerkonto. Entscheidet sich ein Bauherr für diesen Weg, genießt er einige Vorteile. Zunächst einmal spart er sich den Gang zum Amt und das Porto für den Papierantrag. Auch sind die Gebühren für das vereinfachte Genehmigungsverfahren geringer als beim herkömmlichen Vorgehen. Die Antragsformulare kann er direkt am Computer ausfüllen, die erforderlichen Unterlagen als PDF hochladen. Beim Absenden des Online-Formulars wird er darüber informiert, falls wichtige Unterlagen oder Angaben fehlen. Im weiteren Verlauf kann er jederzeit den Bearbeitungsstatus des Bauantrags online einsehen – sowohl vom PC als auch vom Smartphone aus. Zudem können vom Bauträger bis hin zum Architekten alle anderen am Bauvorhaben beteiligten Personen zeitgleich auf den Bauantrag zugreifen und diesen bearbeiten oder zur Prüfung freigeben. Ebenso können alle Behörden gleichzeitig auf die Unterlagen zugreifen. Das Genehmigungsverfahren verläuft deshalb deutlich schneller als bei der herkömmlichen Vorgehensweise. Obendrein muss die Entscheidung über den Antrag innerhalb von drei Monaten nach Eingang sämtlicher Unterlagen erfolgen. Nur aus wichtigen Gründen darf diese Frist um höchstens einen Monat verlängert werden. Der Bescheid über die Baugenehmigung wird schließlich elektronisch verschickt.
Andere Kommunen wollen System übernehmen
Noch steht die digitale Genehmigung nicht für alle Bauvorhaben in Nordwestmecklenburg zur Verfügung. Sie kann bislang für Wohngebäude samt zugehöriger Nebengebäude und Nebenanlagen, sonstige bauliche Anlagen samt zugehöriger Nebengebäude und Nebenanlagen, die keine Gebäude sind, sowie für Mobilställe in Anspruch genommen werden. So legt es § 63 Absatz 1 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern (LBauO M-V) fest. Das vereinfachte Genehmigungsverfahren können sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen nutzen.
Der Kreis Nordwestmecklenburg mag Vorreiter bei der digitalen Baugenehmigung sein, es dürfte aber nicht mehr lange dauern, bis das Verfahren auch andernorts zur Verfügung steht. Jedenfalls haben bereits weitere Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern, darunter die Hansestadt Rostock und Neubrandenburg, sowie die Bundesländer Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz zugesagt, das System übernehmen zu wollen. Andere Bundesländer signalisieren Interesse. Denn laut Aussage des Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik, Markus Richter, ist das System so flexibel konzipiert, dass es problemlos an die rechtlichen Vorgaben weiterer Länder angepasst werden kann.
Darüber hinaus arbeiten Brandenburg und das Saarland seit Längerem an eigenen Lösungen, um die digitale Baugenehmigung zu realisieren. Ob das Online-Genehmigungsverfahren bis Ende 2022 allerdings tatsächlich jedem Bauherren in Deutschland zur Verfügung stehen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt (Stand: 1. Juni 2021) nicht abzusehen. Bundes-CIO Richter zeigte sich angesichts der Erfolge in Nordwestmecklenburg jedoch zuversichtlich und bezeichnete sie als „Sternstunde der Digitalisierung in Deutschland“.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe September 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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