Freitag, 7. Februar 2025

E-PartizipationErweiterter Raum

[25.03.2013] Durch das Internet haben sich auch für die politische Kommunikation neue Möglichkeiten herausgebildet. Welche Auswirkungen dies hat, wurde im Rahmen eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft untersucht.

Mit dem Internet erweitert sich der Raum der kommunikativen Möglichkeiten – auch für die Politik. Damit stellt sich die Frage, wie sich die politische Kommunikation in einer von Online-Medien geprägten Welt verändert. Der Schlüssel zu einer Antwort liegt in der individuellen politischen Kommunikation. Entscheidend ist, wie Bürger und Vertreter der Politik in ihren unterschiedlichen Rollen den erweiterten Raum nutzen. Ihr Verhalten ist allerdings nicht steuer- und nur sehr begrenzt voraussagbar. Vor diesem Hintergrund ist zu hinterfragen, wie sich die Teilnehmer über politische Themen informieren, wie sie sich darüber mit anderen austauschen und in welcher Form sie ihre Meinung öffentlich machen, um auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen.

Studie erlaubt Typenbildung

Besonders aufschlussreich für die Beantwortung der Frage ist ein Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur politischen Online-Kommunikation: In einer Langzeitstudie wurde eine repräsentative Stichprobe der deutschen Bevölkerung von 2002 bis 2009 jährlich nach ihren politischen Kommunikationsaktivitäten befragt – von der Zeitungslektüre bis hin zur Unterschrift elektronischer Petitionen. In diesen Zeitraum fallen die hohen Zuwachsraten bei der Internet-Nutzerschaft. Die Daten zeigen also, wie sich die Mehrheit der Bevölkerung das Web zu eigen macht und welche Folgen dies für sie hatte. Die Daten erlauben es auch, Typen zu bilden – also Gruppen von Bürgern, die sich in ihren politischen Kommunikationsaktivitäten ähneln.

Schweigende Mehrheit

Hauptergebnis ist, dass etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung um jegliche politische Kommunikation einen weiten Bogen macht. Diese so genannte schweigende Mehrheit umfasst Personen, die wenig Interesse am politischen Teil der Tageszeitung haben, welche die Tagesschau nebenbei verfolgen und die Nachrichten im Auto mit halbem Ohr hören. Sie unterhalten sich auch nicht mit Kollegen, Verwandten oder Freunden über Politik. Die Gründe für diese Distanz sind vielfältig und reichen von nicht gelernt über verlernt und nicht davon überzeugt, dass die Bürger politisch etwas bewegen können bis hin zu Schwierigkeiten, die Komplexität der Probleme zu reduzieren. Dieser schweigenden Mehrheit ist anderes wichtiger, etwa Gesundheit, Familie, Nachbarschaft, Arbeitsbedingungen, Urlaub und Geld. Für diese 50 Prozent haben die veränderten Rahmenbedingung für die politische Kommunikation durch Online-Medien so gut wie keine Bedeutung. In diesem Segment gibt es keinerlei Anzeichen für eine politische Mobilisierung durch das Netz.
Ein weiteres gutes Drittel der Bevölkerung ist stärker politisch interessiert und unterschiedlich aktiv. Die dieser Gruppe zugehörigen Bürger haben ihre jeweils eigenen Verhaltensweisen herausgebildet und können in eigennützige Interessenvertreter, traditionell Engagierte sowie organisierte Extrovertierte untergliedert werden. Auch an deren politischer Kommunikation verändern die Online-Medien wenig.

Digital Citizens

Und dann gibt es ein weiteres Sechstel, die so genannten Digital Citizens. Ihr herausstechendes Merkmal ist die Nutzung der Online-Möglichkeiten für politische Kommunikationszwecke. Die Digital Citizens haben sich zu Beginn der 2000er-Jahre herausgebildet und sind mittlerweile eine Gruppe von Bedeutung. Sie sind der Teil der so genannten Digital Natives, der das Netz auch für politische Kommunikationsaktivitäten nutzt. Die Angehörigen dieser Gruppe meiden traditionelle politische Aktivitäten wie Versammlungsbesuche oder Leserbriefe und vollziehen ihre politische Information, Diskussion und Partizipation weitgehend auf Online-Medien. Mittlerweile können sie alle Aktivitäten über ihre Smartphones integrieren. Diese Gruppe von inzwischen elf Millionen Bundesbürgern bildet ihre eigenen Verhaltensweisen aus und bettet das Politische in ihre Online-Welt ein. Hier entsteht ein neues Elitensegment. Die Mitglieder dieser Gruppe sind in der Regel jung, gebildet und ihre Verhältnisse noch wenig gesichert. Sie sind – in Korrelation zum vergleichsweise hohen Bildungsgrad – überdurchschnittlich politisch interessiert, von der politischen Wirksamkeit ihres eigenen Handelns stark überzeugt und auch deswegen überdurchschnittlich zufrieden mit dem politischen System und mehr an Freiheit als an Gleichheit und Sicherheit orientiert. Das Alter ist der Schlüssel zu ihrem Verhalten, weil sie erst in geringem Maße feste Gewohnheiten ausgebildet haben. Die Gewohnheiten der Digital Citizens entstehen erst aus und mit dem Netz und unterscheiden sich von überkommenen Kommunikationsformen. Angehörige dieser Gruppe werden mit der Zeit in gesellschaftliche Schlüsselpositionen hineinwachsen und mehr und mehr die politische Kommunikation prägen.

Überraschende Sprünge

Die Digital Citizens werden sich mit dem Älterwerden nicht mehr an traditionelle Formen der Kommunikation gewöhnen. Zwar werden auch sie ihre Kommunikationsweisen verändern, allerdings vollziehen sie diese Veränderungen in Anlehnung an das Internet und dessen Weiterentwicklung.
In den vergangenen 15 Jahren haben sich immer wieder überraschende Sprünge ergeben, die aus der Innovationskultur der Digital Natives entstanden sind. Und wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung. Das führt dazu, dass etablierte mediale und politische Organisationen sowie etwa Journalisten, PR-Verantwortliche und Berufspolitiker dazulernen müssen, wenn sie den Anschluss an die Online-Welt nicht verlieren wollen. Das bleibt nicht ohne politische Folgen: In einem demokratischen Kontext bedürfen kollektiv bindende Entscheidungen einer öffentlich erörterbaren Legitimität. Aus diesem Grund sind die Kommunikation und die Veränderungen ihres Kontextes von zentraler Bedeutung für die Politik.

Gerhard Vowe ist Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Sprecher der DFG-Gruppe „Politische Kommunikation in der Online-Welt“.




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