Montag, 3. März 2025

DarmstadtEthische Leitplanken

[14.05.2020] Darmstadt setzt beim Digitalisierungsprozess auf einen Ethik- und Technologiebeirat. Als erste Kommune in Deutschland hat die Stadt entsprechende Leitlinien verabschiedet und möchte damit Vorreiter für eine verantwortungsvolle Smart-City-Entwicklung sein.
Darmstadt: Ethik- und Technologiebeirat begleitet Digitalisierung.

Darmstadt: Ethik- und Technologiebeirat begleitet Digitalisierung.

(Bildquelle: Claudia Schmidt/123rtf.com)

Als erste Kommune bundesweit hat die Stadt Darmstadt ethische Leitplanken für ihren Ende 2017 gestarteten Digitalisierungsprozess verabschiedet. Dafür gründete die südhessische Großstadt eigens einen 32-köpfigen Ethik- und Technologiebeirat, dessen Leitlinien im Juni 2019 durch eine Beschlussvorlage von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung verankert wurden. Fast ein Jahr ist seitdem vergangen.
„Wir haben seit etwa zweieinhalb Jahren weit über 80 Digitalisierungsprojekte aufgerufen und begleiten diese oft hoch komplexen Vorhaben administrativ und koordinierend“, berichten die Geschäftsführer Simone Schlosser und José David da Torre Suárez von den Anfängen und Aufgaben der Digitalstadt Darmstadt GmbH. Diese wurde im November 2017 als hundertprozentige Tochter der Stadt gegründet, nachdem Darmstadt im bundesweiten Wettbewerb des Branchenverbands Bitkom den ersten Platz als zukunftsfähigste Stadt erreichte und sich durch Sieg und Titulierung auf den bis dato noch unbekannten Pfad der Digitalisierung begab. „Von Anbeginn zielten wir darauf ab, Darmstadt mit digitalen Technologien lebenswerter, umweltfreundlicher und zukunftsorientierter – sprich smarter – zu gestalten. Das heißt, dass wir zunächst definieren mussten, was für uns, also die Stadtverwaltung, die Unternehmen der Stadtwirtschaft und die gesamte Darmstädter Bürgerschaft smart sein bedeutet. Durch Bürgerbeteiligung und Arbeitstreffen der zu involvierenden Ämter und Behörden wurde uns schnell klar, dass wir nicht alles, was mit digitaler Vernetzung möglich ist, auch einfach machen dürfen. Eine sehr zentrale Frage war aufgeworfen – nämlich: Wie sieht das ethische Rahmengerüst unserer Aktivitäten aus?“, reflektieren die beiden Geschäftsführer.

Keine technischen Eintagsfliegen

Mit externen und internen Beratern waren kurz zuvor in einem Strategieprozess 14 Handlungsfelder definiert worden, in denen einzelne sowie bereichsübergreifende Digitalisierungsprojekte stattfinden sollten. Themenkomplexe wie Bildung, Umwelt und Sicherheit gaben die Aktionsradien vor, die Zukunftstauglichkeit der Projekte sollte sicherstellen, dass keine technischen Eintagsfliegen kreiert werden: „Wir bewegen uns also inmitten der praktischen Technikfolgenabschätzung und -bewertung. Derzeit gibt es beispielsweise keine Alternative zu hochfrequenten Datennetzen wie 5G, wenn wir kabellos und in Echtzeit hochleistungsfähige Rechner mit ebenso komplexen Maschinen und Robotern koppeln wollen“, erläutert José David da Torre Suárez. Und Simone Schlosser ergänzt: „Neben der Frage, was wir mit Digitalisierung machen dürfen, besteht auch eine Herausforderung darin, dass die Projektgruppen während ihrem regulären Tagesgeschäft die smarte Version der eigenen Arbeit implementieren müssen. Dadurch wird hinterfragt und reorganisiert und es stellt sich heraus, was derzeit machbar und was eben noch nicht machbar ist.“

Internet of Things notwendig

Schnell war in Darmstadt klar, dass Digitalisierung nur zusammen mit einem ausgeklügelten Internet of Things (IoT) funktionieren kann, also einem Netzwerk, das Gegenstände intelligent vernetzt und managt. Ein solches Netzwerk zu installieren, ist bereits technisch ziemlich anspruchsvoll und hat darüber hinaus noch einen gewissen Beigeschmack: „Smart wird zunächst einmal sehr individuell interpretiert: Wenn alltägliche, subjektive Handlungen und Bedürfnisse schneller befriedigt werden, dann ist es smart und besser als zuvor. Doch um so etwas zu erreichen, muss das IoT samt allen zugehörigen Technologien sprichwörtlich übergriffig werden – nämlich vom öffentlichen auch in den privaten Raum eingreifen. Was so viel heißt, wie Daten auszutauschen“, erläutert das Digitalstadt-Team und ergänzt: „Unser Chief Digital Officer (CDO), eine Funktion die ebenfalls durch den Bitkom-Wettbewerb in Darmstadt Einzug gehalten hat, sagte anlässlich der Gründung unseres Ethik- und Technologiebeirats, dass das Internet dazu verführt, alles was möglich ist, auch zu tun.“

Ethische Wegweiser

Neben der sich zwangsläufig ergebenden Diskussion um IoT, Schnittstellen, Datengemenge und -schutzaspekte bewertet und berät der ethische Expertenrat die Darmstädter Digitalprojekte nach folgendem Prinzip: Prämisse aller Digitalisierungsprojekte ist es, den Alltag der Bürger angenehmer, effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten und dabei die Kernziele sicher, nachhaltig, zukunftsorientiert, partizipativ sowie wertvoll für das Gemeinwesen zu verfolgen. Als erste Leitplanke wurde somit festgesetzt, dass der Digitalisierungsprozess dem Gemeinwohl verpflichtet ist mit dem Ziel der sozialen und/oder ökologischen Verbesserung der kommunalen Daseinsvorsorge. Weiterhin dürfen keine neuen Machtstrukturen durch Digitalisierung entstehen, die sich demokratischer Kontrolle entziehen könnten, automatisierte Verfahren dürfen die Verantwortung demokratisch gewählter Gremien nicht ersetzen. Als dritte Leitplanke legte der Beirat fest, dass offenzulegen ist, wann eine Maschine verwaltungstechnisch eingesetzt wird. Diese dürfe weiterhin auch nicht die demokratisch gewählten Entscheidungsgremien ersetzen. Ferner ist der diskriminierungs- und barrierefreie Zugang in die Stadtverwaltung zu erhalten, analoge Angebote müssen weiterhin Bestand kommunaler Infrastruktur sein. Auch Abhängigkeiten von Produkten und Firmen gilt es laut der Darmstädter Digitalethik zu vermeiden, die öffentliche Hand solle digitale Infrastrukturen so souverän wie möglich entwickeln und betreiben. Personengebundene Daten dürfen nicht verkauft und so wenig wie möglich erfasst und weitergegeben werden. Hingegen sollten nicht-personengebundene, öffentliche Daten möglichst benutzerfreundlich zur Verfügung gestellt werden. Weiterhin sind alle Digitalisierungsprojekte von Anfang an auf mögliche Folgen zu bewerten, die Verletzlichkeit und Resilienz der Daseinsvorsorge samt deren Funktionssicherheit sind zu gewährleisten.
„Wir möchten mit unseren ethischen Wegweisern Vorreiter für eine gut durchdachte und verantwortungsvolle Smart-City-Entwicklung sein. Die Leitlinien sind daher nicht auf Darmstadt begrenzt, sondern als universelle Wegweiser in der Entwicklung digitalisierter Kommunen und smarter Lebensräume zu sehen“, resümiert die Digitalstadt-Geschäftsführung.

Sabine Kluge ist Pressesprecherin der Digitalstadt Darmstadt GmbH.




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Vektorgrafik, die ein Team zeigt, das Puzzleteile zusammenfügt.

Beckum: d-NRW-Beitritt beschlossen

[03.03.2025] Um Zeit und Aufwand bei der Ausweitung ihrer digitalen Verwaltungsservices zu sparen, tritt die Stadt Beckum der d-NRW bei. Als Trägerin der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts wird sie unter anderem von einer ausschreibungsfreien Nachnutzung von OZG-Leistungen profitieren. mehr...

muenchen_neues_rathaus

München: Fortschreibung der Digitalisierungsstrategie

[13.02.2025] Der Münchner Stadtrat hat die fünfte Fortschreibung der Digitalisierungsstrategie der bayerischen Landeshauptstadt beschlossen. Sie beinhaltet unter anderem den Aufbau eines Kompetenzschwerpunkts für User Experience sowie eine neue Formulierung des strategischen Prinzips der nutzerzentrierten Gestaltung. mehr...

OZG: „Aufenthalt“ erreicht alle Milestones

[07.02.2025] Das maßgeblich vom Land Brandenburg vorangetriebene OZG-Projekt „Aufenthalt“ hat alle Vorgaben des OZG-Verwaltungsabkommens erfüllt. Inzwischen nutzen über 270 Ausländerbehörden die digitalen Dienste, weitere 170 befinden sich im Roll-out. Die Weiterentwicklung läuft kontinuierlich. mehr...

Porträt Dr. Daniela Dylakiewicz

Sachsen: Neue CIO für den Freistaat

[07.02.2025] Daniela Dylakiewicz ist neue CIO des Freistaats Sachsen. Um die digitale Verwaltungstransformation voranzutreiben, strebt sie eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen des Landes an. mehr...

Diagramm zur räumlichen, fachlichen und funktionalen Bündelung von Verwaltungsaufgaben.

Deutscher Landkreistag: Aufgabenbündelung ja, Verfassungsänderung nein

[06.02.2025] Der vom Normenkontrollrat vorgebrachte Vorschlag einer stärkeren Bündelung staatlicher Aufgaben wird vom Deutschen Landkreistag unterstützt. Der kommunale Spitzenverband warnt aber auch vor zentralistischen Strukturen und lehnt vorgeschlagene Verfassungsänderungen ab. mehr...

Screenshot der Startseite von smartvest.ruhr.

Kreis Recklinghausen: Info-Plattform zum Smart-City-Ansatz

[03.02.2025] Eine Informationsplattform zur regionalen Digitalisierungsstrategie haben der Kreis Recklinghausen und die zehn kreisangehörigen Städte online geschaltet. Das Portal stellt die fünf Handlungsfelder und unterschiedlichen Projekte rund um den Smart-City-Ansatz vor und listet Neuigkeiten und Veranstaltungshinweise auf. mehr...

bayern-Flaggen

Bayern: Einheitlicher kommunaler IT-Dienstleister geplant

[28.01.2025] Im Frühjahr startet die neue Umsetzungsphase der Zukunftskommission #Digitales Bayern 5.0. Unter den Maßnahmen ist auch die Einführung eines einheitlichen kommunalen IT-Dienstleisters bis Ende 2025. mehr...

Blick über die Spree aufs Bundeskanzleramt

Vitako: 10-Punkte-Plan zur Digitalisierung

[24.01.2025] Vitako fordert in einem 10-Punkte-Plan klare Prioritäten, Investitionen und Kooperation aller Ebenen, um die Digitalisierung voranzutreiben und Krisen zu kontern. Dabei gehe es um die Sicherung kommunaler Handlungsfähigkeit ebenso wie um die nationale Koordination und die Berücksichtigung EU-weiter Strategien. mehr...

Eine Person blättert in einer Broschüre zur neuen Hamburger Digitalstrategie

Hamburg: Neue Digitalstrategie vorgestellt

[22.01.2025] Hamburg hat seine neue Digitalstrategie präsentiert. In den kommenden Jahren soll das digitale Angebot konsequent ausgebaut werden, um den Kontakt mit den Behörden so einfach und effizient wie möglich zu gestalten. Wo es möglich ist, setzt die Freie und Hansestadt dabei auch auf Automatisierung und Künstliche Intelligenz. mehr...

Vektorgrafik eines Organigramms.

Wolfsburg: Neuer smarter Geschäftsbereich

[20.01.2025] Mit organisatorischen Änderungen ist die Wolfsburger Stadtverwaltung in das neue Jahr gestartet. Unter anderem wurden die Bereiche Informationstechnologie und Smart City im Geschäftsbereich Smart City und IT-Services zusammengeführt. mehr...

Porträt von Elena Yorgova-Ramanauskas, Staatssekretärin und Landes-CIO im Saarland

Saarland: Digitalisierungsoffensive für Kommunen wird konkreter

[20.01.2025] Die 2021 auf den Weg gebrachte Digitalisierungsoffensive für Kommunen im Saarland nimmt Gestalt an: 17 Millionen Euro aus dem Sondervermögen Pandemie wurden an konkrete Projekte gebunden, darunter KI-gestützte Chatbots, Verkehrsdatenerfassung und Straßenmanagementsysteme. mehr...

Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus und die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände des Landes präsentieren die Kooperationsurkunden.

Hessen: Kommunale Verwaltungsdigitalisierung wird gestärkt

[15.01.2025] Das Land Hessen und die kommunalen Spitzenverbände wollen die kommunale Verwaltungsdigitalisierung weiter unterstützen. Die bisherige Koordinierungsstelle OZG-Kommunal wird zur Kompetenzstelle erweitert, die Digitalisierungsplattform civento wird weiter finanziert. mehr...

Porträt von Ina-Maria-Ulbrich

IT-Planungsrat: Kommunen im Fokus

[13.01.2025] Im Jahr 2025 führt Mecklenburg-Vorpommern den IT-Planungsrat. Im Fokus sollen die Föderale Digitalstrategie und eine stärkere Einbindung der Kommunen stehen. Geplant ist auch eine Stärkung und Weiterentwicklung der FITKO. mehr...

Glaskugel vor einem magentafarben beleuchteten, unscharfen Hintergrund.
bericht

Digitalisierung: Blick in die Glaskugel

[07.01.2025] Agil, bürokratiearm und Ende-zu-Ende digitalisiert – so sollen die Kommunalverwaltungen im Jahr 2030 aussehen. Im Moment sind sie davon aber oft noch weit entfernt. Sind die gesetzten Ziele realistisch? mehr...

Außenansicht des Ministeriums des Innern und für Kommunales in Potsdam, ein weißes, klassizistisches Gebäude

Brandenburg: OZG-Umsetzung auf Kurs

[19.12.2024] In seiner OZG-Bilanz meldet Brandenburg für 2024 deutliche Fortschritte: 100 neue digitale Verwaltungsdienste wurden eingeführt, insgesamt sind nun 650 verfügbar. Fördermittel und Kampagnen unterstützen Kommunen bei der Digitalisierung. mehr...