REPORTFamilientreffen in Hannover
Anwendungen für die E-Identity auf dem neuen elektronischen Personalausweis waren in diesem Jahr das bestimmende Thema im Public Sector Parc der CeBIT (2. bis 6. März 2010, Hannover). Schwerpunkte setzten darüber hinaus der Breitband-Ausbau sowie Konzepte für smarte Kommunen. Zwar lag die Zahl der Aussteller auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren, mit dem Verlauf der nach eigenen Angaben weltgrößten IT-Messe war der Veranstalter Deutsche Messe AG dennoch zufrieden. An den ersten Messetagen habe man einen spürbaren Besucherzuwachs verzeichnen können.
Connected Administration
Die CeBIT sei ein Familientreffen, zu dem sie nun dazu gestoßen sei, erklärte die neue Bundesbeauftragte für Informationstechnik, Cornelia Rogall-Grothe, zur Eröffnung des Public Sector Parc. Sie hoffe, schnell in diese Familie aufgenommen zu werden. In ihrer Eröffnungsrede unterstrich die Bundes-CIO die Bedeutung eines ebenen- und ressortübergreifenden Ansatzes bei der IT-Politik der Bundesregierung. Sie wolle sich dafür einsetzen, die IT-Steuerungsstrukturen auf Bundesebene sowie zwischen Bund und Ländern voranzutreiben. Dabei liege ihr besonders der neue IT-Planungsrat am Herzen. „Er bietet die Chance, im Verbund schneller und effektiver zu agieren“, so Rogall-Grothe. Niedersachsen-CIO Christoph Lahmann ergänzte, das diesjährige Messe-Motto Connected Worlds passe auch auf die Verwaltung ganz gut, da viele der aktuellen Maßnahmen, wie etwa der IT-Planungsrat, auf eine bessere Zusammenarbeit abzielten.
Publikumsmagnet ePA
Der Stand der IT-Beauftragten der Bundesregierung (BfIT) zog im Public Sector Parc besonders viele Besucher an: Vor der Personalausweisbehörde der Zukunft, bereits auf der vergangenen CeBIT ein Publikumsmagnet, bildeten sich lange Schlangen. Hier konnte ein Muster des neuen elektronischen Personalausweises (ePA) beantragt und anschließend am Stand der Bundesdruckerei gedruckt werden. „Alleine am ersten Messetag haben wir rund 200 Ausweise produziert“, so Antonia Voerste, Leiterin Unternehmenskommunikation bei der Bundesdruckerei.
Präsentiert wurden am Stand der BfIT zudem zahlreiche praktische Anwendungsmöglichkeiten für die integrierte elektronische Identität auf dem ePA, darunter die elektronische Kfz-Zulassung, welche das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS gemeinsam mit Zulassungsstellen und -dienstleistern sowie einem Autohaus entwickelt hatte (wir berichteten). Mithilfe der eID-Funktion des ePA kann die Zulassung direkt im Autohaus über ein Portal beantragt und die entsprechenden Identitäts- und Fahrzeugdaten direkt an die Zulassungsstelle übermittelt werden. Den Gang aufs Amt könnten sich die Bürger dann in Zukunft sparen, der Zulassungsprozess kann komplett über das Autohaus abgewickelt werden. Genutzt werden kann der Service zudem auch ohne eID-Funktion, indem die entsprechenden Daten manuell in das Zulassungsportal eingegeben werden. In Berlin sollen ab November 2010 zunächst die Kunden in den Autohäusern der Mercedes-Benz-Niederlassung die elektronische Kfz-Zulassung nutzen können. Geplant ist darüber hinaus laut Fraunhofer FOKUS, in Zukunft alle Prozesse rund um die Zulassung über die Plattform anzubieten.
Eine Hürde für die Nutzung der eID-Funktion des ePA im Rahmen von E-Government-Angeboten, Online Banking oder E-Commerce könnte allerdings die hierzu notwendige Anschaffung eines entsprechenden Kartenlesegerätes darstellen. Laut einer aktuellen Umfrage des Branchenverbands BITKOM sind nur 17 Prozent der Befragten bereit, hierfür realistische Preise von mehr als 20 Euro zu bezahlen, wohingegen 30 Prozent das Gerät kostenlos wollen und ein weiteres Viertel maximal 10 Euro investieren würde. Eine mögliche Lösung für dieses Problem bietet das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT: Es präsentierte eine Konzeptstudie zur Nutzung des ePA mit Mobilfunkgeräten. Diese fungieren dabei gleichzeitig als Internet-Zugang und als Lesegerät für den Ausweis. Die Daten werden per NFC-Funktechnologie an das Handy übertragen. „Noch sind nur wenige Mobiltelefone mit dieser Technik ausgestattet, aber das wird sich ändern“, ist Forschungsbereichsleiter Mario Hoffmann vom Fraunhofer-Institut SIT überzeugt, „denn die Handhabung ist äußerst bequem und gleichzeitig sehr sicher.“ So lasse sich beispielsweise die Kommunikation zwischen Ausweis und Handy nicht abhören, da die Reichweite der NFC-Technologie auf nur wenige Zentimeter begrenzt ist. Der Vorteil des Konzepts liegt nach Angaben des Fraunhofer-Instituts SIT darin, dass es sich mit heutigen Mobilfunknetzen verwirklichen lässt und somit keine Investitionen der Telekommunikationsanbieter nötig wären. Um das Modell massentauglich zu machen, seien jedoch noch einige technische Hürden zu überwinden. So müssten beispielsweise der Bürger-Client und die mobile eCard-API standardkonform implementiert sowie für unterschiedliche Handy-Plattformen angepasst werden.
Weiteres Thema am Stand der BfIT war die einheitliche Behördenrufnummer 115. Unter dem Motto „Testen Sie die 115“ konnten die Messebesucher probeweise in einem 115-Service-Center anrufen. Im Rahmen der CeBIT wurden zudem die neuen Teilnehmer Frankfurt am Main, Offenbach, Dinslaken und Neuss offiziell im Kreis der Modellkommunen begrüßt.
Konzepte für smarte Kommunen
Ganzheitliche Konzepte für ein nachhaltiges Management von smarten Kommunen präsentierten an ihren Messeständen unter anderem die Firmen IBM sowie SAP und Siemens IT Solutions and Services. Gemeinsam ist den Konzepten der Gedanke, dass eine intelligente Vernetzung und Optimierung von Prozessen trotz oder gerade in Zeiten knapper Budgets notwendig sind, um sich im Standortwettbewerb behaupten zu können. Smartes Management bedeutet dabei, verschiedene Handlungsfelder mithilfe von IT zu modernisieren, Ressourcen effizienter einzusetzen und die Qualität von Dienstleistungen nachhaltig zu erhöhen. Michael A. Maier, Leiter des Geschäftsbereichs Öffentlicher Dienst bei IBM Deutschland: „Die Vision einer prozessorientierten Verwaltung ist in vielen Kommunen bereits Realität geworden. Nächster Schritt ist nun unser Konzept Smarter Cities. Mit der Umsetzung dieser Leitidee stehen wir zwar noch am Anfang, sie stößt bei den Verwaltungen jedoch auf große Resonanz, da hiermit der Spagat geschafft werden kann, Kosten zu reduzieren und gleichzeitig die Lebens- und Servicequalität in der Kommune zu erhöhen.“
Den Weg zur prozessorientierten Verwaltung hat unter anderem die Stadt Dortmund im Rahmen des Projekts „Verwaltung 2020“ vollzogen. Reiner Klüh, Leiter des städtischen IT-Dienstleisters Dortmunder Systemhaus, erklärte, die Stadt verzeichne durch die Umsetzung erste Erfolge. „Aber hier ist ein langer Atem gefragt“, so Klüh. Die aktuelle Finanzlage stelle auch für Dortmund eine Bedrohung dar, er sehe auf diese Situation aber nur eine mögliche Antwort: „Wir müssen weiterhin in IT investieren.“ Der elektronische Personalausweis wird nach Ansicht von Reiner Klüh in der Tat einen Schub für E-Government bringen. Klüh: „Wenn es uns als Kommune gelingt, die passenden Leistungen anzubieten, werden die Bürger den ePA und die elektronische Identität auch nutzen.“
Breitband für alle
Zu den Top-Themen auf der CeBIT zählte außerdem der Ausbau des schnellen Internet im ländlichen Raum. Im Rahmen der gut besuchten Broadband World in Halle 13, die vom Branchenverband BITKOM gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) ausgerichtet wurde, präsentierten Unternehmen unterschiedliche Technologien und Lösungsansätze. Ansprechpartner aus dem BMWi, den Ländern sowie den kommunalen Spitzenverbänden gaben Auskunft darüber, wie der Breitband-Ausbau staatlicherseits flankiert wird. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle: „Den Verantwortlichen aus den Gemeinden und Kreisen wurden hier alle Fragen rund um den Breitband-Ausbau beantwortet. Nur wenn alle Technologien und Anbieter zum Einsatz kommen, werden die Potenziale für eine Breitband-Erschließung bestmöglich genutzt.“
Im Rahmen des Breitband-Gipfels wurde unter anderem darüber diskutiert, wie ein schnelles Internet für alle sichergestellt werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen seien vor allem lokales Engagement, interkommunale Kooperationen, technologieneutrale Ausschreibungen und ein fairer Wettbewerb notwendig, so die Diskussionsteilnehmer. Zudem könnten die Kommunen noch mehr von Best Practices lernen. Die Bürgermeister müssten sich auch von der Vorstellung verabschieden, dass es für jede Kommune einen Glasfaseranschluss geben werde. Dies sei nicht überall sinnvoll. Bernd Pfaffenbach, Staatssekretär im BMWi, ermunterte die Entscheidungsträger, verstärkt Breitband-Verbindungen via Funklösungen in Betracht zu ziehen, da diese ebenfalls hohe Qualitäten lieferten. Für einen flächendeckenden Glasfaserausbau plädierte dagegen der Parlamentarische Staatssekretär des Bundeslandwirtschaftsministeriums, Gerd Müller. Funk könne nur eine Zwischenlösung sein. Wie gut die Qualität der Breitband-Technologien per Funk ist, davon können sich demnächst die Einwohner der Nordseeinsel Borkum überzeugen: Die Verwaltung hatte im Rahmen der Broadband World die Verlosung der Firma Lancom gewonnen und wird nun per WLAN-Richtfunklösung an das schnelle Internet angeschlossen.
Insgesamt ist der Breitband-Ausbau in Deutschland nach Ansicht von Bernd Pfaffenbach auf einem guten Weg: „Die Versorgungslage verbessert sich kontinuierlich.“ Das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2014 drei Vierteln aller Haushalte Zugang zu Anschlüssen mit Übertragungsraten von 50 Megabit je Sekunde zu ermöglichen, sei ambitioniert aber machbar. „Ich glaube wir schaffen das, zumal auch die entsprechende Nachfrage vorhanden ist.“ Lobende Worte für die Breitband-Strategie Deutschlands fand auch Detlef Eckert, Mitglied der Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien der EU-Kommission. Die Strategie sei vielversprechend und könne sich europaweit sehen lassen. Zugleich forderte er jedoch dazu auf, sich nicht allzu sehr am Möglichen zu orientieren: Es komme darauf an, die Grenzen des Machbaren zu verschieben, mutiger zu sein, Visionen zu entwickeln. Diese werden dann möglicherweise auf der kommenden CeBIT diskutiert.
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