Donnerstag, 26. Dezember 2024

InterviewFaszinierende Möglichkeiten

[21.06.2018] Im Interview mit Kommune21 erläutert Claus Arndt, Beigeordneter bei der Stadt Moers, warum Kommunen Open Data mutig angehen sollten, welche Vorteile sich ergeben und was in der Vorreiterstadt bereits umgesetzt wurde.
Claus Arndt

Claus Arndt, Beigeordneter bei der Stadt Moers

(Bildquelle: K21 media AG)

Herr Arndt, warum ist Open Data für Kommunen ein wichtiges Thema?

Zu Beginn unserer Open-Data-Aktivitäten vor fünf Jahren wäre meine Antwort vermutlich anders ausgefallen, stärker fokussiert auf die damals immer wieder genannten Nutzenerwartungen. Heute fügt sich alles zu einem Gesamtbild, in dem manche seinerzeit erwarteten Vorteile etwas verblassen, sich dafür aber die Bedeutung des Themas für die Stadtgesellschaft viel stärker in den Mittelpunkt drängt. So wurden offene Daten anfangs hauptsächlich als Innovationstreiber für die Wirtschaft gehypt. Diese Erwartung hat sich gerade auf lokaler Ebene bislang nicht erfüllt, da hier aktuell wenige Datensätze zur Verfügung stehen, die als Basis für ein neues Geschäftsmodell wirklich geeignet sind. Dennoch zeigt sich, dass die Unternehmen vor Ort langsam etwas mit dem Begriff Open Data anfangen können, weil sie registrieren, dass behutsam etwas entsteht, was zukünftig von großem Nutzen sein könnte: eine lokale Entwickler-Community und damit ein potenzieller Pool an dringend benötigten Fachkräften. Wir merken im direkten Gespräch und durch Anfragen, wie auch die zartesten Ansätze – zum Beispiel bei dem inzwischen gegründeten Lab Code for Niederrhein – interessiert beobachtet, ja sogar gefördert werden. Insofern spielt der Aspekt der Wirtschaftsförderung durch Open Data eine Rolle, aber anders als ursprünglich gedacht. Wichtig ist jedoch, dass Open Data insgesamt zu einem Keim für vielfältige Entwicklungen geworden ist, die auf spannende Art und Weise Tendenzen der Digitalisierung aufgreifen und die Stadtgesellschaft in sanfter Form auf dieses schwierige Terrain mitnimmt. Hier sind beispielsweise die Jugend-hackt-Veranstaltungen zu nennen, die im Kontext offener Daten – auch bildungsferneren – Kids einen unglaublich faszinierenden Zugang zur Welt der Programmierung, Robotik oder Sensorik eröffnen. In diesem Zusammenhang sind auch die tollen Ansätze im Bereich Civic Tech/Citizen Science zu erwähnen, die über das vielbeachtete Feinstaubsensoren-Projekt des OK Labs Stuttgart angestoßen wurden. Nicht nur hierdurch, sondern auch durch die ein oder andere nützlich Anwendung wurde das Thema Open Data gerade in den vergangenen zwei Jahren aus der Techie-Ecke herausgeholt und in den Blickpunkt einer breiteren Öffentlichkeit gerückt. Das zeigt die große Resonanz, welche die verschiedenen Projekte und Erfolge in den lokalen, aber auch regionalen Medien hervorgerufen haben.

Was ist dabei zu beachten?

Aus meiner Sicht ist ganz entscheidend, dass aufseiten der Kommunen mit einem gewissen Enthusiasmus an die Sache herangegangen wird und die Dimensionen des Themas über die reine Datenbereitstellung hinaus erkannt werden. Es reicht meines Erachtens nicht aus, nur Daten zu publizieren, um gerade in der Startphase, in der wir uns in Deutschland immer noch befinden, die beschriebenen Effekte zu erzielen. Man muss sich gegenüber der Community öffnen und in den Dialog treten. Dann wird schnell wahrnehmbar, welche Chancen durch das eigene Engagement eröffnet werden können.

Welche Vorteile ergeben sich für die Kommunalverwaltungen?

Open Data sorgt auch intern für Innovationsimpulse und Optimierungen. Wir haben durch die Zusammenarbeit mit der Entwicklergemeinschaft ein neues Bewusstsein darüber erlangt, wie man mit Daten umgehen, sie besser erfassen und in bisher unbekannter Weise für eigene Zwecke nutzen kann, etwa zur Verbesserung des Internet-Auftritts. Das interne Daten-Management wurde optimiert, indem zum Beispiel redundante Datenpflege erkannt und abgeschafft wurde. Zudem ist hausintern durch unser Daten-Monitoring erst transparent geworden, welche Datenbestände an den verschiedenen Stellen vorgehalten werden. Das fördert auch die Vernetzung von Daten.

„Man sollte sich in den Rathäusern bei Open Government nicht so sehr von Bedenken leiten lassen.“

Moers war eine der ersten Städte, in der Open Data eine wesentliche Rolle spielte. Wie wurde das Thema angegangen?

Es ist ja mittlerweile fast Legende, dass wir einen sehr pragmatischen Ansatz gewählt haben. Wir haben das Thema erstmals 2012 wahrgenommen und waren sofort fasziniert von den Möglichkeiten, die sich am Horizont abzeichneten. Dann ging alles sehr schnell: Mit einem Studenten der Hochschule Rhein-Waal wurde ein Projekt aufgesetzt, im Rahmen dessen ein erstes Daten-Monitoring durchgeführt wurde. Daraufhin gab es eine knappe Vorlage für den Verwaltungsvorstand, der sich sehr offen gezeigt und den Startschuss gegeben hat. Zwei Wochen später standen die ersten offenen Daten der Stadt Moers im Netz zur Verfügung.

Welche Rolle spielt das Pilotprojekt Modellkommune Open Government?

Wir hatten im vergangenen Jahr das Glück, sowohl Modellkommune im Bund als auch Pilotkommune im Land Nordrhein-Westfalen zu werden. Die finanzielle Förderung hat uns Möglichkeiten eröffnet, die wir angesichts der Haushaltslage der Stadt Moers sonst nie gehabt hätten. Man muss wissen, dass wir Open Government mit einem extrem geringen Mitteleinsatz umsetzen – nämlich circa 1.500 Euro für den Betrieb des Portals. Mit den Bundesmitteln können wir durch den Aufbau eines Hackerspaces mitten in der Stadt und angegliedert an VHS und Bibliothek einen weiteren Baustein unserer Strategie umsetzen, das Thema Open Government in der Stadtgesellschaft zu verankern und erlebbar zu machen. Unser großes Vorbild ist hier das Verschwörhaus in Ulm, an das wir sicherlich im ersten Schritt nicht herankommen werden. Mit der Landesförderung konnten wir uns einen Traum erfüllen, indem wir gemeinsam mit der Open Knowledge Foundation unser langjähriges Projekt „Open Data und Schule“ endlich veredeln konnten. Entstanden sind unter anderem ein Leitfaden und eine Website als Quelle der Inspiration für Pädagogen, die sich vorstellen können, offene Daten im Schulunterricht einzusetzen. Beide Modellvorhaben sehe ich auch als Belohnung für unser bisheriges Engagement.

Was können andere Kommunen vom Vorreiter Moers lernen?

Die Frage lässt sich schnell beantworten: Man sollte sich in den Rathäusern bei Open Government nicht so sehr von Bedenken leiten lassen. Nicht nur Moers, sondern auch Städte wie Bonn, Köln oder Freiburg haben gezeigt, dass man für mutige Schritte durchaus belohnt werden kann. Sämtliche mir bekannten Sorgen spielen in der Realität quasi keine Rolle, lassen aber viele Kommunen weiterhin zögern, den ersten Schritt zu wagen.

Warum ist der Vorschlag des DStGB, mit kommunalen Daten Geld zu verdienen (wir berichteten), aus Open-Data-Sicht zu kritisieren?

Der Vorschlag kollidiert vollständig mit den Open-Data-Prinzipien, welche die kostenlose und diskriminierungsfreie Bereitstellung der Daten einfordern. Insofern ist er ein Schlag ins Gesicht gerade auch der kommunalen Vorreiter und missachtet die Fortschritte auf allen Verwaltungsebenen bis hin zu den Aktivitäten rund um die Open Government Partnership. Um die Finanzlage der Kommunen zu verbessern, gibt es sicherlich durchdachtere Vorschläge.

Interview: Alexandra Braun




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