HamminkelnFiber to the Landlords
Wer auf dem Land eine schnelle Datenleitung haben will, muss zunächst einmal viel Geduld aufbringen. Das zeigt das Beispiel der nordrhein-westfälischen Stadt Hamminkeln, eine großflächige, ländlich geprägte Kommune mit sieben Ortsteilen und sechs Gewerbegebieten. Die Breitband-Versorgung in den Ortsteilen Hamminkeln und Dingden betrug maximal 3 Mbit/s, in den Außenbereichen erheblich weniger. Im Ortsteil Loikum waren höchstens 756 Kbit/s zu bekommen. In Hamminkeln, Ringenberg und Dingden ist in Teilbereichen aber per TV-Kabel eine Download-Geschwindigkeit von bis zu 150 Mbit/s möglich. Funklösungen bringen keine signifikanten Verbesserungen.
2006 erhielt die Wirtschaftsförderung der Stadt Hamminkeln den Anruf eines Gewerbetreibenden, der sich als erster in einer Erweiterungsfläche im Gewerbegebiet Dingden-Nord niedergelassen hatte. Allerdings sah sich die Deutsche Telekom außerstande, in dem Gebiet einen DSL-Anschluss zur Verfügung zu stellen. Die verfügbare Bandbreite lag bei maximal 768 Kbit/s. In der darauffolgenden Zeit bot ein regional tätiges Systemhaus an, eine Lösung für die Gewerbegebiete der Stadt Hamminkeln zu schaffen. Das Vorhaben scheiterte jedoch am fehlenden Problembewusstsein der ansässigen Betriebe, die zu dieser Zeit mehrheitlich noch keinen Mangel an Bandbreite sahen.
FTTH-Lösung fand den meisten Anklang
Im Jahr 2008 führten Bürgermeister Holger Schlierf und der Bereich Wirtschaftsförderung der Stadt Hamminkeln schließlich ein Gespräch mit der Deutschen Telekom. Der Telekommunikationskonzern wollte berechnen lassen, wie teuer der Ausbau einer Glasfaserverbindung vom Hauptverteiler in Ringenberg bis in das 3,5 Kilometer entfernte Dingden sein würde und wie hoch dabei die Deckungslücke für die Telekom ausfiele. Zahlen dazu liegen der Stadt trotz vielfacher Nachfrage bis heute nicht vor.
Nachdem die mangelnde Breitband-Anbindung neue Unternehmen jedoch von der Ansiedlung im Gewerbegebiet Dingden abhielt, musste eine Lösung gefunden werden. Zudem klagten seit dem Jahr 2009 auch die bereits ansässigen Betriebe zunehmend über fehlende Bandbreite. Die örtliche Mittelstandsvereinigung der CDU (MIT) nahm sich der Sache nun ebenfalls an und es wurde Kontakt zu den Firmen CosmoTel IT und BORnet hergestellt. Die MIT lud Ende 2010 beide Anbieter ein, ihre Technik vor den Firmen des Gewerbegebiets zu präsentieren. Die Richtfunklösung von Anbieter CosmoTel IT versprach zwar eine rasche und kostengünstige Lösung, doch die FTTH-Lösung (Fibre to the Home) von BORnet fand unter den Gewerbetreibenden den größeren Anklang, weil sie die größere Zukunftssicherheit versprach.
Um das Gewerbegebiet Dingden-Nord zu erschließen, war eine etwa 4,5 Kilometer lange Leitung vom Bocholter Glasfasernetz nach Dingden nötig. Den Ausbau der Leitung, der im Mai 2011 begonnen und im September desselben Jahres fertiggestellt wurde, übernahm die Bocholter Glasfaser GmbH. Die Monate bis zum Baubeginn waren ausgefüllt mit Recherchen zu Fördermöglichkeiten. Letztlich wurde auf Fördermittel aber gänzlich verzichtet, weil sich die Gewerbetreibenden für die technisch ultimative und nicht die billigste Lösung entschieden hatten. Die Glasfaserleitung wurde somit ausschließlich über die Anschlussverträge der Betriebe finanziert. Die monatlichen Kosten für die Datenleitungen sind vergleichbar mit den vorherigen Kosten bei Verträgen mit der Deutschen Telekom, bieten aber deutlich mehr Leistung und sind synchron im Down- und Upload.
Auch die Bevölkerung wurde überzeugt
Bereits als der Bau der Leitung in das Gewerbegebiet beschlossen wurde, wurde vonseiten der Wirtschaftsförderung angeregt, auch die Ortslage von Dingden mit einem Glasfasernetz auszustatten. Sowohl die MIT wie auch die Dingdener Interessen- und Werbegemeinschaft (DIWG) unterstützten das Anliegen. Als die Deutsche Glasfaser GmbH Ende 2011 ihre Bereitschaft signalisierte, den Ausbau vorzunehmen, falls mindestens 40 Prozent aller Haushalte im Ausbaugebiet einen Glasfaseranschluss ordern, galt es, die Bevölkerung von den Vorteilen zu überzeugen. Bis zum Stichtag entschieden sich 54 Prozent aller Haushalte im Ausbaugebiet für einen Glasfaseranschluss. Im Sommer 2012 begann der Ausbau des Netzes. Heute sind alle Kunden auf der schnellen Datenautobahn unterwegs.
Noch schlechter als in Dingden sah die Telekommunikationsanbindung zu der Zeit im kleinen Ortsteil Loikum aus. Die Datentransferraten erreichten dort im Schnitt gerade einmal 384 Kbit/s. Mobilfunklösungen boten keine Abhilfe, Satellitenlösungen waren nicht gewünscht. Schon zu Beginn der Ausbauplanungen für Dingden fand sich das Unternehmen Deutsche Glasfaser bereit, auch den Ortsteil Loikum auszubauen, wenn das Projekt in Dingden ein Erfolg würde. Auch in Loikum wurden 40 Prozent der Haushalte im festgelegten Ausbaugebiet als Voraussetzung definiert. Innerhalb von 14 Tagen hatten sich 89 Prozent der Loikumer im Ortskern von dem Angebot überzeugen lassen. Die Bewohner der Außenbereiche Loikums, die „Landlords“, wie Herman van Voorst von der Deutschen Glasfaser GmbH sie nannte, wollten jedoch ebenfalls auf der Überholspur surfen und dabei den Bewohnern der Ortslage nicht nachstehen.
Bürger bauten mit am Netz
Vergleichswerte für Ausbaukosten lagen im Außenbereich nicht vor. Fest stand aber, dass der Ausbau dort nicht zum gleichen Preis wie im Ortskern möglich war. In der günstigsten Variante der Deutschen Glasfaser GmbH standen immer noch rund 3.000 Euro pro Anschluss im Raum „Das muss billiger gehen“, war die Devise der Landlords. „Was, wenn wir selbst Hand anlegen und unser landwirtschaftliches Gerät nutzen?“ Neue Kalkulationen ergaben Kosten von 1.700 Euro pro Anschluss, sofern sich alle solidarisch erklären und zur Mitarbeit verpflichten. Darin enthalten sind Anschlusskosten, Gebühren für Geräte, die beim Tiefbau-Unternehmen ausgeliehen werden müssen und erforderliche Versicherungen, die bei solch einem Projekt tunlichst abgeschlossen werden sollten.
Die Landlords gründeten eine Teilnehmergemeinschaft, deren unermüdliches Organisatoren-Team die Vertragsverhandlungen führte und die Koordinierung der Arbeitsschritte vornahm. Ein findiger Landwirt konstruierte einen Pflug zu einem lenkbaren Kabelpflug um. Mithilfe dieses und anderer landwirtschaftlicher Geräte, dem Einsatz schwerer Traktoren sowie jeder Menge freiwilliger Arbeitsstunden wurde innerhalb eines halben Jahres der komplette Außenbereich von Loikum mit Glasfaser ausgestattet.
Längst haben sich auch 69 Prozent der Bewohner im Ortskern des Nachbardorfes Wertherbruch für den Ausbau mit Glasfaserkabel entschieden. Der Ausbaubeginn steht unmittelbar bevor. Für den Außenbereich Wertherbruchs wird eine Versorgung per WLAN angestrebt. Da das Unternehmen Deutsche Glasfaser ein Open-Access-Netz anbietet, sind die ausgebauten Ortsteile für die Zukunft bestens gerüstet. Nebenbei bedeutet eine gute Breitband-Anbindung eine Wertsteigerung der Immobilien von bis zu fünf Prozent.
Dieser Beitrag ist in derJanuar-Ausgabe von Kommune21 im Schwerpunkt Breitband erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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