EU-BenchmarkFöderale Puzzleteile
Während beim E-Government-Benchmark der EU-Kommission früher das Online-Angebot von öffentlichen Services gezählt wurde und es als Fortschritt galt, wenn Informationen digital abrufbar waren, liegt der Fokus heute auf der tatsächlichen Nutzbarkeit digitaler Leistungen (Transaktion). Für den 13. E-Government-Benchmark haben 30.000 EU-Bürger Online-Dienste in EU-Mitgliedsländern sowie in Island, Serbien, Norwegen, der Schweiz und der Türkei bewertet. Abgeleitet aus der Digitalen Agenda der EU-Kommission wurden die öffentlichen Dienstleistungen anhand von vier Indikatoren bewertet. Neben der Nutzerzentriertheit der Anwendungen zählen die Verfügbarkeit von Schlüsseltechnologien wie der eID, die grenzüberschreitende Mobilität hinsichtlich der Nutz- und Verfügbarkeit von Dienstleistungen für EU-Bürger sowie für Unternehmen und die Transparenz von Aktivitäten und Dienstleistungen staatlicher Behörden dazu. In allen vier Dimensionen liegt Deutschland leicht über dem EU-Durchschnitt. Untersucht wurden diese Indikatoren in verschiedenen Lebenslagen, in denen Bürger mit der öffentlichen Verwaltung in Kontakt treten. Dazu gehören die Anmeldung oder Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs, ein Umzug in Form einer Wohnsitzummeldung oder die Gründung eines Unternehmens im Geschäftsbetrieb.
Traditionelles Verwaltungshandeln hinterfragen
Defizite bestehen EU- und deutschlandweit im Bereich der Schlüsseltechnologien. E-Safe und Authentifizierungsmöglichkeiten sind wenig verbreitet. Ein Großteil der Deutschen hat Bedenken hinsichtlich möglicher Datenschutzrisiken. Dabei gelten hohe Sicherheitsstandards für nahezu alle Verwaltungsdienstleistungen. Auch an einfache Services werden hohe Anforderungen gestellt. So sind manche Transaktionen aufwendiger als sie es sein müssten. In Deutschland wird die Online-Funktion des neuen Personalausweises (nPA) kaum genutzt. Keine der getesteten Verwaltungsdienstleistungen kann ausschließlich online abgewickelt werden. Versucht man dennoch, beispielsweise einen Auszug aus dem Geburtenregister elektronisch zu beantragen, muss man sich auf acht Wochen Wartezeit oder länger einstellen. Ist man vor Ort, dauert es etwa eine Viertelstunde, bis das Dokument ausgehändigt wird. Vorteile der elektronischen Abwicklung sind damit aus Bürgersicht kaum erkennbar.
Die föderale Struktur in Deutschland erschwert den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden. Die Digitalisierung verändert nicht nur in der Wirtschaft klassische Wertschöpfungsketten, sondern stellt auch die hoheitliche Kompetenzverteilung vor neue Herausforderungen. Bürger und Verwaltung selbst hinterfragen vor allem Grundsätze des traditionellen Verwaltungshandelns wie beispielsweise die Erfordernis der Schriftform, stammen sie doch aus dem Zeitalter der papierbasierten Datenverarbeitung. Die technischen Voraussetzungen ermöglichen und erfordern heutzutage andere Gestaltungsprinzipien für eine durchgängig digitale Verwaltung. Einzelne Regionen wie Hamburg sind Vorreiter der Digitalisierung. Auch die Flüchtlingskrise hat in der Zusammenarbeit verschiedenster Behörden eine neue Dynamik erzeugt.
Herausforderung und Chance
Noch entsteht aus diesen föderalen oder politikfeldspezifischen Puzzleteilen jedoch kein einheitliches Bild. Um das volle Potenzial einer digitalen Verwaltung auszuschöpfen, müssen die vielen einzelnen Bemühungen des öffentlichen Sektors gebündelt und Online-Angebote deutlich attraktiver sowie einfacher in ihrer Handhabung werden. Die gemeinsamen Initiativen von Bund und Ländern, wie der Portalverbund und die Interoperabilität der Servicekonten setzen als spannende Lösungsansätze dort an. Aus diesem Grund steht das Thema E-Government ganz oben auf der Prioritätenliste des Bundesministeriums des Innern. Ebenso priorisiert wird das Thema Open Data.
Auch die öffentliche Verwaltung erkennt, dass Open Data Herausforderung und Chance zugleich ist: Die durch die öffentliche Hand erhobenen Datenbestände in Form von Statistiken, Haushaltsdaten oder Erfolgsbilanzen können offen und strukturiert zugänglich gemacht werden. Die Bereitstellung vorhandener Daten, ihre Erhebung und der sorgfältige Umgang werden zur zentralen Hoffnung und Herausforderung der kommenden Jahre. So lassen sich der Verkehr zu Stoßzeiten optimieren und Integrations- sowie Arbeitsfördermaßnahmen sinnvoll vermitteln, Energiesteuerung in Städten effizienter gestalten und Polizeiarbeit vorausschauend planen. Fest steht: Die aktuelle Situation im Umgang mit offenen Daten in Europa hat sich verbessert. 81 Prozent der europäischen Länder verfolgen eine ausgewiesene Open-Data-Politik und klare Strategien, um die Wahrnehmung und Verbreitung von Open Data zu erhöhen, so das Ergebnis der Studie zur Open-Data-Reife in Europa. Die Studie misst zum einen die Open-Data-Bereitschaft, die den Entwicklungsstand und die Förderung nationaler Open-Data-Richtlinien umfasst, sowie den Open-Data-Reifegrad, der die in den nationalen Portalen angebotenen Funktionen beurteilt.
Europa geht voran, Deutschland fällt zurück
Der europaweite Portalreifegrad steigt auf gut 64 Prozent. Indem die Datenportale unterschiedliche Datenformate und Download-Funktionen anbieten, befördern sie zunehmend Datenmengen und verzeichnen eine höhere Nutzerfrequenz. Während Europa insgesamt dynamisch vorangeht, ist Deutschland in die Gruppe der Follower neben Dänemark und Italien zurückgefallen. Hemmnisse sind unklare und uneinheitliche Regelungen der Nutzungsbedingungen und Lizenzen für Open Data – selbst wenn sie in der Praxis selten entscheidend sind. Die Europäische Kommission mahnt weiterhin die Aktualisierung Deutschlands nationaler Strategie an. Ebenso wie beim E-Government ist die föderale Koordination eine Herausforderung. So bestehen neben dem Portal www.govdata.de nach wie vor regionale Portale, die nicht integriert sind.
Mit dem geplanten Open-Data-Gesetz und dem Beitritt zur Open Government Partnership erfährt das Thema auch deutschlandweit mehr Unterstützung. Während andere europäische Mitgliedstaaten den Umgang mit Open Data von oben initiieren, ist dieser in Deutschland von unten gewachsen. So diskutieren Bürger auf Veranstaltungen wie beispielsweise dem #NRW-hackathon die Vor- und Nachteile öffentlich verfügbarer Daten. Dieses Potenzial kann zur Entwicklung von auf Open Data basierenden Diensten genutzt werden.
E-Government wird Chefsache
Für E-Government und Open Data gilt: Trotz der Erfolge der vergangenen Jahre besteht weiterhin Handlungsbedarf. Deutschland hat lange über die Digitalisierung diskutiert und rechtliche wie technische Grundlagen gelegt. Relevante Erkenntnisse und daraus resultierende Konzepte liegen seit Langem vor, wurden aber mangels finanzieller und personeller Ressourcen oder wegen der Zersplitterung von Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern blockiert. Die großen Branchentreffen der vergangenen Monate wie der Nationale IT-Gipfel zeigen: Die Politik hat die Zeichen der Zeit verstanden, das Thema E-Government wird zunehmend zur Chefsache. Haushälter stellen die nötigen Mittel heute zeitlich eher zur Verfügung als noch vor einigen Jahren, und der Wille zur Kooperation nimmt auf allen Ebenen zu. Die Koordination isolierter Initiativen zu einer vernetzten Digitalisierung der Verwaltung für den weiteren Fortschritt bei E-Government und Open Data ist entscheidend, um im nächsten europäischen Vergleich zur europäischen Spitzengruppe aufzuschließen.
Dieser Beitrag ist in der Januar-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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