Donnerstag, 5. Dezember 2024

Kfz-WesenFotografieren und Hochladen

[02.03.2022] Binnen elf Jahren müssen alle Fahrerlaubnisse durch ein einheitliches EU-Dokument im Scheckkartenformat ersetzt werden. Jetzt starten die ersten digitalen Antragsprozesse – leider nicht vollständig.
Alte Führerscheine sind in den kommenden Jahren umzutauschen. In einem OZG-Digitallabor wird an einer elektronischen Lösung hierfür gearbeitet.

Alte Führerscheine sind in den kommenden Jahren umzutauschen. In einem OZG-Digitallabor wird an einer elektronischen Lösung hierfür gearbeitet.

(Bildquelle: corinnal/123rf.com)

Die Europäische Union hat einen obligatorischen Umtausch von Führerscheindokumenten veranlasst mit dem Ziel, bis spätestens 2033 europaweit eine einheitliche Fahrerlaubnis im Scheckkartenformat zu etablieren. Dass ein Führerschein in Deutschland ewig gültig war und noch viele „graue Lappen“ mit prähistorischen Fotos im Umlauf sind, ist ohnehin verwunderlich. In Deutschland geht es um 43 Millionen Ausweisdokumente, die gestaffelt nach Lebensalter und Datum der Fahrprüfung ausgetauscht werden sollen. Kurios: Alle vor 1953 Geborenen müssen erst bis zum 19. Januar 2033 in Aktion treten – weil, so heißt es in der Verordnung, „nicht sicher ist, ob sie nach dem Stichtag von ihrer Fahrerlaubnis Gebrauch machen möchten“. Die Jahrgänge 1953 bis 1958 waren am 19. Januar dieses Jahres fällig.
Angesichts der hohen Fallzahlen haben Automobilverbände und Medien für Wirbel gesorgt. „Behörden ächzen unter Mehrbelastung“, lauten die Schlagzeilen, die Verbände reden von „Zwangsumtausch“. Rechnet man allerdings die 43 Millionen Dokumente auf 11.000 Kommunen und elf Jahre herunter, kommt ein Fall pro Tag je Kommune heraus. Wegen der auf 15 Jahre befristeten Gültigkeit des neuen EU-Führerscheins dürfen sich die Ausstellungsbehörden künftig sowieso auf einen festen Turnus einstellen. Da kommt es zupass, dass Deutschland mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) gerade im Digitalisierungsfieber ist und der Führerscheinerstantrag als eine von wenigen realisierten digitalen Leistungen bereits vorliegt. Die EU-Aktion wurde zum OZG-Projekt.

Nicht jeder setzt auf den EfA-Dienst

Infolgedessen ist ein Digitalisierungslabor für den Führerschein­umtausch eingerichtet worden, für das Hessen und das Bundesverkehrsministerium verantwortlich zeichnen. „Hessen ist beim OZG für das Themenfeld Mobilität und Reisen verantwortlich, zur Leistung ‚Führerschein‘ gehören sowohl der Führerscheinerstantrag als auch der Führerscheinumtausch“, erklärt Katja Kümmel, Referatsleiterin Digitalisierung im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. „Die Antragstrecken werden allen interessierten Bundesländern nach dem Einer-für-Alle-Prinzip (EfA) zur Nachnutzung zur Verfügung gestellt. Ohne diese Struktur hätten Kommunen und auch die Landesministerien beim Führerscheinumtausch vermutlich eher Eigenlösungen entwickelt.“
Das allerdings ist bereits passiert. Nordrhein-Westfalen und Bayern sitzen an eigenen Prozessen. Beim Dachverband kommunaler IT-Dienstleister in NRW (KDN) ist eine auf dem Formular-Management-System von Form-Solutions basierte Lösung entwickelt worden, die im Februar in der Stadt Leverkusen als Pilotkommune getestet wurde und ab März zur Verfügung stehen soll. „Für unsere Kommunen ist wichtig, dass gerade in Zeiten von Corona weniger Menschen aufs Amt kommen und durch Digitalisierung profitieren. Wir haben uns deshalb schon frühzeitig auf den Weg gemacht, eine technisch einfache und schnell einzuführende Lösung bereitzustellen“, erklärt Wiebke Borchert, OZG-Projektkoordinatorin beim KDN. Auch die bayerische AKDB setzt auf eine „unkomplizierte Online-Lösung, die unabhängig vom eingesetzten Fachverfahren in jede Website integrierbar ist“ und „ab Frühjahr 2022“ verfügbar sein soll. Beide Lösungen verstehen sich als zusätzliche Alternativen zum OZG- und EfA-Dienst.

Manuelle Nachbearbeitung in Grenzen halten

Die EU-Führerscheinrichtlinie geht auf das Jahr 2006 zurück und wurde 2019 vom deutschen Bundesrat beschlossen. Im Juli 2021 ist dann das OZG-Digitallabor gestartet, das bis Dezember an einer Online-Lösung gearbeitet hat. „Am Digitallabor teilgenommen haben ausgewählte Bürgerinnen und Bürger, Vertreter des Kraftfahrt-Bundesamts, der Bundesdruckerei sowie Fachministerien, auch IT-Experten und Juristen. Wir haben dabei den Blick auf die Verbesserung des Antrags gelegt“, sagt Moritz Junginger, Referent für Digitalisierung im hessischen Wirtschaftsministerium. In den vier Monaten sind die Klickprototypen immer weiter verfeinert und an die Anforderungen angepasst worden. Der Antragsprozess sieht die Eingabe von Personendaten vor, zeigt Beispiele der verschiedenen vorhandenen Führerschein-Varianten und ermöglicht das Hochladen eines Fotos und der Unterschrift. „Eine grundsätzliche Anforderung war, auch zu überlegen, wie eine Schnittstelle in die Fachverfahren aussieht, die am Ende die Bearbeitung in den Erlaubnisbehörden erleichtert“, ergänzt Tilman Daiger von Gleichen, Manager beim Unternehmen PD – Berater der öffentlichen Hand. Es sollen strukturierte Daten nach dem XMELD-Standard an die Fachverfahren übergeben werden, um eine manuelle Nachbearbeitung möglichst in Grenzen zu halten.
Verdächtig analog klingt allerdings die so genannte Karteikartenabschrift, die immer dann erforderlich wird, wenn der Führerschein in einem Landkreis ausgestellt wurde, in dem der Halter nicht mehr wohnt. Oder wenn der Schein vor dem Jahr 2013 ausgestellt wurde und die Daten noch nicht zentral beim Kraftfahrt-Bundesamt vorliegen. Dann muss bei der ursprünglichen Ausstellungsbehörde eine Abschrift besorgt werden, was nicht den Antragstellern aufgebürdet wird, sondern einen verwaltungsinternen Mehraufwand bedeutet. Ein weiterer Medienbruch findet statt, weil der neue EU-Führerschein persönlich abgeholt und der alte zur Entwertung mitgebracht beziehungsweise in einem mehrstufigen Postverfahren hin- und hergeschickt werden muss.

Echte Digitallösung noch in weiter Ferne

Von einer echten Digitallösung ist man sowohl beim Digitallabor als auch bei den Alternativlösungen leider noch weit entfernt. Insofern zeigt das Thema Führerscheinumtausch einmal mehr den Stand und Zustand der Digitalisierung in Deutschland – die späte technische Umsetzung und die immer noch fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen, die einen automatisierten Prozess ermöglichen würden. „Die Registermodernisierung wird in den nächsten Jahren ein sehr großes Thema werden“, sagt Katja Kümmel. „Bezugnehmend auf den digitalen Führerscheinerstantrag soll in den nächsten Jahren ein automatisierter Abruf von Lichtbild und Unterschrift aus dem Pass- und Personalausweisregister technisch realisiert werden. Die diesbezüglich notwendige Gesetzesänderung wurde bereits veranlasst. Bei den OZG-Erstprodukten ist – mangels Umsetzung des Registermodernisierungsgesetzes – noch keine automatische Registerabfrage vorgesehen.“
Die Hoffnung besteht also, dass Ausstellungsbehörden einmal auf die entsprechenden Fachregister zugreifen dürfen, sodass der gesamte Antragsprozess sich verschlanken und beschleunigen könnte. Dann müssten Antragsteller auch nicht mehr ihren Personalausweis abfotografieren und hochladen, was zurzeit zum Abgleich der Fotos notwendig ist. Denn eigentlich liegen den Behörden alle Informationen und Daten schon vor.

Helmut Merschmann




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Fachverfahren
Ein Kind spielt mit Bauklötzen auf dem Boden.
bericht

Kitalösungen: Freiräume geschaffen

[29.11.2024] Die Stadt Nürnberg arbeitet seit rund einem Jahr mit dem Fachverfahren adebisKITA. Über Schnittstellen zum Kitaportal und zur Software SAP HCM können insbesondere die Kita­leitungen entlastet werden; und das manuelle Erfassen von Daten ist obsolet geworden. mehr...

Illustration: Drei Personen sitzen auf Stühlen wartend vor einer mutmaßlichen Bürotür.

Schwerin: Wohnsitz online anmelden möglich

[29.11.2024] In Schwerin können Bürgerinnen und Bürger ihren Wohnsitz ab sofort digital anmelden. Mit der Elektronischen Wohnsitzanmeldung (eWA) entfällt der Behördengang. Der Service wurde nach dem EfA-Prinzip entwickelt und wird von immer mehr Kommunen nachgenutzt. mehr...

ITEBO: Virtuelles Bauamt rege genutzt

[28.11.2024] Mehr als 250.000 elektronische Baugenehmigungen sind in den vergangenen Jahren über das virtuelle Bauamt ITeBAU von Anbieter ITEBO abgewickelt worden. In diesem Jahr wurde die Integration der Standards XBau 2.3.1 und XTA2 für die Bauaufsichtsbehörden umgesetzt. mehr...

Kreis Saarlouis: Minister informiert sich über digitalen Bauantrag

[27.11.2024] Im Saarland ist der Digitale Bauantrag Anfang Juli in den Silent-Go-live-Betrieb gestartet. Nun hat sich Digitalminister Jürgen Barke im pilotierenden Landkreis Saarlouis über den Projektfortschritt informiert. mehr...

Gruppenfoto das (v.l.) Bürgermeister Tobias Handtke, Miriam Rathmann, Tim Beckmann, Stefan Pahmeier (per Videokonferenz auf einem Bildschirm zugeschaltet), Steffen Matthees, Jan Behrenbruch und Partho Banerjea zeigt.
bericht

Neu Wulmstorf: Kundenorientiertes Meldewesen

[22.11.2024] Um den Bürgerservice im Meldewesen kundenorientierter zu gestalten, setzt Neu Wulmstorf eine Software zur Terminverwaltung, -buchung und Besucherlenkung ein. Ein per Schnittstelle integriertes Selbsterfassungssystem für Passfoto und Unterschrift steht ebenfalls zur Verfügung. mehr...

Foto von Philipp Martin und Juliane Schmeling vom Fraunhofer FOKUS sowie Nadja Scholz und Marie-Theres Mayer bei der Präsentation von SoFinData.

Berlin: SoFinData im Probe-Echtbetrieb

[18.11.2024] Mit SoFinData steht in Berlin eine neuartige landesweite Planungs- und Steuerungsgrundlage für die Sozial- und Finanzplanung zur Verfügung. Die vorrangig auf Open-Source-Lösungen basierende Plattform ist seit November im Probe-Echtbetrieb. mehr...

Ein deutscher Reisepass, das deutsche Grundgesetzbuch und eine Deutschlandflagge liegen auf einer marmorierten Unterlage.

Essen: Einbürgerungsbehörde startet E-Verfahren

[14.11.2024] Die Einbürgerungsbehörde der Stadtverwaltung Essen stellt auf ein digitalisiertes Antragsverfahren um. Das Verfahren soll so von bislang 1,5 Jahren auf vier Monate verkürzt werden. mehr...

NRW: Die digitale Baugenehmigung startet

[13.11.2024] Die Stadt und der Kreis Borken sowie der Märkische Kreis haben jetzt gemeinsam mit dem Unternehmen Prosoz Herten den vollständig digitalen Baugenehmigungsprozess eingeführt. Das neue System soll den Weg für eine landesweite Digitalisierung im Bauwesen in Nordrhein-Westfalen ebnen. mehr...

v.l.: Peter Nonn, techn. Projektleiter ekom21; Benjamin Müller, Produktverantwortlicher ekom21; Simon Sauerbier, Projektverantwortlicher ekom21; Staatsminister Kaweh Mansoori; Lukas Wirz, HMWVW; Dennis Miller, Geschäftsfeldleiter Bauen und Umwelt Prosoz

Rheingau-Taunus-Kreis: Pilot für digitale Baugenehmigung

[07.11.2024] Nach erfolgreicher Testphase bietet der Rheingau-Taunus-Kreis nun als Pilotkommune den digitalen Bauantrag über das Bauportal Hessen an. Das digitale Verfahren soll zum Standard im Land werden. mehr...

Vier lachende Personen stehen nebeneinander auf einer Kopfsteinpflasterfläche und zerreißen Formulare.

Baindt: Digitaler Gewerbesteuerbescheid kommt

[06.11.2024] Die Gemeinde Baindt übermittelt als erste Kommune in Baden-Württemberg digitale Gewerbesteuerbescheide. Der neue Prozess spart Zeit und Kosten für Verwaltung und Unternehmen und markiert einen Fortschritt in der OZG-Umsetzung. mehr...

Bräutigam steckt der Braut den Ehering an den Finger.

Nürnberg: Digital vorbereiten mit dem Traukalender

[06.11.2024] Ein digitaler Traukalender unterstützt in der Stadt Nürnberg jetzt bei wichtigen Schritten rund um das Thema Heiraten. Begleitet wird der Service von einem Video, mehreren Onlinediensten und einem neuen Internetauftritt. mehr...

Herdecke: Kitaportal im Eilverfahren realisiert

[06.11.2024] Die Stadt Herdecke setzt auf ein modernes Kitaportal von Anbieter Nolis und hat dieses im Eiltempo realisiert: Zwischen Beauftragung und Freischaltung lagen nur acht Wochen. mehr...

Kreis Heilbronn/Karlsruhe: Bauanträge bald nur noch digital

[01.11.2024] Bauanträge können beim Landratsamt Heilbronn ab dem kommenden Jahr nur noch in digitaler Form eingereicht werden. Auch die Stadt Karlsruhe stellt ab Januar auf den digitalen Bauantrag um mehr...

Fachveranstaltung: Ende-zu-Ende-Digitalisierung in der Praxis

[31.10.2024] Am 19. November 2024 stellen das Innenministerium Baden-Württemberg und die Sächsische Staatskanzlei auf der Fachveranstaltung „Vom OZG-Hub bis ins Fachverfahren – Ende-zu-Ende-Digitalisierung in der Praxis“ in Berlin neue Praxislösungen für die vollständige Digitalisierung kommunaler Antragsprozesse vor. mehr...

Draufsicht auf einen Laptop, den sich eine auf einem Sofa sitzende Person auf die Oberschenkel gestellt hat. Man sieht die Hände der Person, die etwas eintippt.

Bayern: eWA-Pilotprojekt abgeschlossen

[29.10.2024] Erfolgreich haben München, Nürnberg und Augsburg die elektronische Wohnsitzanmeldung (eWA) für Bayern pilotiert. Das Verfahren wird nun flächendeckend im Freistaat eingeführt. mehr...