Kfz-WesenFotografieren und Hochladen
Die Europäische Union hat einen obligatorischen Umtausch von Führerscheindokumenten veranlasst mit dem Ziel, bis spätestens 2033 europaweit eine einheitliche Fahrerlaubnis im Scheckkartenformat zu etablieren. Dass ein Führerschein in Deutschland ewig gültig war und noch viele „graue Lappen“ mit prähistorischen Fotos im Umlauf sind, ist ohnehin verwunderlich. In Deutschland geht es um 43 Millionen Ausweisdokumente, die gestaffelt nach Lebensalter und Datum der Fahrprüfung ausgetauscht werden sollen. Kurios: Alle vor 1953 Geborenen müssen erst bis zum 19. Januar 2033 in Aktion treten – weil, so heißt es in der Verordnung, „nicht sicher ist, ob sie nach dem Stichtag von ihrer Fahrerlaubnis Gebrauch machen möchten“. Die Jahrgänge 1953 bis 1958 waren am 19. Januar dieses Jahres fällig.
Angesichts der hohen Fallzahlen haben Automobilverbände und Medien für Wirbel gesorgt. „Behörden ächzen unter Mehrbelastung“, lauten die Schlagzeilen, die Verbände reden von „Zwangsumtausch“. Rechnet man allerdings die 43 Millionen Dokumente auf 11.000 Kommunen und elf Jahre herunter, kommt ein Fall pro Tag je Kommune heraus. Wegen der auf 15 Jahre befristeten Gültigkeit des neuen EU-Führerscheins dürfen sich die Ausstellungsbehörden künftig sowieso auf einen festen Turnus einstellen. Da kommt es zupass, dass Deutschland mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) gerade im Digitalisierungsfieber ist und der Führerscheinerstantrag als eine von wenigen realisierten digitalen Leistungen bereits vorliegt. Die EU-Aktion wurde zum OZG-Projekt.
Nicht jeder setzt auf den EfA-Dienst
Infolgedessen ist ein Digitalisierungslabor für den Führerscheinumtausch eingerichtet worden, für das Hessen und das Bundesverkehrsministerium verantwortlich zeichnen. „Hessen ist beim OZG für das Themenfeld Mobilität und Reisen verantwortlich, zur Leistung ‚Führerschein‘ gehören sowohl der Führerscheinerstantrag als auch der Führerscheinumtausch“, erklärt Katja Kümmel, Referatsleiterin Digitalisierung im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. „Die Antragstrecken werden allen interessierten Bundesländern nach dem Einer-für-Alle-Prinzip (EfA) zur Nachnutzung zur Verfügung gestellt. Ohne diese Struktur hätten Kommunen und auch die Landesministerien beim Führerscheinumtausch vermutlich eher Eigenlösungen entwickelt.“
Das allerdings ist bereits passiert. Nordrhein-Westfalen und Bayern sitzen an eigenen Prozessen. Beim Dachverband kommunaler IT-Dienstleister in NRW (KDN) ist eine auf dem Formular-Management-System von Form-Solutions basierte Lösung entwickelt worden, die im Februar in der Stadt Leverkusen als Pilotkommune getestet wurde und ab März zur Verfügung stehen soll. „Für unsere Kommunen ist wichtig, dass gerade in Zeiten von Corona weniger Menschen aufs Amt kommen und durch Digitalisierung profitieren. Wir haben uns deshalb schon frühzeitig auf den Weg gemacht, eine technisch einfache und schnell einzuführende Lösung bereitzustellen“, erklärt Wiebke Borchert, OZG-Projektkoordinatorin beim KDN. Auch die bayerische AKDB setzt auf eine „unkomplizierte Online-Lösung, die unabhängig vom eingesetzten Fachverfahren in jede Website integrierbar ist“ und „ab Frühjahr 2022“ verfügbar sein soll. Beide Lösungen verstehen sich als zusätzliche Alternativen zum OZG- und EfA-Dienst.
Manuelle Nachbearbeitung in Grenzen halten
Die EU-Führerscheinrichtlinie geht auf das Jahr 2006 zurück und wurde 2019 vom deutschen Bundesrat beschlossen. Im Juli 2021 ist dann das OZG-Digitallabor gestartet, das bis Dezember an einer Online-Lösung gearbeitet hat. „Am Digitallabor teilgenommen haben ausgewählte Bürgerinnen und Bürger, Vertreter des Kraftfahrt-Bundesamts, der Bundesdruckerei sowie Fachministerien, auch IT-Experten und Juristen. Wir haben dabei den Blick auf die Verbesserung des Antrags gelegt“, sagt Moritz Junginger, Referent für Digitalisierung im hessischen Wirtschaftsministerium. In den vier Monaten sind die Klickprototypen immer weiter verfeinert und an die Anforderungen angepasst worden. Der Antragsprozess sieht die Eingabe von Personendaten vor, zeigt Beispiele der verschiedenen vorhandenen Führerschein-Varianten und ermöglicht das Hochladen eines Fotos und der Unterschrift. „Eine grundsätzliche Anforderung war, auch zu überlegen, wie eine Schnittstelle in die Fachverfahren aussieht, die am Ende die Bearbeitung in den Erlaubnisbehörden erleichtert“, ergänzt Tilman Daiger von Gleichen, Manager beim Unternehmen PD – Berater der öffentlichen Hand. Es sollen strukturierte Daten nach dem XMELD-Standard an die Fachverfahren übergeben werden, um eine manuelle Nachbearbeitung möglichst in Grenzen zu halten.
Verdächtig analog klingt allerdings die so genannte Karteikartenabschrift, die immer dann erforderlich wird, wenn der Führerschein in einem Landkreis ausgestellt wurde, in dem der Halter nicht mehr wohnt. Oder wenn der Schein vor dem Jahr 2013 ausgestellt wurde und die Daten noch nicht zentral beim Kraftfahrt-Bundesamt vorliegen. Dann muss bei der ursprünglichen Ausstellungsbehörde eine Abschrift besorgt werden, was nicht den Antragstellern aufgebürdet wird, sondern einen verwaltungsinternen Mehraufwand bedeutet. Ein weiterer Medienbruch findet statt, weil der neue EU-Führerschein persönlich abgeholt und der alte zur Entwertung mitgebracht beziehungsweise in einem mehrstufigen Postverfahren hin- und hergeschickt werden muss.
Echte Digitallösung noch in weiter Ferne
Von einer echten Digitallösung ist man sowohl beim Digitallabor als auch bei den Alternativlösungen leider noch weit entfernt. Insofern zeigt das Thema Führerscheinumtausch einmal mehr den Stand und Zustand der Digitalisierung in Deutschland – die späte technische Umsetzung und die immer noch fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen, die einen automatisierten Prozess ermöglichen würden. „Die Registermodernisierung wird in den nächsten Jahren ein sehr großes Thema werden“, sagt Katja Kümmel. „Bezugnehmend auf den digitalen Führerscheinerstantrag soll in den nächsten Jahren ein automatisierter Abruf von Lichtbild und Unterschrift aus dem Pass- und Personalausweisregister technisch realisiert werden. Die diesbezüglich notwendige Gesetzesänderung wurde bereits veranlasst. Bei den OZG-Erstprodukten ist – mangels Umsetzung des Registermodernisierungsgesetzes – noch keine automatische Registerabfrage vorgesehen.“
Die Hoffnung besteht also, dass Ausstellungsbehörden einmal auf die entsprechenden Fachregister zugreifen dürfen, sodass der gesamte Antragsprozess sich verschlanken und beschleunigen könnte. Dann müssten Antragsteller auch nicht mehr ihren Personalausweis abfotografieren und hochladen, was zurzeit zum Abgleich der Fotos notwendig ist. Denn eigentlich liegen den Behörden alle Informationen und Daten schon vor.
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