Sonntag, 23. Februar 2025

Serie GovTech Start-upsFür Entlastung sorgen

[13.05.2024] Für die vielfältigen Aufgabenbereiche in Kommunalverwaltungen entwickeln Start-ups digitale Tools, mit denen die Verwaltungsarbeit leichter von der Hand geht. Damit können Kommunen auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
Start-ups: Digitale Ideen für die Verwaltungsarbeit.

Start-ups: Digitale Ideen für die Verwaltungsarbeit.

(Bildquelle: youriy/stock.adobe.com)

Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist, sagte einst der französische Publizist und Politiker Victor Hugo. Doch manche Ideen zünden erst im zweiten oder dritten Anlauf. Ein Geschäftsmodell an neue Sachlagen und veränderte Marktbedingungen anzupassen, die sich erst im Verlauf der Geschäftstätigkeit zeigen und zuvor nicht richtig wahrgenommen wurden, gilt als eine der Stärken von Start-up-Unternehmen. Die Jungfirmen stellen damit ihre Flexibilität und Agilität unter Beweis – die Fähigkeit, auf veränderte Bedarfslagen schnell reagieren zu können. So ist es GovRadar ergangen, einem auf öffentliche Beschaffung spezialisierten GovTech aus München. Das Unternehmen hat sich vor vier Jahren mit dem Anspruch gegründet, ein „Check24 für den öffentlichen Sektor“ zu werden.
„Die Geschäftsidee ist durch die Beobachtung entstanden, dass Beschaffung im gesamten öffentlichen Sektor, aber vor allem in der kommunalen Welt eine große Herausforderung darstellt“, verrät Gründer Sascha Soyk. „Beschaffung ist ein großer wirksamer Hebel, um die Handlungsfähigkeit der Verwaltung sicherzustellen – sie trägt dazu bei, dass unser Staat funktioniert. Hinzu kommt, dass viele Kommunen mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen haben. Ihnen fehlen ganz einfach qualifizierte Mitarbeitende, die sie in der Beschaffung einsetzen können.“

Einfacher ausschreiben

30.000 Vergabestellen gibt es in Deutschland, die Hälfte davon auf kommunaler Ebene. Dort annoncieren Kommunen ihren Bedarf an Gütern und Leistungen – jede für sich und meist ohne Kontakt zu anderen. GovRadar unterstützt sie bei der Erstellung von Ausschreibungsunterlagen, die den komplexen Vergaberechtsnormen unterliegen. Von der Idee, einen Katalog mit Millionen von Referenzprodukten zu führen, von Bleistiften über Dämmmaterialien bis hin zum Feuerwehrauto, ist das Unternehmen wieder abgerückt. „Wir haben uns mit GovRadar auf Leistungsbeschreibungen spezialisiert, die unsere Software automatisiert generiert. Wir ermöglichen gutes Wissensmanagement für Kommunen, indem wir auf vorhandenes Wissen der gesamten deutschen Beschaffungscommunity zurückgreifen. So muss nicht jede Kommune mit einer Ausschreibung bei anfangen“, sagt Sascha Soyk.
Im Oktober 2021 ging die Plattform an den Start. Zu den ersten Kunden zählten die Stadt Biberach, der IT-Verbund Stormarn und das Straßen- und Verkehrsmanagement Hessen Mobil. Inzwischen haben etwa 200 Institutionen, darunter Kommunen, Ministerien und Universitäten, von den Angeboten des Münchner GovTech-Unternehmens Gebrauch gemacht. Die Jahreslizenzen erlauben die Recherche und automatisierte Generierung von Leistungsbeschreibungen. Inzwischen wird auch Künstliche Intelligenz eingesetzt. Das KI-Tool wird mit zuverlässigen Qualitätsdaten aus öffentlichen Ausschreibungen trainiert und garantiert so Vergaberechtskonformität. Auf diese Weise lassen sich viel Zeit und personelle Ressourcen einsparen.

Baukasten für individuelle Formulare

Dem grassierenden Fachkräftemangel zu begegnen, ist vielleicht die größte Motivation und zugleich die beste Begründung für die Digitalisierung. Einer McKinsey-Studie zufolge sollen bis zum Jahr 2030 rund 840.000 Fachkräfte im öffentlichen Sektor fehlen. Zumindest die Start-up-Szene rüttelt dieses Szenario auf. Die Newcomer-Firmen unterstützen Kommunen mit nützlichen digitalen Tools bei der Verwaltungsarbeit. Sehr grundsätzlich geht ein Berliner Start-up diese Aufgabe an, indem es Hilfestellung bei der obersten Digitalisierungsmaßgabe anbietet: der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes. Die OZG Forms & Solutions GmbH (OZG FS) hat sich im April 2022 gegründet, als abzusehen war, dass die Ziele des OZG nicht erreicht werden können. Im Januar 2024 ist das Angebot online gegangen, das aus standardisierten Online-Anträgen als Software-as-a-Service (SaaS) besteht.
Gedacht ist es für Kommunen, die ihren Bürgern digitale Angebote für die wichtigsten Verwaltungsverfahren anbieten wollen und nicht länger auf Einer-für-Alle-Lösungen aus der Staatsmanufaktur warten möchten. „Unser Angebot richtet sich insbesondere an kleinere Kommunen ohne großes technisches Know-how“, sagt Co-Gründer Arthur Dell. „Mithilfe unseres Baukastens können individuelle Formulare, egal wie komplex sie sind, innerhalb eines Tages erstellt werden. Wenn es noch schneller gehen soll, nimmt man einfach eines unserer fertigen OZG-Standardformulare.“ So umfasst etwa das Starter-Paket Antragsformulare für 17 Leika-Leistungen darunter Bewohnerparkausweis, Geburtsurkunde, Hundesteuer, Parkausweis für Schwerbehinderte und Seniorenpass.

Integrationsplattform und Serious Games

Einfach und ohne IT-Fachkenntnisse in jeder Kommune einsetzbar ist auch Integreat. Die „Integrationsplattform für Zugewanderte“ wurde von der gemeinnützigen Tür-an-Tür-Digitalfabrik aus Augsburg entwickelt, die sich vor acht Jahren gegründet hat. In über 100 Städten und Landkreisen ist die Plattform mittlerweile implementiert. Sie ist ein echtes Kollaborationsprojekt, zudem barrierefrei und beruht auf Open Source Software. Kommunen können passgenaue Informationen zu Sprachkursen, Wohn- und Einkaufsmöglichkeiten für Geflüchtete in mehreren Sprachen anbieten, Veranstaltungen und Termine ankündigen oder Informationen für Fachkräfte bereitstellen.
Zum Aufgabenspektrum einer Verwaltung gehören auch Weiterbildung und Schulungsmaßnahmen für die eigenen Mitarbeitenden. Das Düsseldorfer Start-up Talent:Digital setzt dafür auf Edutainment und hat so genannte Serious Games entwickelt – Computerspiele, die seriöse Inhalte vermitteln. Spielerisch werden die Teilnehmer beispielsweise zu Themen wie IT-Sicherheit, Cloud-Nutzung und Kollaboration geschult. Grundlage sind Simulationen von Realszenarien, etwa die Ablage von Dokumenten in der Cloud und deren Freigabe zum kollaborativen Arbeiten mit Kollegen. Ein anderes Schulungsprogramm unterweist die Mitarbeiter von Jobcentern in neueste gesetzliche Anforderungen rund um den Kooperationsplan. Es dient als Weiterqualifizierung von Integrationsfachkräften und Fall-Manager.

System für hybrides Arbeiten

Auch das Start-up ivicos aus Frankfurt am Main ist im Bereich Bildung tätig und hat mit „Campus“ ein System für hybrides Arbeiten geschaffen. Die Campus-Plattform kann nicht nur von einzelnen Teams, sondern von der ganzen Organisation genutzt werden. Die Idee dahinter, die vielleicht eher Unternehmen als Behörden betrifft, ist, einen digitalen Ort für Kreativität, Kollaboration und Zusammenkunft unter den Bedingungen des hybriden Arbeitens zu schaffen. Dort sollen sich sowohl die Mitarbeitenden im Büro als auch die Homeworker zusammen mit Kunden, Lieferanten oder Beratern treffen. Auf den öffentlichen Sektor bezogen, können in Campus aber auch beispielsweise Servicedesks für Bürger und Onboarding-Programme für neue Kollegen eingerichtet werden.

Helmut Merschmann

Serie GovTech Start-ups, Teil 1: Kommunikationstools, Teil 2: Tools fürs Klima, Teil 3: Verwaltungstools, Teil 4: Software-Lösungen, Teil 5: Gebäude-Management, Teil 6: KI-Lösungen



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Panorama

OSBA: Beschaffung von Open Source Software

[17.02.2025] Bei öffentlichen Ausschreibungen zählt meist der niedrigste Preis. Im Fall von Open Source Software ist dies oftmals zum Schaden des Auftraggebers: Sicherheits- und Wartungsprobleme drohen, wenn Anbieter zu knapp kalkulieren. Die OSBA hat ein Paper zur nachhaltig erfolgreichen Beschaffung veröffentlicht. mehr...

Bayern: Effektiver digitaler Grundstücksverkehr

[14.02.2025] In Bayern werden notarielle Urkunden und Vermessungsdokumente ab sofort digital übermittelt. Das Besondere elektronische Behördenpostfach trägt so dazu bei, den Grundstücksverkehr zu beschleunigen. Es soll künftig auch in weiteren Kommunen und Verfahren eingesetzt werden. mehr...

Balkendiagramm zeigt die Nutzung von E-Government-Diensten in den Jahren 2019-2024. 2018 klag der wert bei 48%, seitem pendeln die Zahlen um 50-55 %.

Cisco Digital Kompass 2025: Bei der Digitalisierung zu langsam

[11.02.2025] Cisco hat eine neue Untersuchung zur Digitalisierung in Deutschland vorgelegt. Demnach gibt es Fortschritte beim Glasfaserausbau und Online-Banking, doch KI und Cybersicherheit bleiben Problemfelder. Besonders die digitale Verwaltung stagniert seit dem Aufwind durch Corona. mehr...

Sachsen-Anhalt: Ideen für digitale Verwaltung gesucht

[11.02.2025] Das Land Sachsen-Anhalt sucht erneut innovative Ideen für die digitale Verwaltung. Gefragt sind digitale Konzepte und Modelle für die vielfältigen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Bewerbungen sind bis 14. März möglich. mehr...

Detailansicht des Hinterrads eines Fahrrads von schräg hinten.

Lübeck: Fundsachen werden online versteigert

[07.02.2025] Fundsachen, die nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist nicht abgeholt wurden, wird die Hansestadt Lübeck ab sofort online versteigern. mehr...

Eine größere Personengruppe mit vornehmlich dunkel gekleideten, jungen Menschen steht in Fotopose auf einer modernen Treppe.

Ulm: Digitaler Portier im Rathaus

[06.02.2025] Ein digitaler Portier soll künftig im Ulmer Rathaus als erste Anlaufstelle für Anliegen bei der Stadtverwaltung dienen – etwa für Termine oder Auskünfte. Entwickelt wurde das Tool von Fachleuten der städtischen Abteilung Interne Dienste und Studierenden der Technischen Hochschule Ulm. mehr...

Ein Mann tippt über seiner Laptoptastatur schwebende E-Mail-Icons an.
bericht

Leipzig: Erfolgsfaktor Kommunikation

[31.01.2025] Die Leipziger Stadtverwaltung hat ihr E-Mail-System von Lotus Notes auf Microsoft Exchange umgestellt und eine zentrale E-Mail-Archivierung eingeführt. Eine transparente Kommunikation hat das Gelingen des umfassenden Projekts gesichert. mehr...

Materna Virtual Solution: So verändert sich das mobile Arbeiten

[31.01.2025] Mit zunehmender technischer Entwicklung verlagert sich die Arbeit verstärkt auf mobile Geräte. Materna Virtual Solution identifiziert fünf Trends, die im Jahr 2025 maßgeblich das Arbeiten prägen werden – von KI und Datensouveränität bis hin zu Sicherheitslösungen und Mixed Reality. mehr...

Innenminister Michael Ebling (l.) und der Präsident der Universität Koblenz, Prof. Dr. Stefan Wehner, bei der Übergabe einer Urkunde.

Rheinland-Pfalz: Digitalisierung von Kulturerbe

[29.01.2025] Rheinland-Pfalz fördert die Digitalisierung des kulturellen Erbes: Mit rund 284.000 Euro unterstützt das Land das Projekt KuLaDig RLP bis 2026. Ziel ist es, Kommunen – insbesondere im ländlichen Raum – zu helfen, kulturelle Besonderheiten digital zu erfassen und multimedial aufzubereiten. mehr...

Panoramablick über Berlins Innenstadt, in der Mitte der Fernsehturm, im Hintergrund dramatische Wolken

Berlin: Start-ups und Verwaltung zusammenbringen

[27.01.2025] GovTech-Start-ups können die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung wirksam unterstützen. Die Berliner Senatswirtschaftsverwaltung will dieses Potenzial noch besser nutzen und hat jetzt einen Bericht vorgelegt, der zeigt, wie die Zusammenarbeit gelingt. mehr...

Gruppe von neun personen steht in einem gelb gestrichenen Raum, vor sich ein Transparent mit der mehrfarbigen Aufschrift "Digitaltag".

Landkreis Regensburg: Spitze bei Digitalisierung

[22.01.2025] Der Landkreis Regensburg zieht eine positive Bilanz zur bisherigen Verwaltungsdigitalisierung. In vielen Bereichen ist er ein Vorreiter in Bayern. Digitale Dienstleistungen werden stark genutzt, und KI sowie Prozessautomatisierung schaffen Ressourcen für besseren Bürgerservice. mehr...

Screenshot der Parkbest-App, die eine Parkscheibe auf dem Bildschirm eines Smartphones anzeigt. Ein zweiter Smartphonebildschirm zeigt eine Straßenkarte an, in die die aktuelle Position eines Fahrzeugs eingeblendet ist.

Limburg an der Lahn: Digitale Parkscheibe

[16.01.2025] In einem Pilotprojekt testet Limburg an der Lahn die Digitale Parkscheibe des Unternehmens Park Best. Interessierte können die Parkscheibe mit wenigen Klicks in einer App aktivieren, die auch die aktuelle Parksituation vor Ort anzeigt und die Nutzer an die Parkzeit erinnern kann. mehr...

porta westfalica OWL-IT-abschlussbericht_digitalstrategie

Porta Westfalica: Strategisch digital mit OWL-IT

[14.01.2025] Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung ist die Stadt Porta Westfalica gemeinsam mit Dienstleister OWL-IT weitergekommen und hat eine gesamtstädtische Strategie für Digitalisierung und Wissensmanagement erarbeitet. mehr...

Logo des Ko-Pionier-Preises auf dunkelblauem Grund

Ko-Pionier-Preis: Besser nachnutzen

[10.01.2025] Der Ko-Pionier-Preis will die Nachnutzung innovativer Verwaltungslösungen fördern. Verwaltungen, die Lösungen erfolgreich übernommen haben, können sich bis 14. Februar 2025 bewerben. Die Preisverleihung findet im März 2025 im Rahmen des Kongresses Digitaler Staat statt. mehr...

Screenshot, der die drei Webinarteilnehmer zeigt.
bericht

Kommune21 im Gespräch: Mammutprojekt RegMo

[08.01.2025] Im jüngsten Webinar aus der Reihe Kommune21 im Gespräch diskutierten Jasmin Deling, Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie NRW, sowie Hartje Bruns von Governikus die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Registermodernisierung. mehr...