Donnerstag, 5. Dezember 2024

InterviewFür Harmonie sorgen

[11.07.2014] Damit die öffentliche Verwaltung die Potenziale des E-Governments besser ausschöpfen kann, sollte sie in einer harmonisierten IT-Landschaft arbeiten. Welche Rolle dabei SAP spielen kann, erklärt Guido Schlief, Senior Vice President Public Services & Healthcare und Mitglied der Geschäftsleitung.
Guido Schlief ist Senior Vice President Public Services und Member of the Management Board SAP Deutschland.

Guido Schlief ist Senior Vice President Public Services und Member of the Management Board SAP Deutschland.

(Bildquelle: SAP AG / Ingo Cordes)

Herr Schlief, SAP spielt in diesem Jahr in gewisser Weise bei der Fußball Weltmeisterschaft in Brasilien mit. Wird Deutschland nun Weltmeister, weil SAP-Software Bundestrainer Joachim Löw mit Big-Data-Analysen unterstützt?

Natürlich drücken wir alle der Nationalmanschaft die Daumen. Das visuelle Kommunikatonstool, das SAP gemeinsam mit dem DFB entwickelt hat, kann vielleicht zum Erfolg verhelfen, indem es die Spieler-Performance verbessert. Alle Spiele und alle Trainingseinheiten werden für die Lösung mit speziellen Kameras gefilmt. Im Nachgang kann dank der Software jede Aktion jedem Spieler zugeordnet werden. Aus den gesammelten Daten lassen sich beispielsweise bestimmte Sequenzen ausschneiden und den Spielern via App zur Verfügung stellen. Auf dieser Basis kann dann gemeinsam die Taktik und Leistungsfähigkeit der Mannschaft analysiert und durch gezielte Trainingseinheiten verbessert werden.

Können Sie anhand dieses Beispiels erklären, wie die SAP-Big-Data-Technologie funktioniert?

Die Anwendung basiert auf der In-Memory-Datenbank SAP HANA. Sie ermöglicht nicht nur, dass auf die Daten in Echtzeit zugegriffen werden kann. Auf der SAP Hana-Plattform lassen sich auch Software-Anwendungen entwickeln. Neben der DFB-Lösungen, haben wir beispielsweise Lösungen für die Verkehrsleitsteuerung, die personalisierte Medizin oder das Finanz-Management (SAP Smart Financials) realisiert.

Vor gut einem Jahr wurde das E-Government-Gesetz des Bundes verabschiedet. Wie bewerten Sie die Regelungen?

Gesetze sind häufig Treiber für Innovationen. Deshalb begrüßen wir das E-Government-Gesetz. In den vergangenen Jahren sind im öffentlichen Markt in Deutschland nicht alle Potenziale gehoben worden, um in Richtung IT-Modernisierung, -Harmonisierung und -Standardisierung aktiv zu werden. Wir hoffen nun, dass durch das Gesetz Impulse gegeben werden und sich der Investitionsstau zur technologischen Modernisierung beschleunigt.

Der Staat nimmt mehr Geld ein denn je. Wie wirkt sich das auf die Investitionsbereitschaft im IT-Bereich aus?

IT und vor allem die Harmonisierung und Standardisierung tragen dazu bei, dass in bedeutendem Umfang Kosten eingespart und die Prozessqualität verbessert werden. Diese Erkenntnis ist meines Erachtens im öffentlichen Sektor noch nicht so angekommen, wie wir es aus der Industrie seit Jahren kennen.

Wie bringt SAP die öffentliche Verwaltung ins digitale Zeitalter?

Wir bedienen von Kommunen über Landeseinrichtungen bis hin zum Bund alle Segmente im öffentlichen Bereich. Ein großer Trend ist derzeit die IT-Konsolidierung. Im kommunalen Bereich sind häufig unterschiedlichste Lösungen für die selbe Problemstellung im Einsatz. Mir ist ein Rechenzentrum bekannt, das zum Beispiel sieben verschiedene Finanzsysteme, fünf verschiedene Personalwirtschaftssysteme und acht verschiedene Jugendhilfesysteme betreibt. Um die IT-Kostenstruktur einer Kommune zu verbessern, empfiehlt es sich stattdessen für ein Problem nur eine Lösung einzusetzen. Hier will SAP Abhilfe schaffen. Stark im Kommen ist auch die Automatisierung und Digitalisierung der Prozesse, etwa im Bereich Rechnungseingang und Beschaffung. Ebenso sind Lösungsangebote für Self-Services oder die Kommunikation zwischen Kommunen und Bürgern Thema für SAP. Auf der Agenda steht zudem die Modernisierung der Fachverfahren. Sollen dabei die Produkte komplett standardisiert werden, lässt sich das über vorgefertigte SAP-Lösungen verwirklichen. Will der Kunde lieber individuell bleiben, dann treiben wir die Modernisierung über SAP HANA voran.

Welche SAP-Anwendungen tragen besonders dazu bei, mehr Transparenz und Effizienz in die Verwaltungsprozesse zu bringen?

Zunächst einmal muss sich der Transparenzgedanke in den Köpfen der Kunden verankern. Als Marktführer im Bereich von Business-Intelligence(BI)-Lösungen bieten wir im Umfeld Transparenz für die gesamte Bandbreite der Anforderungen und für jede Größenordnung passende Lösungen. Mit Größenordnung meine ich sowohl die Größe der jeweiligen Verwaltung als auch der zu verarbeitenden Datenmengen. Mit Blick auf die Effizienz haben wir mit unserer SAP Business Suite die weltweit führende Anwendungsplattform für betriebswirtschaftliche Prozesse. Darüber hinaus bieten wir Lösungen für Kernprozesse der öffentlichen Hand – so etwa mit SAP Grants Management für das Management von Förderprogrammen. Eine weitere Lösungen ist beispielsweise SAP investigative Case Management – eine Lösung für Polizei- und Ermittlungsbehörden SAP Tax & Revenue Management für Gebühren, Steuern und Einnahmen jeder Art. Außer diesen Anwendungen ermöglichen wir es über unsere Entwicklungsplattform, individuelle Lösungen zu erstellen und dabei auf die Anwendungsbausteine und Entwicklungswerkzeuge von SAP zurückgreifen zu können.

Welche sind derzeit die großen Treiber des Geschäfts mit dem Public Sector?

Kunden aus dem öffentlichen Sektor haben beispielsweise individuell eigenentwickelte Lösungen auf unterschiedlichen technologischen Plattformen im Einsatz. In der Industrie findet man das kaum noch. Wir erwarten, dass der Druck steigt, diese Lösungen zu standardisieren – entweder indem Standardlösungen zum Einsatz kommen oder indem unter der Verwendung der Bausteine von Standardprodukten neue state-of-the-art Lösungen entstehen. Gründe für die Standardisierung und Harmonisierung sind einerseits, dass die Betriebs- und Weiterentwicklungskosten der veralteten Lösungen von Jahr zu Jahr steigen werden. Andererseits werden die Beschäftigten, die diese Lösung entwickelt haben, in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Außerdem möchten junge Beschäftigte mit standardisierten, modernen innovativen Software-Lösungen arbeiten und eine moderne Arbeitsplatzausstattung haben. Mit unserem industriespezifischen Software- und Technologieportfolio können wir unseren Kunden bei ihren Problemstellungen umfassend helfen. Weiterer Treiber sind die Neuausrichtung und Modernisierung von Fachverfahren. Hierfür bieten wir nicht nur eine Reihe von Standardlösungen. Mit SAP HANA haben wir auch eine moderne und offene Entwicklungsplattform im Angebot, worauf sich neue Lösungen entwickeln lassen. Auf die Demografie antworten wir unter anderem mit Lösungen für das Personal-Management, mit der E-Akte oder mit Self-Service-Szenarien. Damit ermöglichen wir es, die Effizienz durch die Automatisierung von Geschäftsprozessen zu steigern.

Um die IT-Kostenstruktur einer Kommune zu verbessern, empfiehlt es sich für ein Problem auch nur eine Lösung einzusetzen.
Welche kommunalen E-Government-Projekte von SAP würden Sie als beispielgebend nennen?

Das erste beispielgebende Projekt war aus meiner Sicht das Rathaus21 der Stadt Hagen. Auch wenn dieses Projekt jetzt schon einige Jahre zurückliegt, war das Konzept prägend für den E-Government-Plattform-Ansatz. Hagen ist es als einer der ersten Kommunen gelungen, aus dem gängigen Online-Dienste-Flickenteppich auszubrechen und alle E-Government-Dienstleistungen über die Plattform SAP NetWeaver bereit zu stellen. Dadurch war der IT-Dienstleister HABIT in der Lage, in Hagen erstmals auf kommunaler Ebene den neuen Personalausweis in die Prozesse einzubinden. Ein zweites beispielgebendes E-Government-Projekt ist das Transformationsvorhaben der Stadt Wolfsburg. Ich spreche absichtlich von Transformationsvorhaben und nicht von einem einzelnen E-Government-Projekt, weil Wolfsburg zu einem frühen Zeitpunkt den Weg zur kundenorientierten Verwaltung eingeschlagen hat und dabei konsequent auf E-Government setzt. So ist es den Wolfsburgern gelungen, basierend auf einer offenen SAP E-Government-Architektur, kontinuierlich neue Projekte umzusetzen – beginnend mit dem Wolfsburgportal, über das Service-Center D115 bis hin zum virtuellen Bauamt

SAP und Microsoft haben kürzlich eine neue Kooperation bei Cloud, Daten und Mobilität angekündigt. Was bedeutet dies für den Public Sector?

Mir ist wichtig zu betonen, dass zwischen beiden Unternehmen eine langjährige Partnerschaft besteht, die für unsere Kunden erhebliche Vorteile und Mehrwerte mit sich bringt. Denken wir beispielsweise an die gemeinsame Entwicklung Duet Enterprise, mit deren Hilfe SAP-Prozesse und Informationen innerhalb von SharePoint genutzt werden können. Oder die SAP eigene Technologiekomponente SAP NetWeaver Gateway for Microsoft. In der öffentlichen Verwaltung sehen wir die Herausforderung darin, die typischerweise in Silos organisierten SAP- und Microsoft-Abteilungen an einen Tisch zu bringen und nutzenstiftende Einsatzszenarien zu identifizieren. Die Partnerschaft zwischen SAP und Microsoft soll nun in drei zentralen Bereichen ausgebaut werden: Erstens im Bereich des Cloud Computing mit der Zertifizierung von Microsoft Azure für SAP-Anwendungen. Zweitens zielt die Vereinbarung auf eine verbesserte Interoperabilität zwischen Daten aus SAP-Anwendungen und Microsoft Office, einschließlich allgemein verfügbarer Konnektivität zwischen BI-Lösungen aus dem SAP-BusinessObjects-Portfolio und der Lösung Power BI von Microsoft. Als dritter Bereich ist die mobile Produktivität mit erweiterter Entwicklung und Support für Windows und Windows Phone 8.1 zu nennen. Vor allem die beiden letztgenannten Punkte dürften für unsere Kunden in der öffentlichen Verwaltung von besonderer Relevanz sein.

SAP setzt stark auf Lösungen aus der Cloud. Welche Angebote und Finanzierungsmerkmale gibt es für Ämter und Behörden?

Unsere Angebote im Cloud-Bereich sind vielfältig und reichen von modernen Lösungen im Personal-Management über die Beschaffung bis hin zu Speziallösungen wie einer Ticketing-Lösung. Als zweite Cloud-Säule setzen wir auf unsere SAP HANA Enterprise Cloud. Hierhin können Kunden sowohl ihre SAP IT-Landschaften migrieren, als auch eigene Lösungen entwickeln. Was SAP besonders macht, ist sicherlich der Hybridansatz: Teile des Prozesses liegen in der Cloud, andere Teile liegen in den SAP-Installationen beim Kunden. Unsere Kunden zahlen eine monatliche Nutzungsgebühr, die alle Leistungsbestandteile umfaßt.

In Zeiten der großen Ausspähskandale wird der Datenschutz für die öffentliche Verwaltung noch wichtiger. Wie schützt SAP die Daten der Bürger?

Als deutsches Unternehmen entwickeln wir unsere Produkte nach den deutschen Datenschutzrichtlinien. Die Frage kann allerdings nicht pauschal beantwortet werden, da die Herausforderung und das Themenfeld komplex sind. Wir kümmern uns um Sicherheit im Betrieb unserer Systeme in unseren eigenen Rechenzentren und damit auch um die Sicherheit unserer Cloud-Lösungen. Diese Expertise stellen wir auch den Kunden zur Verfügung. So entstehen aus unseren Erfahrungen mit ausgewählten Kunden Lösungen im Umfeld der Cyber Security, die den Schutzfaktor deutlich erhöhen. Im zweiten Halbjahr 2014 werden wir eine Lösung auf den Markt bringen, die basierend auf unserer Echtzeitdatenplattform SAP HANA ein optimiertes Management von Angriffen intern wie extern ermöglichen wird.

Interview: Alexander Schaeff/Verena Barth


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