REPORTGemeinsam zum Ziel
Schnelles Internet gilt mittlerweile als ein wichtiger, wenn nicht gar als der Standortfaktor für Kommunen. Gerade ländliche Regionen sind auf den Anschluss zur Datenautobahn dringend angewiesen, um etwa den Auswirkungen des demografischen Wandels begegnen zu können. Oftmals findet sich hier aber kein Telekommunikationsunternehmen bereit, in den Ausbau des Breitband-Netzes zu investieren. Immer mehr Kommunen nehmen dies daher selbst in die Hand – häufig in Kooperation mit anderen Städten und Gemeinden in ihrer Region.
Interkommunales Breitband-Netz im Kreis Bergstraße
So haben sich etwa im südhessischen Kreis Bergstraße zehn Kommunen zusammengeschlossen und lassen ein gemeindeeigenes, flächendeckendes Glasfasernetz erstellen und betreiben. Iniitiert wurde das Projekt „Interkommunales Breitbandnetz IKbit“ im März 2010 von der Wirtschaftsregion Bergstraße / Wirtschaftsförderung Bergstraße (WFB) gemeinsam mit den Bürgermeistern von Abtsteinach, Birkenau, Fürth, Gorxheimertal, Grasellenbach, Heppenheim, Lindenfels, Mörlenbach, Rimbach und Wald-Michelbach (wir berichteten). Durch die Kooperation können die Kommunen Ressourcen bündeln und Kosten sparen, zudem bot sich im Zusammenschluss die Chance, als größere Gebietseinheit auch für einen zukünftigen Betreiber des Netzes interessant zu sein.
Zur Regelung der langfristigen interkommunalen Zusammenarbeit wurde im Dezember 2011 eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung geschlossen. Die Federführung liegt bei der Stadt Fürth, welche zur Abwicklung des Projekts den Eigenbetrieb IKbit gegründet hat. Über die Stadt Fürth haben die beteiligten Kommunen auch einen Kommunalkredit für den Bau des Glasfasernetzes aufgenommen. Die Refinanzierung der Investition soll durch die Verpachtung des Breitband-Netzes an den Betreiber HSE Medianet innerhalb von rund 15 Jahren erreicht werden.
Mit dem Bau wurde im November 2012 in Wald-Michelbach begonnen, bis Oktober dieses Jahres wird das Netz in den ersten Kommunen in Betrieb gehen und bis Ende 2014 komplett fertiggestellt werden. Betriebe und Haushalte der beteiligten Kommunen im Kreis Bergstraße werden dann über Internet-Zugänge mit bis zu 50 MBit pro Sekunde verfügen.
Das Breitband-Projekt IKbit gilt als Modellprojekt des Landes Hessen und wird durch das Wirtschaftsministerium im Rahmen der Initiative „Mehr Breitband für Hessen“ unterstützt. Die Kooperation der zehn Kommunen im Breitband-Projekt IKbit wird zudem aus Mitteln des Landes Hessen für die interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) gefördert. Als eines der ersten Projekte dieser Art in dem Bundesland soll IKbit anderen Kommunen im Hinblick auf die Organisation, die Finanzierung, zu durchlaufende Verfahren und die Erfahrungen bei der Umsetzung von Breitband-Projekten als Vorbild dienen.
Nach Angaben der Wirtschaftsregion Bergstraße / Wirtschaftsförderung Bergstraße (WFB) wird derzeit in sechs weiteren Kommune im Kreisgebiet – Biblis, Bürstadt, Groß-Rohrheim, Lampertheim, Lorsch und Einhausen – eine gemeinsame NGA-Machbarkeitsstudie durchgeführt, welche Optionen für den Breitband-Ausbau aufzeigen soll. Die Ergebnisse sollen noch im Sommer dieses Jahres vorliegen und dann über das weitere Vorgehen entschieden werden.
Südwestfalen schließt weiße Flecken
Im Hochsauerlandkreis, der sich gemeinsam mit den Kreisen Olpe, Siegen-Wittgenstein und Soest sowie dem Märkischen Kreis zur Region Südwestfalen zusammengeschlossen hat, wurde bereits 2007 die Notwendigkeit erkannt, eine kreiseigene Telekommunikationsgesellschaft für den Breitband-Ausbau zu gründen. Den einstimmigen Beschluss hierzu fasste der Kreistag dann schließlich im Februar 2008 – nach intensiver Vorarbeit und externer juristischer und betriebswirtschaftlicher Prüfung. Anfang 2011 trat der Kreis Olpe der Telekommunikationsgesellschaft Südwestfalen (TKG) bei, im Jahr darauf folgten die Kreise Siegen-Wittgenstein und Soest. Seit Januar 2013 beteiligt sich auch der Märkische Kreis als Mitgesellschafter am Vorhaben Breitband-Ausbau. Die TKG befindet sich somit vollständig in öffentlicher Hand.
Grundphilosophie der Gesellschaft ist die Trennung von Infrastruktur und Dienstangebot. Das bedeutet: Die TKG plant und baut die öffentlichen Datenautobahnen in der Region, erbracht werden die Internet-, Telefonie- und Mehrwertdienste aber von privaten Netzbetreibern. Mit einem vergleichsweise kleinen Budget von aktuell sieben Millionen Euro vertraut die TKG vor allem auf die Hebelwirkung bei privaten Investitionen. Die Gesellschaft verfolgt in erster Linie eine Versorgungsabsicht bei langfristiger Kostendeckung. Eine Gewinnerzielung kann nicht vorrangiges Ziel sein, da bewusst in für Telekommunikationsanbieter unwirtschaftliche Regionen investiert wird, die lediglich auf lange Sicht einen Return on Invest erbringen.
Im Vordergrund der Aktivitäten stand zunächst die Schließung der letzten weißen Flecken in der Region Südwestfalen. Dazu wurde das größte zusammenhängende Richtfunknetz der Region errichtet, um auch die abgelegenen Ortschaften und Gewerbegebiete wirtschaftlich und in kurzer Zeit mit schnellem Internet versorgen zu können (wir berichteten). Das Netz hat momentan eine Ausdehnung von 120 Kilometern in Nord-Süd- und 75 Kilometern in Ost-West-Richtung und wächst kontinuierlich weiter. Im Hochsauerlandkreis und im Kreis Olpe ist es so bereits gelungen, seit Ende 2011 eine flächendeckende Versorgung von über 98 Prozent zu erreichen. Eine Verpachtung an private Betreiber sichert die langfristige Refinanzierung und den Betrieb der Netze. Neben dem Netzausbau übernimmt die Telekommunikationsgesellschaft Südwestfalen Aufgaben im Bereich Leerrohr-Management, berät Kommunen bei entsprechenden Bauvorhaben, unterstützt sie bei der technischen Planung und vermittelt zwischen Netzbetreibern und Kommunen. So konnten bereits mehrfach Vorhaben, die zunächst aufgrund hoher Wirtschaftlichkeitslücken als nicht durchführbar galten, schließlich doch realisiert werden.
Konsequenter Technologie-Mix
Beim Ausbau des schnellen Internets in der Region Südwestfalen setzt die kreiseigene Telekommunikationsgesellschaft auf einen konsequenten Technologie-Mix. „Die Frage Funk oder Festnetz stellt sich für uns in der Regel nicht, da die unterschiedlichen Technologien keinen Widerspruch darstellen, sondern einander bedürfen, um eine funktionierende und wirtschaftlich tragfähige Gesamtlösung zu erhalten“, meint TKG-Geschäftsführer Stefan Glusa. „Denn trotz hoher Erwartungen sind mit der Einführung der neuen Mobilfunkgeneration LTE nicht automatisch alle Probleme beseitigt.“ Häufige Hindernisse seien etwa die Anbindung von Gewerbe- und Industriekunden, die Aufteilung vorhandener Bandbreiten auf viele Teilnehmer, stark schwankende, tageszeit- und nutzungsabhängige Verfügbarkeiten und Volumentarife. Stefan Glusa: „Hinzu kommt die oftmals unterschätzte Topografie, die selbst mit Frequenzen um 800 Megahertz bei weitem noch keine Flächendeckung gestattet.“ Ein Ausbau des Glasfasernetzes wiederum werde nur langfristig, solide geplant und schrittweise in ausgewählten Gebieten der Region erfolgen können, da dies in den erforderlichen Größenordnungen nicht alleine aus kommunalen Mitteln, sondern nur mit weiterem Fremdkapital oder zusätzlichen Investoren leistbar sei.
Nordfriesisches Bürgernetz
#bild2 Vor diesem Problem stand auch das südliche Nordfriesland, eine ländliche Region ohne Autobahnanbindung, ohne Universität oder Fachhochschule, ohne nennenswerte Industrie oder größere Unternehmen. Die Wirtschaft ist geprägt durch Tourismus, den Bereich der erneuerbaren Energien, Landwirtschaft sowie klein- und mittelständische Gewerbebetriebe. Auf einer Fläche von über 900 Quadratkilometern leben in rund 27.000 Haushalten nur 52.000 Einwohner. Da kein privater Anbieter Interesse zeigte, die Region an das schnelle Internet anzuschließen – langen Glasfaserstrecken stehen hier relativ wenige Kunden gegenüber, Großkunden sind so gut wie gar nicht vorhanden – und auch dem Staat für eine solche Infrastrukturmaßnahme nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, wurde auf Betreiben der Ämter Eiderstedt, Nordsee-Treene, Viöl sowie der Städte Husum und Tönning die BürgerBreitbandNetzgesellschaft (BBNG) gegründet. „Die Gründung des gemeinsamen Unternehmens ist für die Kommunen die einzige Chance, in einem überschaubaren Zeitraum eine leistungsfähige Telekommunikationsinfrastruktur aufzubauen“, erklärt BBNG-Geschäftsführerin Ute Gabriel-Bucsein. Ohne einen zeitnahen Breitband-Ausbau wäre die Region in Zukunft aber selbst für klein- und mittelständische Unternehmen als Standort ausgeschlossen. Geplant ist, bis zum Jahr 2019 in 59 Gemeinden Glasfaseranschlüsse bis in jedes Haus zu legen. Im März dieses Jahres ist das Ausbauvorhaben mit einem symbolischen Spatenstich in der Pilotkommune Löwenstedt gestartet (wir berichteten).
Zum Nachmachen empfohlen
Das Besondere am Projekt Bürger-Breitband-Netz: Es beruht auf dem Solidarprinzip eines Bürgerbeteiligungsmodells, wie es in Nordfriesland im Bereich Windenergie bereits bestens erprobt ist. Die Bürger beteiligen sich langfristig als Gesellschafter an der BBNG. Der zu zeichnende Mindestanteil beträgt 1.000 Euro – 100 Euro als Kommanditanteil, 900 Euro als Darlehen, das mit mindestens 2,5 Prozent verzinst wird. Mehr als 860 Gesellschafter haben sich dem Bürger-Breitband-Netz mit Stand Juni 2013 bereits angeschlossen. Die Finanzierung des Projekts sei dennoch die größte Hürde für die Realisierung des Glasfasernetzes, so BBNG-Geschäftsführerin Ute Gabriel-Bucsein. Das Investitionsvolumen umfasse immerhin insgesamt 70 Millionen Euro. „Unser Businessplan ist auf 30 Jahre ausgelegt, was für eine Infrastrukturmaßnahme durchaus nicht unüblich ist. Aber erst die lange Zeitspanne macht unser Projekt wirtschaftlich“, so Gabriel-Bucsein. Auf die Beantragung von Fördergeldern werde dennoch ganz bewusst verzichtet: „Nach bisherigen Erfahrungen der Kommunen nimmt jedes Antragsverfahren einen langen Zeitraum in Anspruch, macht komplizierte Ausschreibungsverfahren für die Vergabe jeder Leistung erforderlich und bringt Verpflichtungen bei Bau und Betrieb des Netzes mit sich – Stichwort Open Access. So können wir zeitnah und freier in die Umsetzung gehen.“ Das Modell des Bürger-Breitband-Netzes sei auch für andere Kommunen eine gangbare Möglichkeit, Anschluss an das schnelle Internet zu erhalten. Dies sieht auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig so. Beim Spatenstich in Löwenstedt lobte er, das Engagement in Nordfriesland habe Symbolkraft: „Sie verdienen das Prädikat: Ausdrücklich zum Nachmachen empfohlen.“
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