Serie OZGGroßbaustelle Bund
Im Dezember 2019 verkündete Bundesinnenminister Horst Seehofer, dass der Bund mit seinem Anteil am Onlinezugangsgesetz (OZG) bis zum Ende der Legislaturperiode „weitestgehend“ fertig werde – und mit dem Rest bis Ende 2022. So sieht es ja auch das Gesetz vor.
Der Bund ist für insgesamt 115 der 575 identifizierten Leistungen zuständig, die im Zuge des OZG digitalisiert werden sollen. Darunter fallen etwa das Arbeitslosengeld I sowie Ein- und Ausfuhrgenehmigungen und viele weitere Angelegenheiten, die unmittelbar vom Bund oder seinen nachgeordneten Behörden vollzogen werden. Im Vergleich zu Ländern und Kommunen, die mit jeweils 370 beziehungsweise 90 Leistungen vom OZG betroffen sind, ist der Bund folglich nicht für die Mehrheit der digitalen Lösungen zuständig. Gleichwohl gilt die Ansage von Seehofer auch innerhalb des Ministeriums als sportlich.
Zu Beginn hatte der Bund eine Leistungsklärung vorgenommen, in deren Rahmen die Zuständigkeit innerhalb der Bundesressorts und der nachgeordneten Behörden festgelegt wurde. Drei Viertel aller Leistungen entfallen auf fünf Ressorts. So ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) für 27 Prozent der OZG-Vorhaben zuständig, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) für 18 Prozent, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat elf Prozent der Leistungen umzusetzen, das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zehn Prozent, und das Bundesfinanzministerium (BMF) kommt auf neun Prozent. Im nächsten Schritt folgten die Digitalisierungsplanung und der Start von ersten Pilotprojekten, bevor nun die Umsetzung der Digitallösungen ansteht – einige sollen schon im ersten Halbjahr 2020 erfolgen.
Drei Projekte umgesetzt
Es sind nicht immer Massenanwendungen, die in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fallen, und von vielen Leistungen haben jeweils nur die Betroffenen gehört. Die Beantragung von Glücksspielautomaten dürfte etwa nur Spielhallenbesitzer interessieren, und der Antrag zum Bau eines Atomkraftwerks gehört zu den Verwaltungsleistungen des Bundes, die vielleicht nicht nur wegen des Ausstiegs aus der Kernkraft für eine aufwendige Digitalisierung gar nicht in Frage gekommen wären. Doch man soll niemals nie sagen.
Drei Pilotprojekte sind inzwischen abgeschlossen und gehen bald in die Umsetzung. Da ist zunächst die Krisenvorsorgeliste Elefand (Elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland). Sie ist für Bundesbürger gedacht, die im Ausland leben und arbeiten und eine konsularische Versorgung sicherstellen wollen. Hierfür können sie sich nun online in eine Liste beim Auswärtigen Amt aufnehmen lassen, um im Notfall erreichbar zu sein und über mögliche Weisungen informiert zu werden.
Das zweite Pilotprojekt, die Fisch-Etikettierung, fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft und ist von der nachgeordneten Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) durchgeführt worden. Die BLE ist gemäß der Fisch-Etikettierungsverordnung zuständig für ein Verzeichnis der Handelsbezeichnungen aller Fischarten. Will ein Unternehmen ein neues Fischprodukt auf den Markt bringen, sind verschiedene Informationspflichten notwendig: die Handelsbezeichnung der Art, der wissenschaftliche Name, Produktionsmethode, Fanggebiet und bei bestimmten Produkten auch der Hinweis, ob das Erzeugnis aufgetaut wurde. Bislang waren dafür lange Papieranträge auszufüllen, jetzt liegt der Prototyp eines Online-Prozesses vor, der nun in die Umsetzung geht und Mitte 2020 mit dem regulären Start des Bundesportals veröffentlicht werden soll. Wäre da nicht ein kleiner Haken: das Schriftformerfordernis. Wie bei vielen anderen Online-Lösungen ist momentan noch nicht geklärt, wie eine zu leistende Unterschrift ersetzt werden kann.
Das dritte Pilotprojekt betrifft die Verwendung von Hoheitszeichen. Um den Bundesadler, das Bundeswappen oder die Dienstflagge des Bundes verwenden zu können, muss ein Antrag beim Bundesverwaltungsamt gestellt werden. Das Bundesinnenministerium hat daher einen elektronischen Prozess geschaffen, der den Beantragungsvorgang optimiert und nutzerorientiert gestaltet. Auch dieser Pilot soll nach erfolgreicher Umsetzung in das Bundesportal gelangen. Insgesamt 30 Digitalprojekte des Bundes sind derzeit in Arbeit. Der überwiegende Teil befindet sich noch in der ersten Projektphase, das heißt, dass die einzelnen Ressorts Anträge gestellt und Finanzierungszusagen erhalten haben und nun bis Anfang März mit der Pilotierung starten wollen.
Eigene Haushaltsmittel
Für die Umsetzung seiner Vorhaben verfügt der Bund über eigene Haushaltsmittel und greift nicht etwa auf die Mittel der FITKO zurück, welche den föderalen Vorhaben vorbehalten sind, an denen der Bund zusammen mit Ländern und Kommunen beteiligt ist. Die Umsetzung erfolgt entweder autonom innerhalb eines Bundesressorts und wird nach Fertigstellung dann im eigenen Fachportal veröffentlicht. Oder aber das Bundesinnenministerium übernimmt zusammen mit dem Beratungsunternehmen init die Projektbegleitung und Betreuung – und sein zentraler Dienstleister, die Bundesdruckerei, die Umsetzung. Dieses Prozedere wird etwas euphemistisch Fertigungsstraße genannt, als würden die Verwaltungsleistungen wie am Fließband digitalisiert.
Im Laufe dieses Jahres sollen auf diese Weise 30 Referenz-Implementierungen entstehen, die dann als Grundlage und Blaupause für weitere Vorhaben dienen. Tatsächlich unterscheiden sich die Antragsabläufe in vielen Fällen wenig voneinander, sodass man auf ein gewisses Maß von Standards zurückgreifen kann. Ob allerdings von „fabrikmäßiger Realisierung des OZG“ und von „Herstellungsmethoden aus der Fertigungswirtschaft“ gesprochen werden muss, kann dahingestellt bleiben. Das klingt ein bisschen nach Berater-Slang. Da auch bei den Bundesprojekten die Nutzerorientierung im Vordergrund steht, ist Prozessoptimierung höchstes Gebot. Und in der Konsequenz bedeutet das, jedes einzelne Verfahren sehr individuell auf optimale Lösungen hin zu betrachten.
Baukräne kreisen
Der Bund ist noch in viele weitere OZG-Projekte involviert wie den Portalverbund und die Nutzerkonten. An einem Pilotprojekt des Portalverbunds haben sich die Bundesländer Bayern, Berlin, Hamburg und Hessen beteiligt. Bis Ende 2020 sollen auch alle anderen Bundesländer über ein Online-Gateway integriert werden. Das daran ebenfalls angeschlossene Bundesportal befindet sich seit September 2018 in der Beta-Phase und soll noch in diesem Jahr an den Start gehen. Insgesamt ergibt sich ein Bild einer Großbaustelle, bei der die Tiefbauarbeiten abgeschlossen sind und nun die Baukräne kreisen.
Teil 1 der OZG-Serie
Teil 2 der OZG-Serie
Teil 3 der OZG-Serie
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