Donnerstag, 5. Dezember 2024

Kreis Groß-GerauGrün und in Gemeinschaft

[09.07.2020] Die hessische Kreisverwaltung Groß-Gerau hat die eigene Beschaffung digitalisiert und eine kreisweite kommunale Einkaufsgemeinschaft etabliert. Fazit: Die Mehrwerte übertreffen die Ausgaben bei Weitem.
Kreis Groß-Gerau realisiert nachhaltigen Einkauf.

Kreis Groß-Gerau realisiert nachhaltigen Einkauf.

(Bildquelle: Kreisverwaltung Groß-Gerau)

Bis zum Jahr 2014 hatte die Kreisverwaltung Groß-Gerau mit den negativen Effekten dezentraler Ressourcenverwaltung und papiergestützter Beschaffung zu kämpfen. Die Kommune hat sich deshalb für die Digitalisierung von Verfahrensabläufen im Einkauf entschieden. Über eine Web-Applikation können autorisierte Mitarbeiter heute ohne größere bürokratische Hürden bestellen. Die Aufträge basieren dabei auf im Vorfeld vereinbarten Rahmenverträgen. Der digitalisierte Ablauf schafft nicht nur Transparenz, sondern ermöglicht auch eine fachübergreifende Einkaufs- und Ausschreibungsstrategie. Daraus ist eine Einkaufsgemeinschaft kreiszugehöriger Kommunalverwaltungen entstanden, in der neben strategisch-wirtschaftlichen Zielstellungen der grüne Einkauf im Fokus steht: So kann bei der Auswahl der Auftragspartner beispielweise gezielt auf regionale Herkunft oder Nachhaltigkeit der Produkte geachtet werden.

Zu viele Prozesse, zu wenig Übersicht

„Bei einer Kreisverwaltung mit 1.200 Mitarbeitern, 16 Fachbereichen, 45 Schulen sowie zwei Eigenbetrieben stoßen papiergestützte Beschaffungsabläufe generell an ihre Grenzen“, berichtet Heike Neger, Mitarbeiterin im Stab Interkommunale Zusammenarbeit im Fachbereich Steuerung der Kreisverwaltung Groß-Gerau. „Selbst Budgets, verteilt über die ganze Verwaltung, halfen vor 2014 recht wenig. Denn sobald jeder in Eigenverantwortung am Markt unterwegs war, fielen wertvolle Bündelungs- und Steuerungseffekte weg.“ Untersuchungen in Vorbereitung der Umstellung machten schnell deutlich: 15 Prozessschritte und Durchlaufzeiten von bis zu vier Wochen waren eindeutig zu viel. „Nach unseren Recherchen fielen für eine einzelne Beschaffung Kosten in Höhe von 85 Euro an. Diese Kennzahlen stellte bei der Präsentation der Ergebnisse niemand mehr in Frage“, erinnert sich Neger. Hinzu kam, dass es keine transparente Übersicht der Aufträge – einschließlich Kaufpreis, Bearbeiter und Käufer – gab. Daher lagen bis 2014 auch keine belastbaren Leistungsbeschreibungen vor, die als Grundlage für öffentliche Ausschreibungen und Vergaben hätten dienen können. Vielmehr mussten Daten aufwendig entlang von Rechnungen und Befragungen erhoben werden.

Mehr Transparenz und gezieltere Steuerungsmöglichkeiten

Aus diesem Grund entschied sich die Kreisverwaltung Groß-Gerau vor sechs Jahren, die papiergestützten Beschaffungsabläufe durch eine digitalisierte Einkaufsstrategie zu ersetzen. Ziel sollte es sein, durch mehr Transparenz und gezieltere Steuerungsmöglichkeiten Wirtschaftlichkeitsvorteile sowie eine effiziente Möglichkeit zur elektronischen Ausschreibung und Vergabe zu schaffen. „Wir suchten eine Lösung für gleichartige Bedarfe für alle Organisationseinheiten der Kreisverwaltung sowie der zugehörigen Außenstellen und Eigenbetriebe beziehungsweise Beteiligungen“, erklärt Neger. „Des Weiteren sollte es sich dabei, jenseits aller Marktplätze, um ein geschlossenes lieferantenunabhängiges System handeln, um periodisch ausgeschriebene Rahmenverträge benutzerfreundlich über eine selbsterklärende Oberfläche zu steuern.“ Mit dem Unternehmen TEK-Service fand die Verwaltung schließlich den passenden Partner. Innerhalb einer Projektzeit von acht Wochen konnte die neue Lösung in Groß-Gerau mit 100 Bestellern starten.
Der Zeitaufwand im Einkauf reduzierte sich schon in der Anfangszeit auf fünf Stunden pro Woche. „Durch den digitalisierten Einkauf gewonnene Daten konnten von uns zu elektronischen Leistungsverzeichnissen aufbereitet werden, die ein wichtiger Bestandteil der regelmäßigen Ausschreibungen sind“, berichtet Monika Schmidt, Vorsitzende des Aufsichtsrats bei TEK-Service. Jetzt lassen sich diese viel wirtschaftlicher und transparenter durchführen. „Davon profitieren auch die Lieferanten, da eine faire und transparente Preisgestaltung möglich ist“, bestätigt Heike Neger von der Kreisverwaltung. In den ersten Wochen und Monaten konnten zudem alte Papierlager aufgehoben werden. Die benötigten Aufwendungen für den gesamten Einkauf sanken innerhalb des ersten Jahres nach der Umstellung in kürzester Zeit um 40.000 Euro.

Nachhaltigkeitsaspekt berücksichtigt

„Bereits nach einem Jahr konnte aufgrund belastbarer, umfassenderer Leistungsbeschreibungen Bürobedarf ausgeschrieben werden – mit einem Preisvorteil von 10 Prozent“, berichtet Neger. Es folgten Papier, Tinte sowie Toner. Schritt für Schritt wurden weitere Verwaltungsbereiche wie Jobcenter, Gebäude-Management und Schulen für die neue Einkaufsstrategie gewonnen. Sortimente wie Postzustellungsurkunden oder Hygiene kamen ebenfalls hinzu. „Heute steuern wir verwaltungsweit einen Jahresumsatz von 500.000 Euro über den elektronischen Einkauf. Hinzu kommt das derzeitige Jahresbeschaffungsvolumen von 140.000 Euro unserer kommunalen Einkaufsgemeinschaft, die sich aus kreiszugehörigen Städten und Gemeinden zusammensetzt“, fasst Heike Neger zusammen.
„Neben der verbesserten Transparenz sollte auch der Nachhaltigkeitsaspekt insbesondere bei der Produktauswahl eine größere Rolle spielen, sodass wir dies entsprechend in der Web-Applikation umgesetzt haben“, berichtet Monika Schmidt von TEK-Service. So sind derzeit im Einkauf 11.260 Artikel bekannt, die regelmäßig ausgeschrieben und damit auch im Sinne von Nachhaltigkeitsaspekten qualifiziert werden können. Entsprechende Kennzeichnungen im Einkaufsportal erleichtern es dem Besteller, unter aktuell 2.800 gelabelten Artikeln die grüne Kaufentscheidung zu treffen. Bereits bei den Artikelanfragen können diese Anforderungen an Lieferanten mitgegeben werden. Darüber hinaus können auf diese Weise auch das regionale Handwerk oder der Einzelhandel stärker integriert werden. „Dies ist eine der vielen Weiterentwicklungen des Dienstleisters TEK-Service, die auch aus Anregungen der Kreisverwaltung entstanden sind. Die Ergebnisse sind überzeugend“, bestätigt Neger.

Gemeinsame Einkaufsstrategie

Daher lag der Gedanke nahe, kreiszugehörige Kommunalverwaltungen für eine gemeinsame Einkaufsstrategie basierend auf den positiven Erfahrungen zu gewinnen. Nach einigen Verhandlungen und finalen Projektwochen der Umsetzung war es 2018 dann soweit: Die Einkaufsgemeinschaft Groß-Gerau wurde geschaffen und wächst seither stetig. Verwaltungen wie Büttelborn, Biebesheim am Rhein, Raunheim, Riedstadt, Mörfelden-Walldorf, Trebur, Ginsheim-Gustavsburg, Nauheim und Kelsterbach sind Teil der Gemeinschaft und sorgen für steigenden Umsatz. Die Ausschreibungsergebnisse zeigen, dass sich eine Vergabe lohnt. Belastbare, gebündelte Leistungsbeschreibungen zeitigen gute Angebote der Bieter. Die Preisvorteile liegen dabei in der Regel bei 15 bis 20 Prozent. „Die Ergebnisse kommen damit uns allen zu hundert Prozent zugute. Lieferanten haben keine Kosten zu tragen, was die Vielzahl von Angeboten zeigt. Die Aufwendungen für unseren Dienstleister tragen wir; das rechnet sich für uns in vielerlei Hinsicht. Denn in jedem Fall übertreffen die erzielten Mehrwerte die Ausgaben bei Weitem“, resümiert Neger. Heute werden circa 300 Lieferadressen mit den Sortimenten von sechs Lieferanten versorgt. Der Jahresumsatz liegt bei etwa 460.000 Euro.

Ruxandra Receanu ist Leiterin Medienkontakt & Medienstrategie bei der ABOPR Pressedienst B.V.




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