InterviewHanaus digitale Offensive
Herr Dr. Renftel, die Stadt Hanau hat eine Digitale Offensive 2025 beschlossen: Was sind die wichtigsten Eckpunkte dieses Konzepts?
Die Digitale Offensive 2025 ist der von der Stadtverordnetenversammlung beschlossene Rahmen für all unsere Digitalisierungsaktivitäten. Diese reichen von der Arbeitsstruktur über die Basiskomponenten bis hin zu strategischen Partnerschaften und der Abstimmung innerhalb der Unternehmung Stadt – also der Kernverwaltung, den Eigenbetrieben und Beteiligungsunternehmen. Hinzu kommen weitere Rahmenbedingungen, wie die umfassenden Anforderungen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) oder die EU-Vorgaben zum Single Digital Gateway.
Herr Schiebeck, welche Erwartungen setzt die Stadt in die Digitale Offensive?
Intern profitieren wir von effektiveren, schlankeren und schnelleren Prozessen und gleichzeitig von der Konsolidierung unserer vielfältigen Anwendungslandschaft. Die Nutzer wiederum gewinnen durch den direkten Online-Zugang. Er führt zu einer schnelleren und einfacheren Abwicklung – auch außerhalb der regulären Servicezeiten.
Ein Projekt, an dem die Stadt bereits im vergangenen Jahr mit Hochdruck gearbeitet hat, war die Realisierung eines Bürger-Serviceportals: Wie weit ist dieses Vorhaben gediehen?
Schiebeck: Mit der Live-Schaltung des zentralen Portals für Bürgerservices Mitte April dieses Jahres hat die Stadt Hanau eine moderne und zukunftsfähige Technologie an den Start gebracht. Unter www.hanau-digital.de ist das Portal Anlaufpunkt für alle Online-Services der Unternehmung Stadt Hanau. Verfügbar sind zunächst Services wie Abfallkalender, Bewohnerparken, Anforderung von Personenstandsurkunden, Meldung defekter Ampeln oder Straßenbeleuchtung, Sperrmüllanmeldung, Statusabfrage von Personaldokumenten, Terminvereinbarungen im Stadtladen, Feedback für die Hanauer Bäder oder Beantragung des Wunschkennzeichens. Einen Teil der Leistungen kann der Nutzer auch direkt online bezahlen. Im nächsten Schritt erfolgt die Anbindung des Servicekontos des Landes Hessen mit der dort enthaltenen Authentifizierungsmöglichkeit mit unterschiedlichen Sicherheitsniveaus.
Zahlt die Stadt damit bereits auf die Umsetzung des OZG ein?
Renftel: Die hinter dem Service-Portal liegende Software ServiceNow ist zusammen mit den weiteren Basiskomponenten sicherlich ein wesentliches Standbein unserer Strategie zur Umsetzung des OZG. Darüber hinaus nutzen wir auch die seitens des Landes zentral zur Verfügung gestellten Services und implementieren diese in unsere Umgebung. Integraler Bestandteil sind zudem die im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit entstandenen Prototypen auf Basis der ekom21-Lösung civento, wie zum Beispiel Bewohnerparken oder Beantragung von Personenstandsurkunden. Es galt, Nutzern eine Lösung anzubieten, die alle Leistungen zentral darstellt – unabhängig davon, wer sie erbringt oder mit welcher Applikation sie abgewickelt werden.
„Neuen Technologien stehen wir offen gegenüber, müssen allerdings auch die vorhandenen Ressourcen im Blick behalten.“
Für 2018 hatte die Stadt auch die Einführung des digitalen Rechnungseingangs und eines Dokumenten-Management-Systems (DMS) auf der Agenda stehen: Wie weit sind die Pilotabteilungen hier vorangekommen?
Schiebeck: Mit der Einführung eines Dokumenten-Management-Systems für die Umsetzung der E-Akte, eines E-Payment-Systems oder eines digitalen Rechnungsworkflows haben wir die Basis für die zukunftssichere Umsetzung von Online-Bürgerservices geschaffen. Der digitale Rechnungseingang ist bereits seit Jahren in vielen Bereichen der Unternehmung Stadt Hanau aktiv und wird bis Anfang 2020 in allen Organisationseinheiten implementiert sein. Das hat nachhaltig positive Effekte auf die Geschwindigkeit und Qualität innerhalb der internen kaufmännischen Abwicklung. Das DMS wird schrittweise an eine große Anzahl von Anwendungen innerhalb der jeweiligen Prozesse angebunden. Damit erreichen wir noch einmal eine Effizienzsteigerung und können noch bessere Online-Dienstleistungen anbieten.
Welche Projekte sind im Bereich E-Government bis 2025 noch geplant?
Renftel: Mit dem Beschluss zur angestrebten Kreisfreiheit zum 1. April 2021 hat die Hanauer Stadtverordnetenversammlung eine historische Entscheidung für die Geschichte der Stadt getroffen. Damit verbunden ist die Übernahme neuer Aufgaben. Diese mit einer zukunftsfähigen technologischen Basis auszustatten, um einerseits eine moderne Verwaltung und andererseits einen digitalen Zugang für die Nutzer zu schaffen, ist unsere primäre Aufgabe in den kommenden beiden Jahren. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Implementierung der rund 500 in kommunaler Umsetzung liegenden OZG-Leistungen. Eine wichtige Rolle spielt außerdem die Digitalisierung im Bildungsbereich. In den vergangenen Jahren haben wir bereits damit begonnen, einige Schulen fit für die digitale Zukunft zu machen. Im Rahmen des Digitalpakts wird dies nun auf alle Schulen ausgedehnt.
Welche Rolle spielen das Internet of Things (IoT), künstliche Intelligenz, Chatbots oder Blockchain in Hanaus Digitalisierungsüberlegungen?
Schiebeck: Dem stehen wir grundsätzlich sehr offen gegenüber. Sofern diese Technologien einen Mehrwert für Bürger und Unternehmen darstellen, werden wir deren Einsatz in Hanau aktiv vorantreiben. Wir müssen allerdings auch die vorhandenen Ressourcen im Blick behalten und Prioritäten setzen. Daher können wir leider nicht alle wünschenswerten Themen gleichzeitig angehen. Aber wir starten gerade ein Leuchtturmprojekt. Es handelt sich um das 47 Hektar große Areal der ehemaligen Pioneer Kaserne, das wir zu einem „Stadtquartier der Zukunft“ entwickeln. Die Stadtwerke Hanau haben eigens die PionierWerk GmbH gegründet, um das Areal zukunftsorientiert mit Elektromobilität, Telekommunikation und Smart-Home-Lösungen auszustatten. Ein Glasfasernetz mit Highspeed-Breitband mit bis zu einem Gigabit pro Sekunde soll ein Kombiangebot aus Internet, Telefon und TV ermöglichen. Ganz praktisch gesehen spielen vor allem Narrowband IoT – zum Beispiel im Bereich der Müllentsorgung, Parkraum- oder Lichtsteuerung – künstliche Intelligenz etwa im Bürgerservice und nicht zuletzt Blockchain, beispielsweise zur Absicherung des Bürgerkontos oder der Transparenz der Datennutzung, in Zukunft eine wesentliche Rolle. Damit beschäftigen wir uns bereits und probieren die ersten Anwendungsfälle aus.
Hintergrund
Digitalisierung wird bei der Stadt Hanau übergreifend mit den städtischen Beteiligungsunternehmen angegangen. Das spiegelt sich in der Arbeitsstruktur zwischen Stadtverwaltung und bhg.it als strategischem Partner in der Beteiligungsholding Hanau GmbH (BHG) wider. Die BHG ist 2003 als städtische Muttergesellschaft entstanden. Eine Hauptaufgabe ist die Bereitstellung und Weiterentwicklung einer zukunftsfähigen IT-Landschaft.
https://www.bhg-hanau.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juni 2019 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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