FinanzwesenHaushalt 4.0
Ob nun digitaler Haushalt, interaktiver Haushalt oder Haushalt 4.0: Im Kern geht es um Transparenz, Steuerung, Effizienz und letztendlich um eine bessere Vernetzung mit den Bürgerinnen und Bürgern. Haben wir es in Anlehnung an Industrie 4.0 beim Haushalt 4.0 mit der vierten haushälterischen Revolution zu tun? Nicht bei allen 4.0-Endungen ist es sinnvoll, die Reihe von 1.0 bis 3.0 zu bilden. Bezogen auf den Haushalt ist die Reihe aber durchaus erkennbar. Dazu müssen wir uns auf eine kurze Zeitreise begeben.
Bis Mitte der 1990er-Jahre bewegen wir uns im öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesen rein in der Kameralistik mit einer klaren inputorientierten Buchführung. Heute würde man das in die Kategorie Haushalt 1.0 einordnen. Mit dem Aufkommen der Neuen Steuerungsmodelle ab Mitte der 1990er-Jahre wurden auch outputorientierte Ansätze in Form von Produkthaushalten implementiert, was den Haushalt in die Kategorie 2.0 befördert. Die nächste Stufe, der Haushalt 3.0, ist eng mit der Etablierung der Doppik als neuem Rechnungslegungsstil verbunden. Ressourcenverbrauch und -aufkommen spielen eine Rolle. Das Vermögen wird nachgewiesen. Mit dem Haushalt 4.0 stehen, wie bereits erwähnt, neben dem Wirtschaftlichkeits- und Effizienzgedanken auch Transparenz, Steuerung und Vernetzung im Fokus.
Von input- zu outputorientierten Ansätzen
Offene Haushalte erhöhen für Bürgerinnen und Bürger die Transparenz und fördern die Vernetzung zwischen Bürgerschaft und Verwaltung. So stellt beispielsweise die Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg den im Juni von der Bürgerschaft beschlossenen Haushaltsplan für die Jahre 2021 und 2022 sowie die Wirtschaftspläne der Landesbetriebe, Hochschulen und Sondervermögen interaktiv im Internet zur Verfügung. Mit dem Bürgerhaushalt geht die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart bei der Vernetzung noch einen Schritt weiter: Sie erlaubt Partizipation bei Fragen rund um die Verwendung von Geldern. Bürger können Vorschläge machen, kommentieren und bewerten.
Transparenz gilt es natürlich auch nach innen zu schaffen. Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung benötigen für eine strategische Haushalts- und Ressourcensteuerung Daten und Kennzahlen, die das frühzeitige Erkennen von Risiken erlauben, Wirkungszusammenhänge darstellen, Simulationen ermöglichen und deren Auswirkungen auf die Einnahme- und Ausgabeseite im Haushalt möglichst in Echtzeit darstellen.
Nicht überraschend spiegelt sich die Reihe mit der Entwicklung der IT. Während der Haushalt 1.0 auf Papier gestartet ist und in lokalen Fachanwendungen abgebildet wurde, wuchsen mit der Client-Server-Technologie modulare Systeme, die neben dem klassischen Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen Controlling-Sichten für den Haushalt 2.0 beisteuern konnten. Damit konnte die Basis für neue Steuerungsmodelle gelegt werden, wobei die Idee der Modelle aus den 1990er-Jahren mit den heutigen Plattformen ganzheitlicher und konsequenter umgesetzt werden kann.
Spätestens mit dem Haushalt 3.0 sprechen wir von integrierten ERP-Systemen, welche die nötigen Informationen zu Ressourcenverbrauch und Vermögensaufstellung liefern. Die Basis für den Haushalt 4.0 bilden Plattformen, die zum einen Prozesse und Daten rund um Personal, Finanzen, Beschaffung und Infrastruktur in Echtzeit verwalten und zum anderen über den Einsatz intelligenter Technologien eine bessere Steuerung ermöglichen.
Fundament für die Digitalisierung der Prozesse
Ende-zu-Ende lautet das Credo bei der Digitalisierung von Prozessen. Das gilt nicht nur für die klassischen Prozesse von der Bestellung bis zur Zahlung. So kann etwa im Umfeld der städtischen Infrastruktur die klassische Sicht in Form der Anlagenbuchhaltung um ein datengestütztes Erhaltungsmanagement erweitert werden. Derzeit läuft ein Pilotprojekt beim Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer der Freien und Hansestadt Hamburg zum Aufbau eines digitalen Objektregisters als Basis für die Zustandsanalyse und Festlegung der individuellen Instandhaltungsmaßnahmen.
Haushalt 4.0 bedeutet in der konsequenten Weiterentwicklung von Haushalt 3.0 aber auch eine Optimierung der Dienstleistungsproduktion. Das hat sich nicht zuletzt in den vergangenen 24 Monaten gezeigt. Verwaltungen, die bereits in der Vor-Pandemie-Zeit in den Ausbau ihrer ERP-Systeme investiert hatten, konnten ihren Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen zeitnah Hilfen anbieten. Darüber hinaus können innovative Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) einen wichtigen Wertbeitrag leisten, sowohl in Richtung Automatisierung wie auch als Entscheidungsunterstützung in der Sachbearbeitung. Den Maschinen- beziehungsweise Anwendungs- und Datenraum bilden Plattformen, die eine Kombination von Applikationen und Technologien bieten. SAP S/4 HANA unterstützt als Lösungssuite in Kombination mit der SAP Business Technology Platform die Umsetzung des 4.0-Ansatzes. Über diese Plattform erfolgt die Integration der unterschiedlichen Systeme und Daten. Durchgängig digitalisierte Prozesse liefern Daten für die Steuerung und Analyse und ermöglichen zusätzliche Sichten und Anwendungsfelder. Neben den betriebswirtschaftlichen Daten gilt es dabei insbesondere Geodaten und Daten aus Fachverfahren über Werkzeuge zum Daten-Management zusammenzuführen. Diese Daten-Management-Schicht fungiert als Fundament für die Digitalisierung der Prozesse und als Befähigung für die Steuerung im Haushalt 4.0.
Data Intelligence unterstützt
Die analytischen Möglichkeiten moderner Ressourcen-Management-Plattformen decken nicht nur die Anforderungen für das Berichtswesen und die im „Neuen Steuerungsmodell“ geforderte dezentrale Ressourcenverantwortung ab. Data Intelligence ist hier das Stichwort, mit dem sich datenbasierte Ansätze wie Wirkungsorientierung, Simulation und Prognose verbinden. Dashboard-Technologien erleichtern die Nutzung von Management-Informationssystemen.
Die Bedeutung solcher analytischen technischen Fähigkeiten zeigt sich aktuell bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien. So können über Konnektoren beispielsweise klimarelevante Rohdaten aus operativen Systemen eingesammelt werden und im Daten-Management zur Definition und Anreicherung von Datenmodellen genutzt werden. Datenmodelle werden künftig auch in tradierte Geschäftsfelder Einzug halten. Intelligente Technologien unterstützen aber nicht nur bei datenbasierten Ansätzen, sondern auch die Vernetzung der Beteiligten und der Bürgerschaft. Über Dashboard-Technologien können die Handlungs- und Politikfelder des Haushalts den Bürgerinnen und Bürgern in interaktiver und transparenter Form zur Verfügung gestellt werden.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass mit dem Haushalt-4.0-Ansatz Stand heute keine vierte Revolution in Anlehnung an Industrie 4.0 gestartet wurde. Der Haushalt 4.0 ist vielmehr die konsequente Fortführung und Erweiterung der Ressourcen-Management-Ansätze und -Strategien, die mit der Einführung des Steuerungsmodells und der Doppik entwickelt wurden.
Dieser Beitrag ist im Titel der Ausgabe Juli 2022 von Kommune21 im Schwerpunkt Finanzwesen erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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