DigitalisierungHerz und Nervensystem
Vom digitalen Wandel sind alle Lebensbereiche betroffen: Wirtschaften und Arbeiten, Wohnen und Einkaufen, Freizeit und Lernen und nicht zuletzt Politik und Verwaltung. Digitalisierte Prozesse könnte man als Nervensystem der kommunalen Entwicklung und Daseinsvorsorge bezeichnen. Die digitale Infrastruktur wird zunehmend zum entscheidenden Standortfaktor. Und damit ist nicht allein die technische Infrastruktur, also etwa der Anschluss ans Breitband-Internet gemeint. Kommunen tun insofern gut daran, rechtzeitig über Schritte nachzudenken, wie sie den digitalen Wandel vor Ort gestalten wollen. Für Kommunen und den Staat bedeutet die Digitalisierung einen Perspektivenwechsel von E-Government hin zur Digitalen Agenda. Lange dominierte eine technikgetriebene Binnenperspektive die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationsdienste: Wie können Regieren und Verwalten verbessert und modernisiert werden? Eine digitale Agenda ist indessen mehr als E-Government und Verwaltungsmodernisierung. Sie ist der Umsetzungsplan für eine digitale Strategie der Kommune und betrifft alle Bereiche der lokalen Gemeinschaft: Wirtschaft und Bildung, Kultur, Mobilität, Gesundheit und soziales Zusammenleben. Sie eröffnet neue Chancen für die Bewältigung der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen vor Ort und in der Region. Insofern stellt die Digitale Agenda nicht weniger als ein Umbauprogramm für die kommunale Selbstverwaltung im digitalen Zeitalter dar und muss deshalb Chefsache sein.
Digitale Schwerpunkte
Die Kommunen haben längst erkannt, dass bei allen notwendigen Alleinstellungsmerkmalen beim digitalen Wandel nur die Zusammenarbeit über Stadt- und Kreisgrenzen hinweg zum Erfolg führen kann. Um diesen Veränderungsprozess auf kommunaler und regionaler Ebene zu unterstützen und eigene Themenschwerpunkte zu setzen, fanden in den vergangenen Monaten in den Städten Frankenthal, Köln, Delmenhorst, Stuttgart und Kiel bereits fünf Regionalkonferenzen „Digitale Agenda für Kommunen und Regionen“ statt. Am 13. April dieses Jahres folgt Brehna in Sachsen-Anhalt, weitere Konferenzen werden im April in Hessen und am 8. September 2016 im nordrhein-westfälischen Schwerte durchgeführt. Die Regionalkonferenzen sind Teil der Plattform „Digitale Verwaltung und öffentliche IT“ des Nationalen IT-Gipfels unter Federführung des Kölner Stadtdirektors Guido Kahlen und werden von der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister, Vitako, und deren Mitgliedsunternehmen ausgerichtet – wichtigen Impulsgebern und Begleitern des digitalen Wandels auf kommunaler und regionaler Ebene. Im Zuge der bislang durchgeführten Veranstaltungen haben sich einige Schwerpunkte herausgebildet. Diese wurden im November 2015 im Rahmen des Nationalen IT-Gipfels zum Teil bereits vorgestellt und werden für den kommenden Gipfel im Oktober 2016 in Saarbrücken nun weiter präzisiert. Ein wichtiges Ziel aller Regionalkonferenzen ist es, der kommunalen Stimme auf Bundesebene und gegenüber der Wirtschaft Gehör zu verschaffen. Denn den Kommunen – großen Städten ebenso wie Landkreisen und kleineren Gemeinden im ländlichen Raum – kommt im Prozess der Digitalisierung eine zentrale Rolle zu. Ohne IT funktionieren weder die Stadtreinigung noch die Energieversorgung, die Schulen, der Verkehr, die Lebensmittelversorgung oder die allgemeine Verwaltung. Immer wichtiger wird die digitale Qualität einer Kommune auch im Wettbewerb um Einwohner und Unternehmen. Zudem können viele Möglichkeiten der Digitalisierung nur konkret vor Ort oder in der Region verwirklicht werden und geben Impulse für Digitalisierungsstrategien und -projekte von Bund und Ländern.
Zentrale Handlungsfelder
Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung einer Digitalen Agenda ist es, das Potenzial der Digitalisierung zu erkennen, zu erschließen und zu realisieren. Die Bereitschaft der Schlüsselakteure, neue Wege zu gehen und sich auf den grundlegenden Veränderungsprozess einzulassen, ist dabei entscheidend. In Anlehnung an Kölns Stadtdirektor Guido Kahlen lauten die zentralen Handlungsfelder einer kommunalen Digitalen Agenda
• Digitale Infrastrukturen: Breitband-Anbindung von Gewerbegebieten, Privathaushalten, Schulen und öffentlichen Gebäuden.
• Digitales Arbeiten: digitale Qualifizierung, Co-Working, Home-Working.
• Digitale Wirtschaft: neue Dienste und Vernetzung, Leistungsnetzwerke mit Konsumenten, Unternehmen und Verwaltung.
• Digitale Verwaltung: Government as a Service, Bürokratieabbau.
• Digitale Lebenswelten: digitales Ehrenamt (beispielsweise im Bereich Flüchtlinge), smarte Städte mit intelligenten Lösungsansätzen für Mobilität, Energieeffizienz, Klimaschutz.
• Digitale Bildung: innovative digitale Lernumgebungen, digitales Lernen, Open Educational Ressources, Breitband-Initiative für Schulen.
• Open Government: Open Data, E-Partizipation.
Sicherheit und Vertrauen.
Die Chancen der Digitalisierung lassen sich nur nutzen, wenn die Vernetzung aller Beteiligten gelingt. Die vorhandenen Kompetenzen zu bündeln, zu einer neuen Arbeitsteilung zu gelangen und gemeinsame Aktionen statt isolierte Einzelinitiativen zu entwickeln, erhöhen die Schlagkraft und die Erfolgsaussichten. Im Idealfall führt die Vernetzung dazu, dass Verwaltungsprozesse zum Bestandteil gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wertschöpfungsketten werden, in denen die Verwaltung mit ihren Partnern oder als Partner die Gewährleistung öffentlicher Aufgaben und Dienstleistungen erfüllt.
Kommunen als Innovatoren und Treiber
Den kommunalen Verantwortlichen kommt neben der aktiven Beteiligungs- und Treiberrolle vor allem die Aufgabe zu, Rahmenbedingungen für eine offene Zusammenarbeit zu schaffen, innovative Lösungsansätze zu ermöglichen sowie Initiativen zu moderieren und zu orchestrieren. Das stellt unter den aktuellen personellen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen eine echte Herausforderung dar. Um diese Rolle mit Inhalt füllen und Neues ausprobieren zu können, brauchen Kommunen Erprobungsräume und Experimentierklauseln. Nur so wird es gelingen, den digitalen Wandel gemeinsam mit den neuen Akteuren aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu gestalten. Denn Innovationen können nur in einem Umfeld entstehen, wo Denken und Handeln nicht an bestehenden Regeln und Routinen festhalten, sondern vom Austausch von Erfahrungen und des voneinander Lernens bestimmt werden. Die Regionalkonferenzen sind daher als Gedanken- und Erfahrungsaustausch konzipiert. So können Kommunen sich Klarheit über die Vorteile und Chancen der Digitalisierung verschaffen und sich über notwendige Schritte zur Umsetzung verständigen. Mehr denn je ist es an der Zeit, dass die Kommunen sich als Innovatoren und Treiber des digitalen Wandels positionieren. Denn: Wer nicht treibt, wird getrieben und vertut wichtige Chancen der Digitalisierung.
Dieser Beitrag ist in der April-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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