Social MediaIm Datenschutz-Dilemma
Instagram, Twitter – jetzt X –, Threads, WhatsApp-Channels, TikTok, LinkedIn oder doch noch Facebook? Immer mehr Plattformen und ein steigender Anspruch an Geschwindigkeit und Informationsfluss in der Bürgerkommunikation, während parallel die Frage nach der Einhaltung des Datenschutzes auf den meisten Plattformen unbeantwortet bleibt. Wie können und sollten sich Kommunen heute in diesem Spannungsfeld aufstellen?
Wo früher ein Pressesprecher für eine mittelgroße Stadt reichte, braucht es heute in den Verwaltungen Video-Skills, Community Manager und Corporate Influencer. Doch müssen Verwaltungen wirklich jeden Hype mitmachen? Juristisch gesehen vielleicht nicht – und doch kommen Landkreise, Städte und Gemeinden immer weniger um eine strategisch aufgesetzte Kommunikation auch auf den Social-Media-Plattformen herum. Denn globale Krisen und deren lokale Auswirkungen, Katastrophen und Bürgerbeschwerden vor Ort oder der Fachkräftemangel in den Kitas sowie den Behörden selbst erfordern ein Umdenken: weg von reaktiven Antworten auf Presseanfragen, hin zum aktiven Dialog mit den Menschen zu transparenter Information und der Positionierung als attraktiver Arbeitgeber.
Wichtigste Brücke zu den Bürgern
Damit wächst das Aufgabenspektrum in den Pressestellen und eben auch die Anforderungen an Fähigkeiten, Spezialisierungen und völlig neu gedachte Prozesse auf multiplen Kanälen. Das wirft jede Menge neuer Fragen auch juristischer Natur auf. Über was dürfen Verwaltungen überhaupt berichten? Wann ist das Sachlichkeitsgebot verletzt? Und wie ist mit dem Dilemma umzugehen, dass nahezu keine Social-Media-Plattform datenschutzkonform betrieben werden kann? Der letzte Punkt wird dabei zur Gretchenfrage. Sollte es Behörden – und damit nicht nur Stadtverwaltungen, sondern auch dem Brand- und Katastrophenschutz, der Polizei, Schulen und Ministerien – verboten werden, auf Plattformen wie Facebook unterwegs zu sein, geht die aktuell wichtigste Brücke zu den Menschen verloren.
Denn, so ehrlich müssen wir sein: Erreichen wir die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr dort, wo sie große Teile ihrer Medien konsumieren, kommen Informationen zu Serviceleistungen, Veranstaltungen, Beteiligungsprozessen oder schlicht geänderte Öffnungszeiten bei vielen gar nicht mehr an. Die Kluft zwischen dem, was die Stadtverwaltung tut, und dem, was die Menschen davon wissen, wird zunehmend größer.
Der direkte Weg zu den Menschen
Dabei brauchen wir viel mehr gut aufbereitete Informationen und Kommunikation aus den Verwaltungen, je komplexer unsere Welt wird: Warum dauert eine Bauleitplanung so lange und was passiert, bevor der erste Bagger zu sehen ist? Welche neuen digitalen Dienstleistungen stehen auf der Kreis-Website zur Verfügung? Wie und wo kann ich meine Ideen einbringen? Der Content muss dabei passend für Zielgruppe und Plattform aufbereitet sein, sonst wird er nicht konsumiert und entsprechend seltener vom Algorithmus ausgespielt.
Bei akuten Krisen wird der fehlende schnelle Draht zur Bevölkerung gar zur Gefahr. Wenn eine Weltkriegsbombe in dichtbesiedeltem Gebiet gefunden wird, durch Schneelast Bäume an Hauptverkehrsadern abzubrechen drohen, bei einem Großbrand die Leitstelle mit interessierten Fragen lahmgelegt wird: Immer dann, wenn es um Geschwindigkeit und Orientierung für die Bevölkerung geht, sind die sozialen Netzwerke der direkte Weg, um Menschen zu erreichen. Fällt er weg, wird der leere Raum mit Gerüchten, Meinungen oder gezielten Fake News gefüllt. Für die Bürgerinnen und Bürger fehlt dann ein Anlaufpunkt für gesicherte Informationen aus erster Hand. Wenn insbesondere die Verwaltungsebene, die direkt an den Menschen dran ist, nicht mehr präsent ist und zuverlässig schnell informiert, beschädigt dies nachhaltig das Vertrauen in den Staat als Ganzes.
Mastodon ist derzeit keine Alternative
Als Alternative zu den US-amerikanischen oder chinesischen Plattformen, deren Datenschutzregelungen denen der EU widersprechen, führen Datenschützer Mastodon ins Feld. Optisch und funktionell ist das Angebot ähnlich aufgebaut wie die Kurznachrichten-Plattform X, die Struktur dahinter ist jedoch eine andere: Das dezentral organisierte Fediverse erlaubt es, mit einem Account auf unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Instanzen zu kommunizieren. Klingt nach einer guten Lösung, um den – unbestreitbar wichtigen – Schutz der persönlichen Daten der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen.
Das Problem: Die Menschen nutzen sie nicht, trotz eines regelrechten Booms der Plattform nach dem Verkauf von Twitter an Elon Musk und den damit einhergehenden drastischen Veränderungen. Obwohl die registrierten Accounts laut Mastodon im Februar 2024 mit 14,7 Millionen Usern auf dem höchsten Stand sind, sinken parallel die aktiven monatlichen Nutzerzahlen mit rund einer Million auf das Niveau vor Dezember 2022. Damit ist Mastodon aktuell keine echte Alternative, um die Menschen zu erreichen.
Social Media datenschutzkonform einbinden
Was also tun? Die knappe Antwort darauf lautet, so viel und so breit wie möglich kommunizieren, den Datenschutz wo immer möglich beachten, datensparsam arbeiten – und ansonsten die Ergebnisse der Klage des Bundespresseamts gegen die Anordnung des Bundesdatenschutzbeauftragten, die Facebook-Seite abzuschalten, abwarten. Konkret bedeutet das, beispielsweise über Plug-ins die Social-Media-Kanäle der Verwaltung DSGVO-konform auf der eigenen Website einzubinden, um die Informationen allen Interessierten zur Verfügung zu stellen. Auch die seit Kurzem in Deutschland verfügbaren WhatsApp-Channels können über bestimmte Tools datenschutzkonform genutzt werden und erlauben so, die breite Masse der Bevölkerung direkt auf den Smartphones zu erreichen. Erste Städte wie Köln, Lünen oder Meerane nutzen die Kanäle bereits. Etabliert sich die Nutzung nachhaltig in der Bevölkerung, könnten sie insbesondere für die Krisenkommunikation zur wichtigen Plattform werden.
Gut gemachte Kommunikation über mehrere Kanäle
Fest steht: Ohne dialogorientierte, bürgernahe Kommunikation fehlt dem Staat die Verbindung zur Bevölkerung. Werden Baustellen, Straßensperrungen, neue Verordnungen oder innovative Angebote nicht aktiv erklärt, führt das zu Verdruss und nährt das Klischee der langsamen und unproduktiven Verwaltung. Das führt zum nächsten Problem: Denn in einem trägen, bürokratischen und gesichtslosen Umfeld möchte niemand arbeiten. Allein deshalb müssen Behörden spätestens jetzt anfangen, junge Nachwuchskräfte mit Know-how im Bereich IT, Ingenieurswesen oder eben Social-Media-Kompetenzen anzusprechen und für sich zu gewinnen. Authentische, sympathische Einblicke in den realen Verwaltungsalltag erreichen die Zielgruppe mit kleinen Videos auf Instagram und stärken auch bei der restlichen Bevölkerung das Vertrauen.
In gut gemachter Kommunikation über mehrere Kanäle liegen daher große Chancen für den öffentlichen Dienst. Zeit, sie strategisch zu nutzen.
Hochsauerlandkreis: WhatsApp für Bürgerkommunikation
[03.12.2024] Der Hochsauerlandkreis hat einen WhatsApp-Kanal für die Bürgerkommunikation gestartet. Eilmeldungen, Informationen und Tipps sollen Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise schnell und direkt erreichen. mehr...
Ronnenberg: TikTok-Kanal gestartet
[05.09.2024] Über einen eigenen TikTok-Kanal verfügt jetzt die Stadt Ronnenberg. Sie will sich damit auch als potenzieller Arbeitgeber für zukünftige Auszubildende oder Studierende präsentieren. mehr...
Augsburg: Informationen direkt aufs Smartphone
[11.07.2024] Aktuelle Nachrichten aus Augsburg erhalten Interessenten künftig über den neuen WhatsApp-Kanal der Stadt direkt aufs Smartphone. mehr...
Kassel: Neuer Auftritt bei TikTok
[10.06.2024] Die Stadt Kassel bespielt verschiedenste Social-Media-Kanäle. Auf Instagram und Facebook hat sie insgesamt über 80.000 Follower. Nun kommt ein neuer Kanal hinzu: Über TikTok will die nordhessische Kommune ein vorwiegend junges Publikum erreichen. mehr...
Bitkom: Social Media als Informationsquelle
[29.04.2024] Mehr als die Hälfte der Internet User informiert sich in sozialen Medien über Politik – davon folgt aber nur eine Minderheit den Accounts von Politikern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Bitkom. Der Verband rät dennoch Politikern aller Ebenen, sich auf Social Media zu engagieren. mehr...
Social-Media-Strategie: Von der Kommune zur Community
[29.04.2024] Soziale Medien sind mehr als Unterhaltung – sie dienen auch der Meinungsbildung und Information. Kommunen und Behörden nutzen die Möglichkeiten von Social Media aber noch viel zu wenig. Dabei sind die Einstiegshürden niedriger als oft angenommen. mehr...
Hanau: Kanal auf WhatsApp
[24.04.2024] Die Stadt Hanau weitet ihre Bürgerkommunikation mit einem eigenen WhatsApp-Kanal aus. Hanauerinnen und Hanauer haben somit die Möglichkeit, wichtige Informationen direkt auf ihr Smartphone zu erhalten. mehr...
Dresden: Stadt nutzt Threads und WhatsApp
[06.02.2024] Die Dresdner Stadtverwaltung weitet ihre Präsenz in den sozialen Medien aus und ist jetzt auch auf den Plattformen Threads und WhatsApp aktiv. mehr...
Frankfurt a.M.: Mobilitätsdezernat startet Instagram-Kanal
[24.01.2024] Über seinen neuen Instagram-Kanal „Frankfurt mobil“ bietet das Frankfurter Mobilitätsdezernat jetzt einen Blick hinter die Kulissen. mehr...
EU-Kommission: Verfahren gegen X eröffnet
[20.12.2023] Gegen die Plattform X wurde jetzt im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste (DSA) ein förmliches Verfahren eröffnet. Der Vorwurf, dem die EU-Kommission dabei nachgehen will, lautet: Verbreitung von illegalen Inhalten. Auch der so genannte blaue Haken wird auf den Prüfstand gestellt. mehr...
Pforzheim: Abschied von X
[07.12.2023] Auf der Social-Media-Plattform X – früher bekannt als Twitter – nehmen Hetze und Desinformation überhand, Moderation findet kaum statt. Aus diesem Grund hat sich die Stadt Pforzheim entschieden, ihren dortigen Account zu löschen und zu Mastodon zu wechseln. mehr...
Hanau: Keine Kommunikation mehr via X
[27.11.2023] Die Stadt Hanau beendet ihre Kommunikationsarbeit auf der Plattform X (vormals Twitter). Grund sei die zunehmende Verschlechterung der Plattform seit der Übernahme durch Investor Elon Musk, aber auch die ungewisse Zukunft von X. mehr...
Reutlingen: Datenschutzkonformer Social-Media-Einblick
[25.07.2023] Wer selbst nicht in den sozialen Medien aktiv ist und trotzdem die Social-Media-Beiträge der Stadt Reutlingen einsehen will, kann dies nun datenschutzkonform über die Website Stage tun. mehr...
KGSt/Amtshelden: Praxisnahes Social-Media-Wissen
[17.07.2023] Die Kommunikation über Social Media ist auch für Kommunen sinnvoll – wirft aber viele Fragen auf. In Zusammenarbeit mit dem Start-up Amtshelden bietet die KGSt jetzt ein Weiterbildungsprogramm an, das genau auf den Bedarf kommunaler Mitarbeiter zugeschnitten ist. mehr...