Künstliche IntelligenzIn Symbiose mit Maschinen
Die Frage, ob künstliche Intelligenz (KI) ein neues Menschenbild schafft und die Gesellschaft verändert, wurde vor über 40 Jahren intensiv und kontrovers diskutiert. Heute ist gewiss, dass KI unseren Alltag in absehbarer Zukunft vollkommen durchdringt und selbstverständlich auch in der öffentlichen Verwaltung zu Veränderungen führen wird.
Chatbots oder Übersetzungsprogramme, die eine Kommunikation mit natürlicher Sprache ermöglichen, kommen heute schon in Dienstleistungsunternehmen und teilweise bei Behörden zum Einsatz. Innovativer als dieses Gebiet der KI sind aber Programme und Algorithmen, welche die Entscheidungsprozesse in der Verwaltung unterstützen oder gar autonom durchführen. Hierzu zählen die Mustererkennung oder Expertensysteme für spezielle Aufgabengebiete sowie Optimierungsprogramme für Verkehrswege. Diese Techniken verbessern nicht nur die Produktivität, sondern verändern auch die Anforderungen an das Personal.
Die Befürchtung, dass künstliche Intelligenz den Menschen in der Verwaltung vollkommen verdrängt, wird sich nicht bestätigen. Die Aussagen von Carl Benedikt Frey und Michael Osborne, die in der Studie „The future of employment: How susceptible are jobs to computerisation?“ nachweisen, dass fast jeder zweite Arbeitsplatz in den USA der Automatisierung zum Opfer fallen wird, kann nicht uneingeschränkt übertragen werden. Im Artikel „Bedroht die Digitalisierung die Arbeitswelt“ von Holger Bonin (FAZ, 27. Mai 2019) wurde argumentiert, man müsse berücksichtigen, dass die Tätigkeitsfelder speziell in den Verwaltungsberufen sehr heterogen sind. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich die Tätigkeitsprofile der Mitarbeiter an die technischen Innovationen anpassen werden und es eine Symbiose zwischen Menschen und Maschinen geben wird. Des Weiteren ist zu erwarten, dass gerade in Bereichen, wo Personalmangel besteht, in innovative Technologien investiert wird, da nur so das Defizit beseitigt werden kann.
Produktivität steigern
Das trifft mit Sicherheit auf die deutschen Verwaltungen zu, da diese unter dem demografischen Wandel und der starken Konkurrenz aus der Privatwirtschaft leiden. Die Produktivität lässt sich erhöhen, wenn sich der Mensch auf seine Kernkompetenzen konzentriert und der künstlichen Intelligenz die Vorbereitung von Entscheidungen überlässt. Hierbei entsteht jedoch das Problem für die Verwaltung, dass sie ihre Strategien zur Personalentwicklung an diesen Innovationsprozess anpassen muss.
Welche Auswirkungen KI auf die Zukunft der Arbeit haben kann, erörtern Paul Daugherty und James Wilson in ihrem Buch „Human + Machine“ (2018). Sie beklagen dabei die fehlende Mitte zwischen rein menschlichen und rein maschinellen Aktivitäten. Menschliche Aktivitäten entspringen den Bereichen der Führung und der Empathie, während die maschinellen Aktivitäten auf Routine- und logisch-analytischen Funktionen beruhen. Im Zwischenbereich der Mensch-Maschine-Aktivitäten sehen die Autoren ein erhebliches Potenzial, das zu einer Produktivitätssteigerung führen kann.
Die erste Kategorie der neuen Tätigkeiten sind die Trainer. Der Mensch ergänzt die Maschine oder das KI-Programm, indem er es trainiert. Fast alle KI-Programme basieren auf maschinellem Lernen (Deep Learning), sie werden also besser, je intensiver man mit ihnen arbeitet. Da die Qualität eines KI-Programms für den Praxiseinsatz hoch sein sollte, muss dieses vorbereitet werden. Da Verwaltungsaufgaben von Kommune zu Kommune außerdem stark variieren können, müssen auch die KI-Systeme an spezielle, lokale Bedingungen angepasst werden.
Dazu sind konkrete Fälle aus der Verwaltung hilfreich. Beispiele für solche Trainingstätigkeiten sind etwa die Suche nach geeigneten Fällen oder Daten. Auch muss geprüft werden, wie die Mitarbeiter mit dem Programm umgehen. Zu beachten ist dabei, dass der Algorithmus von KI-Programmen durch die Anwendung komplexer und intransparenter werden kann. Der Mitarbeiter muss als Anwender den Algorithmus testen, beobachten und erklären können. Das dürfte insbesondere bei Konfliktfällen von hoher Bedeutung sein. Insofern muss das Wissen des Mitarbeiters weiterhin hoch sein, da nicht jeder Entscheidungsvorschlag des Programms übernommen werden kann.
Integration von KI als Standortfaktor
Die beiden Autoren Paul Daugherty und James Wilson schlagen noch eine dritte Kategorie von neuen Tätigkeiten vor und subsumieren diese unter dem Begriff Erhalter. Das bedeutet, der Mitarbeiter überwacht die Entscheidungen der KI und überprüft diese nach den Vorgaben der Verwaltungsspitze. Hier können spezielle Compliance-Vorgaben berücksichtigt werden. Die drei Kategorien dürften nicht alle gleichermaßen Anwendung finden. So ist das Training insbesondere in der Startphase von hoher Bedeutung. Die beiden anderen Kategorien kommen in späteren Phasen stärker zum Tragen.
Auch der Mitarbeiter profitiert von der Maschine oder dem KI-Programm. Mithilfe einer KI-basierten Übersetzungssoftware können beispielsweise Kommunikationsprobleme überwunden werden. Ebenso entlasten Chatbots die Verwaltung, da vorab Probleme besser kanalisiert werden können. KI-Programme können so zu einer Stärkung des Mitarbeiters führen.
KI-Programme werden nicht erst in zehn oder zwanzig Jahren Einzug in die Verwaltung halten. Schon heute erwarten die Bürger von der Verwaltung, dass sie solche Technologien einsetzt. Das gilt insbesondere für Menschen, die bereits in stark digitalisierten Bereichen arbeiten. Insofern ist die Frage der Integration von KI-Systemen auch ein Standortvorteil für eine Kommune. Außerdem wirkt es sich positiv für eine Verwaltung und ihre Beschäftigten aus, wenn diese nicht den Eindruck haben, noch im Zeitalter des Bürokratiemodells von Max Weber arbeiten zu müssen.
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