Sonntag, 10. November 2024

Social MediaInteraktiv im sozialen Netzwerk

[20.06.2016] Social Media gewinnen auch in der Behördenkommunikation an Bedeutung. Warum Kommunen sich dabei weder in Hochglanz darstellen, noch kritische Kommentare fürchten müssen, erklärt Claus Arndt, Leiter der Stabsstelle Zentrales E-Government der Stadt Moers.
Claus Arndt

Claus Arndt

(Bildquelle: Stadt Moers)

Herr Arndt, die Stadt Moers zählt zu den kommunalen Spitzenreitern im Social-Media-Bereich. Was zeichnet einen guten Social-Media-Auftritt einer Kommune aus?

Ein guter Social-Media-Auftritt sollte vor allem eines sein: social. Soziale Netzwerke dienen in erster Linie der Kommunikation – das darf man nicht vergessen. In Seminaren werde ich häufig gefragt, ob man die Kommentarfunktion deaktivieren kann. Das zeigt mir, dass der Sinn von Social Media nicht verstanden wurde oder nur halbgare Varianten zum Einsatz kommen sollen, bei denen die Verbreitung von Informationen das alleinige Ziel, der Bürgerdialog aber nicht erwünscht ist. Hinter dieser Denke stecken meist Ängste vor einem Shitstorm oder dem Kontrollverlust außerhalb der Öffnungszeiten. Nach unseren langjährigen Erfahrungen werden diese Gefahren jedoch völlig überbewertet. Kommunen sollten also offensiv die interaktiven Möglichkeiten sozialer Netzwerke nutzen und sich dabei kreativ auf das jeweilige Umfeld einlassen. Dazu gehört, dass sie abseits der Behördensprache einen Dialog auf Augenhöhe führen, ebenso witzig wie seriös agieren und möglichst schnell reagieren. Natürlich gehört zu einem guten Social-Media-Auftritt einer Behörde auch, dass die Verantwortlichen Recht und Gesetz im Blick haben. Bei den Postings sind also der Datenschutz sowie Urheber- und Persönlichkeitsrechte zu beachten. Ein Impressum darf auf keiner Plattform fehlen und bestenfalls wird auf den Einsatz von Social Plugins verzichtet.

Welche Zielgruppe erreichen Kommunen über Social Media?

Das ist abhängig von der Plattform. Die breiteste Streuung erreicht man immer noch über Facebook, eine Plattform, die inzwischen auch ältere Generationen für sich entdecken. Es ist kein Geheimnis, dass die Kids heute besser über Snapchat und Instagram erreichbar sind. Mitunter bietet es sich an, zu speziellen Themen eigene Kanäle neben den zentralen Plattformen zu betreiben. Ein gutes Beispiel ist der Twitter-Kanal der Stadt Moers zum Thema Open Data, über den wir ein aktives Networking mit der hochspezialisierten Community betreiben können.

Warum sollten Kommunen soziale Medien nutzen?

Soziale Medien bieten in Zeiten eines völlig veränderten Medienverhaltens die Chance, Menschen mit Informationen und Kommunikationsangeboten zu erreichen. Allein mit klassischer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wird es immer schwieriger, Infos zu platzieren. Umfang, Inhalt, Zeit und Schlagzahl können wir selbst bestimmen und es gibt einen Rückkanal, über den Fragen, Meinungen, Stimmungen und Ideen eingefangen werden können. Die Art und Weise der Kommunikation baut Hürden zur Verwaltung ab: Tastatur und Smartphone statt Ärmelschoner – das Image der Verwaltung kann sich durch den engagierten Einsatz sozialer Medien positiv verändern. Für viele Menschen ist ein völlig alltäglicher Kommunikationskanal entstanden. Es werden einfache Möglichkeiten gewählt, um Fragen an die Verwaltung zu richten. Die Nutzung von Apps ersetzt den Griff zum Telefonhörer – das ist die Realität, der wir uns stellen müssen.

„Die Nutzung von Apps ersetzt den Griff zum Telefonhörer – das ist die Realität, der wir uns stellen müssen.“
Welche Inhalte sind für Social Media geeignet?

Hier öffnet sich wirklich ein breites Spektrum. Ich empfehle auf jeden Fall, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und nicht nur reine Verwaltungsnachrichten zu posten. Gerade auf Facebook ist ein guter Mix angesagt: Der Regenbogen über der Stadt gehört genauso dazu wie die Genehmigung des Haushalts. Nichts ist schlimmer und langweiliger als ein Pressefeed, der via Schnittstelle für die alleinigen Inhalte auf Facebook oder Twitter sorgt. Man sollte auch keine Scheu davor haben, problematische Dinge anzusprechen, bei denen auch mit kritischen Kommentaren zu rechnen ist. Transparenz ist wichtig, wenn die Behörde authentisch sein und die Menschen erreichen möchte. Deshalb bilden wir Moers nicht allein in Hochglanz ab, sondern auch mit allen Ecken und Kanten.

Welche Nachteile hat die Social-Media-Nutzung für Kommunen?

Ganz ehrlich? Dazu fällt mir auch nach über sechs Jahren Social-Media-Engagement nichts ein.

Wie hoch ist der zusätzliche Arbeitsaufwand durch Social Media?

Das hängt stark davon ab, welche Plattformen genutzt werden, wie intensiv gepostet und interagiert wird. Ein Beitrag für Facebook ist in aller Regel schnell verfasst, die Produktion eines Videos für den YouTube-Kanal kann schon deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen. In Moers haben wir die Arbeit an den zentralen und dezentralen Angeboten auf mehrere Schultern verteilt, sodass keine zusätzlichen Stellen oder Stellenanteile geschaffen werden mussten. Es ist wichtig zu sehen, dass es nicht immer um zusätzlichen Aufwand geht, sondern dass es auch zu einer Umverteilung kommt. Unsere Pressestelle hat zum Beispiel die Zahl der Pressekonferenzen deutlich zurückgefahren. Es werden auch weniger Printprodukte erstellt. Der Aufwand wird heute lieber in die Social-Media-Arbeit investiert.

Welche Social-Media-Angebote sind für Kommunen am besten geeignet?

Facebook ist nach wie vor unangefochten die Nummer eins. Die Fanzahlen steigen kontinuierlich und die Interaktionsraten sind sehr gut. Auch Twitter ist ein hervorragendes Instrument, das sich optimal auch für Spezialangebote eignet. Unser Open-Data-Kanal ist hierfür ein gutes Beispiel. YouTube halte ich auch für wichtig, sofern dort regelmäßig Videos hochgeladen werden. Einige Städte haben sehr gute Erfahrungen mit Instagram gemacht. Man schaue sich einfach mal die tolle Arbeit der Stadt Nürnberg an. Auch Snapchat ist interessant, wenngleich für mich noch nicht ganz klar ist, wie eine Kommune sich hier gut bewegen kann. Beide Kanäle sollte man aber wegen der jungen Nutzergruppe auf dem Schirm haben.

Was empfehlen Sie einer Kommune, wenn sie in die Social-Media-Nutzung einsteigen will?

Sie sollte sich ihre Ressourcen anschauen und überlegen, was sie wirklich leisten kann. Das bedeutet, dass sie sich im Zweifel auf ein oder zwei Angebote konzentriert. Wichtig ist, dass die Social-Media-Redakteure mit Enthusiasmus an die Sache herangehen und auch Vertrauen genießen. Lange Freigabe-Workflows sind in einer Welt, die häufig schnelle Reaktionen verlangt und von Spontanität gekennzeichnet ist, fehl am Platz.

Wie wird sich das Thema Social Media in Kommunen Ihrer Meinung nach weiterentwickeln?

Social Media wird zum Normalfall. Es werden immer wieder neue Plattformen dazukommen und andere wegfallen. Der Prozess der Öffnung wird aber nicht mehr aufzuhalten sein. Social Media wird als Instrument des Bürgerservices und als wichtiger Baustein der Krisenkommunikation in Katastrophenfällen weiter an Bedeutung gewinnen. Hier sind die Potenziale noch lange nicht ausgereizt.

Interview: Verena Barth




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