Donnerstag, 13. März 2025

REPORTIT aus der Wolke

[18.10.2010] Cloud-Computing-Angebote sind für die öffentliche Hand interessant, weil die Datenverarbeitung in der Wolke ein hohes Einsparpotenzial bietet. Allerdings sind der öffentlichen Verwaltung dabei auch enge datenschutzrechtliche Grenzen gesetzt.

Das Thema Cloud Computing ist derzeit in aller Munde. Dabei werden Infrastruktur, Plattformen oder Anwendungen in dezentralen Rechenzentren bereitgestellt, der Zugriff erfolgt über das Internet. Von der Auslagerung von Hard- und Software ins Web versprechen sich Unternehmen vor allem eine Senkung der IT-Kosten, mehr Flexibilität sowie eine höhere Qualität. Diese Vorteile der Cloud-Angebote sind auch für die öffentliche Hand interessant, werden doch insbesondere die Kommunen vermutlich noch längere Zeit unter klammen Kassen zu leiden haben. Der umfassenden Verlagerung von Infrastrukturen und Anwendungen in die Rechenwolke stehen allerdings Datenschutzbedenken entgegen.

Einsatz im Ausland

Vor allem in den USA setzen bereits erste Kommunen auf Anwendungen aus der Wolke. So arbeiten künftig etwa die über 15.000 Mitarbeiter der Stadtverwaltung von Los Angeles mit Google Apps. Bei der Cloud-Computing-Implementierung wurde die Stadt von dem Unternehmen CSC unterstützt. Der Umstieg auf die Google-Anwendungen soll noch im Herbst dieses Jahres abgeschlossen werden. Um technische Dienstleistungen in Zukunft schneller und kostengünstiger anbieten zu können, setzt außerdem der Bundesstaat Minnesota auf Cloud Computing und hat dafür einen Dienstleistungsvertrag mit Microsoft unterzeichnet. Die Partnerschaft erlaubt es dem Staat nach Angaben von Verantwortlichen, Redundanzen zu verringern und bei Updates und laufenden Kosten Millionen von Dollar einzusparen. In die Private Cloud will Minnesota auch wichtige Geschäftsanwendungen verlegen.

Mehr als ein Hype

Analysten gehen davon aus, dass sich die Nutzung von Cloud-Computing-Angeboten auch hierzulande in den kommenden Jahren zu einem Milliarden-Markt mit hoher standortpolitischer Bedeutung entwickeln wird. So kommt eine Studie, die das Beratungsunternehmen Experton Group im Auftrag des Hightech-Verbandes BITKOM durchgeführt hat, zu dem Ergebnis, dass die Ausgaben für Cloud-Technologien, -Services und Beratung in Deutschland von rund 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 8,2 Milliarden Euro im Jahr 2015 steigen werden. Die Wachstumsraten sollen bis 2015 im Durchschnitt bei jährlich über 40 Prozent liegen. Damit würden in fünf Jahren etwa zehn Prozent der gesamten IT-Ausgaben in Deutschland auf Cloud-Technologie entfallen. Derzeit am häufigsten genutzte Anwendungsszenarien sind laut der Experton-Studie der Betrieb von Web-Anwendungen, Storage und Backup sowie die Virtualisierung von Rechenzentrumsinfrastrukturen.
„Der Markt für Cloud Computing explodiert förmlich“, meint René Obermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom und BITKOM-Vizepräsident. „Cloud Computing zählt zu den wichtigsten IT-Themen des Jahres 2010“, folgert Matthias Zacher, Senior Advisor bei der Experton Group. Auch für Joachim Schiff, Werkleiter des Informations- und Kommunikationsinstituts der Landeshauptstadt Saarbrücken (IKS), ist Cloud Computing längst kein Hype mehr, sondern ein Konzept mit Zukunft. Ein Grund: „Beim Cloud Computing werden erprobte und vorhandene Techniken genutzt – sie werden lediglich unter einem neuen Namen zusammengefasst“, so Schiff. Zudem sei es eine vernünftige und einsichtige Strategie, vorhandene Server zu teilen. Jede Mitfahrgemeinschaft basiere auf diesem Prinzip.

Aktionsprogramm des BMWi

Aufgrund seiner großen technologischen und wirtschaftlichen Bedeutung spielt das Thema Cloud Computing auch für den Bund eine wichtige Rolle: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) will im Rahmen eines Aktionsprogramms Best-Practice-Vorhaben umsetzen und somit Innovations- und Marktpotenziale erschließen. Übergreifendes Ziel ist es, technische, organisatorische und rechtliche Hindernisse bei der Anwendung von Diensten aus der Wolke zu beseitigen.
Ein zentraler Bestandteil des Aktionsprogramms ist der Wettbewerb Trusted Cloud. Hierfür stellt das BMWi Mittel in Höhe von rund 30 Millionen Euro zur Verfügung. Noch bis zum 14. Januar 2011 können Ideen für sichere Cloud-Computing-Lösungen für den Mittelstand und den öffentlichen Sektor eingereicht werden. Die fünf bis zehn ausgewählten Pilotprojekte werden dann im Rahmen der CeBIT 2011 bekanntgegeben – die Messe wartet im kommenden Jahr mit einer eigenen Sonderschau zum Thema auf, die das BMWi gemeinsam mit dem Branchenverband BITKOM ausrichtet. Gezeigt wird auf der „Cloud Computing World“ auch das Online-Portal cloud-practice.de des BITKOM, das als zentrale Informations- und Kommunikationsplattform für Anbieter und Anwender von Cloud Computing in Deutschland konzipiert wurde.

Arbeiten an der Government Cloud

An einem Cloud-Computing-Angebot speziell für die öffentliche Verwaltung arbeiten derzeit unter anderem der IT-Dienstleister Dataport und das Unternehmen Microsoft. Nach Angaben der beiden Partner wird die Government CloudMail in einem ersten Pilotprojekt als hoch standardisierte Lösung für die E-Mail-Kommunikation erprobt. Künftig könnten darüber dann weitere Anwendungen, Infrastrukturen sowie Plattformen bereitgestellt, verwaltet und nach Nutzung abgerechnet werden. Jeder Kunde erhalte eine eigene standardisierte und sichere IT-Umgebung (Private Cloud). Entwickelt wird die Government CloudMail zunächst primär für kommunale Einrichtungen in Schleswig-Holstein. Aber auch andere öffentliche Einrichtungen sollen von der Kooperation profitieren. „Gemeinsam entwickeln wir die erste Private Cloud für die öffentliche Hand und schaffen damit das Fundament für Cloud Computing in den deutschen Kommunen“, so Microsoft-CEO Steve Ballmer.
Außerdem arbeiten Mitglieder der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister, Vitako, an einer Government Cloud. Das Informations- und Kommunikationsinstitut der Landeshauptstadt Saarbrücken entwickelt im Rahmen der Facharbeitsgruppe das Geschäftsmodell sowie das technische Konzept. Werkleiter Joachim Schiff: „Wir hoffen, im nächsten Jahr mit den ersten Tests beginnen zu können. Wenn alles klappt, könnte unsere Government Cloud 2012 oder 2013 in Produktion gehen. Das ist sicher ein ambitioniertes, aber kein unrealistisches Ziel.“
Die kommunalen IT-Dienstleister sollten die Chance unbedingt nutzen, sich als Cloud-Anbieter zu etablieren, meint Schiff. Durch eine Government Cloud könnten den Kunden IT-Services künftig zu niedrigeren Kosten oder in attraktiverer Form zum gleichen Preis angeboten werden. Die Risiken der Cloud-Technologie könnten die kommunalen IT-Dienstleister dagegen auf ein Minimum reduzieren. Schiff: „Wir sind öffentlich kontrolliert, arbeiten ausschließlich in abgeschotteten Rechenzentren und können auf Basis des DOI-Netzes sicher miteinander kommunizieren.“ Zudem sieht der IKS-Werkleiter auch auf Seiten der Dienstleister dringenden Handlungsbedarf: „Es ist auf Dauer nicht einzusehen, dass wir auf kommunaler Ebene Hunderte von Rechenzentren betreiben. Hier muss eine Konsolidierung erfolgen. Cloud Computing kann uns dabei helfen.“ Langfristiges Ziel müsse eine gemeinsame Private Cloud der kommunalen IT-Dienstleister auf Basis des DOI-Netzes sein, welche eine extrem hohe Verfügbarkeit, hervorragende Services und gute Preise biete.

Vorreiter kommunale Gebietsrechenzentren

Im Grunde kommen Private Clouds im kommunalen Bereich bereits seit den 1970er-Jahren zum Einsatz, meint Frank Wondrak, Vorsitzender der Geschäftsführung der Kommunalen Datenverarbeitung Region Stuttgart (KDRS) und des Rechenzentrums Region Stuttgart (RZRS). Auf entsprechenden Methoden basiert nämlich das Geschäftsmodell der kommunalen Gebietsrechenzentren: Die angeschlossenen Kommunen müssen für die in Anspruch genommene IT-Leistung keine eigenen Kapazitäten vorhalten, sondern greifen geschützt auf zentrale IT-Ressourcen zu, über welche Rechnerleistung, Speicher und Applikationen bereitgestellt werden. „Um von einer Private Cloud for Public Sector sprechen zu können, ist aber auch ein entsprechendes Abrechnungsmodell erforderlich“, erklärt Wondrak. So habe das Rechenzentrum Region Stuttgart (RZRS) im Jahr 2009 die ersten Software-as-a-Service-Angebote auf den Markt gebracht. Die kommunalen Kunden zahlen seitdem beispielsweise für IT-Lösungen im Bereich Jugend und Soziales eine monatliche User-Pauschale, die Anzahl der Nutzer kann dabei monatlich variieren.

Standards für den Datenschutz

Der Ansatz des Public Cloud Computing scheint dagegen für die öffentliche Verwaltung derzeit nicht empfehlenswert. Frank Wondrak: „Ämter und Behörden können sensible und sicherheitsrelevante Daten und Anwendungen nicht einfach nach Effizienzkriterien über die Welt verteilen, da diese gesetzlich einem besonderen Schutz unterliegen.“
Auch Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), ist der Meinung, dass die meisten der derzeit bestehenden Angebote nicht mit dem geltenden Datenschutzrecht vereinbar sind und daher nicht zur Verarbeitung personenbezogener Daten genutzt werden dürfen. Vertraulichkeitsbeteuerungen der Anbieter seien kaum verifizierbar und basierten größtenteils auf dem Motto „Sicherheit durch Unklarheit“. Weichert fordert daher einheitliche, transparente und überprüfbare Standards für Cloud-Computing-Angebote.
Für einheitliche Standards und eine internationale Angleichung von Datenschutzbestimmungen plädierte im Rahmen einer BITKOM-Konferenz zu Cloud Computing auch Telekom-Chef René Obermann. Zudem ist er ebenso wie Thilo Weichert für die staatliche Zertifizierung von Cloud-Angeboten. Von einer internationalen, gesetzlichen Regulierung für Cloud Computing sei man aber noch weit entfernt, meint der Leiter des ULD. Als Zwischenschritt schlägt er vertragliche Lösungen vor, die den notwendigen internationalen Normen den Weg bereiten. Anbieter, Nutzer, Forschung, Datenschützer und Politik müssten gemeinsam daran arbeiten, dass kontrollierte vertrauenswürdige Rechenwolken im Markt verfügbar gemacht werden. „Andernfalls kann Cloud Computing keinen Bestand haben“, ist Weichert überzeugt.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat hierzu bereits einen ersten Schritt getan und ein Eckpunktepapier zur Informationssicherheit bei Cloud Computing veröffentlicht. Dieses stellt die Verarbeitung von besonders schützenswerten Informationen, etwa personenbezogenen Daten, in der Rechenwolke in den Fokus. Gemeinsam mit Anbietern und Anwendern sollen nun auf Grundlage des Dokuments sachgerechte Sicherheitsanforderungen an Cloud-Computing-Lösungen erarbeitet werden, die künftig zur sicheren Bereitstellung solcher Dienstleistungen herangezogen werden sollen. Das Eckpunktepapier steht noch bis zum 3. Januar 2011 online zur Diskussion und Kommentierung bereit.





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