Donnerstag, 21. November 2024

InterviewJeder findet alles

[09.12.2019] In Rheinland-Pfalz können Städte, Gemeinden und Kreise im Kommunalen Kaufhaus (KoKa) shoppen. Über die Vorteile des virtuellen Zentraleinkaufs sprach Kommune21 mit Klaus Faßnacht vom Betreiber Kommunalberatung Rheinland-Pfalz.
Klaus Faßnacht

Klaus Faßnacht

(Bildquelle: Kommunalberatung Rheinland-Pfalz GmbH)

Herr Faßnacht, als ehemaliger Leiter der Vergabestelle der Landeshauptstadt Mainz haben Sie langjährige Erfahrung mit der Digitalisierung von Vergabe und Einkauf. Warum sind Vergabelösungen bei der öffentlichen Hand nicht flächendeckend verbreitet?

In Mainz haben wir schon im Jahr 2001 die erste E-Vergabe durchgeführt. Das war damals ungewöhnlich. Es gab zwar erste Einkaufsplattformen, aber viele kommunale Entscheidungsträger haben sich nicht herangetraut und die E-Vergabe auch nicht ernst genommen. In vielen Vergabestellen herrschte die Auffassung: Solange wir nicht müssen, machen wir es nicht. Das hat sich erst mit dem neuen Vergaberecht geändert.

Steht damit der E-Vergabe nichts mehr im Weg?

Bei der E-Vergabe ist mit der Einführung der Unterschwellen-Vergabeordnung alles geklärt. Ich empfehle, auch unterhalb von 25.000 Euro eine Vergabeplattform zu nutzen. Den Bürgermeistern sage ich: Hören Sie auf, Papier zu verschicken, selbst bei einem Auftragsvolumen von 1.000 Euro vereinfacht die E-Vergabe den ganzen Prozess erheblich.

Seit 2016 bietet der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz eine Einkaufslösung für Gemeinden und Städte an. Wie hat sich das Kommunale Kaufhaus entwickelt?

Die Idee zum KoKa stammt von der Stadt Mainz. Wir haben einen Webshop aufgebaut, in dem alle benötigten Produkte bestellt werden können. Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz hat erkannt, dass das auch mit verschiedenen Kommunen im ganzen Land funktioniert. Die technische Lösung des Anbieters TEK-Service war einfach zu übertragen. Der Webshop dient nun als virtueller Zentraleinkauf insbesondere für die Massenbestellung von C-Artikeln. Heute haben 70 von 155 Verbandsgemeinden einen Rahmenvertrag mit uns. Insgesamt mehr als 1.400 Einkäufer bestellen beim KoKa.

Mit welchen Argumenten überzeugen Sie die Kommunen, das KoKa zu nutzen?

In einer Verbandsgemeinde ist der Einkauf nur ein Teil der Arbeitsplatzbeschreibung der damit befassten Mitarbeiter. Wenn sie nun nicht ständig Artikel recherchieren und Preise vergleichen müssen, ist das ein enormer Vorteil. Auf den Punkt gebracht hat das der Bürgermeister von Boppard: Ich möchte nicht, dass unsere Mitarbeiter über einen Pritt-Stift nachdenken.

Welches Sortiment bietet das KoKa?

Wir haben 21 verschiedene Produktlinien, die Artikel reichen von Arbeitskleidung bis Zement. Es gibt Schrauben, unterirdische Wasserarmaturen, Schüttgut, Tinte, Toner und Windeln, kurz gesagt: Man findet fast alles, was eine Verwaltung oder auch Gemeindewerke täglich brauchen. Auch einen StreetScooter, den E-Transporter der Post, kann man im KoKa bestellen.

Wie kommt das Sortiment zustande, woher kommen die Bedarfe und wie funktioniert dann die Ausschreibung?

Das Sortiment wird letztlich vom Bedarf bestimmt. Wenn spezielle Produkte gewünscht werden, suchen wir einen entsprechenden Lieferanten. Bei der Ausschreibung dieser Produkte gehen wir einen alternativen Weg, weil wir anfangs nicht wissen, auf welche Nachfrage die Produkte treffen. Vergaberechtlich sortieren wir das als nichtbeschreibbare Leistungen ein. Wir kennen zwar die Produkte und den Kundenstamm, eine Ausschreibung können wir aber nicht durchführen, weil die Liefermengen nicht klar sind. Wir drehen deshalb den Spieß um. Es werden Rahmenverträge mit ganz kurzer Laufzeit abgeschlossen. Der Lieferant wird mit seinen Produkten in den Webshop aufgenommen, und es kann sein, dass er Euro Umsatz macht. Wenn die Laufzeit endet und Nachfrage da ist, können wir mit echten Daten ausschreiben.

Wie hoch ist derzeit das Umsatzvolumen im Kommunalen Kaufhaus?

Angefangen haben wir mit 2.000 Euro Umsatz im Monat, nun liegen wir monatlich bei rund 100.000 Euro, Tendenz steigend. So langsam leeren sich die Lager der Kommunen und sie merken, dass unsere Produkte eine gute Qualität haben und die Preise sehr attraktiv sind. Auch die Skeptiker wechseln langsam die Seiten und bestellen über das KoKa.

„Auch die Skeptiker wechseln langsam die Seiten und bestellen über das KoKa.“
Welche Rückmeldungen haben Sie aus den teilnehmenden Kommunen bekommen?

Ich will uns nicht selbst beweihräuchern, aber wir haben eine sehr gute Resonanz. Eine Kita-Leiterin hat mir erzählt, dass sie nicht mehr zu ihren pädagogischen Aufgaben kam, weil sie alles selbst einkaufen musste. Jetzt ist das ein kleiner Routineprozess: Hygieneartikel, Kindernahrung und Holzspielzeug können mit einem Bestellschein beschafft werden. Der Vorteil ist, dass jeder alles findet, und das Handling so einfach ist wie bei Amazon. Nur kommen bei uns die meisten Lieferanten aus Rheinland-Pfalz.

Werden die Ziele höhere Wirtschaftlichkeit und mehr Effizienz beim Einkauf erreicht?

Ich kann keine Zahlen nennen, wie einzelne Kommunen vom KoKa profitieren. Aber klar ist, dass die Prozesskosten bei der Beschaffung um nahezu 50 Prozent gesenkt werden. Auch die Zeit, die benötigt wird, um einen Beschaffungsvorgang durchzuführen, reduziert sich um die Hälfte. Und durch die aktuellen Ausschreibungen sehen wir, dass auch die Einkaufspreise ganz erheblich nach unten gehen. In einem Artikelsektor haben wir beispielsweise die Preise um 39 Prozent gedrückt.

Seit August 2019 werden Einkaufsdienstleistungen ausschließlich elektronisch fakturiert. Welche Vorteile hat dies für die Kommunen?

Dies wird durch eine Neuentwicklung unseres Dienstleisters TEK-Service ermöglicht. Die E-Rechnungen werden gemäß den Standards XRechnung und ZUGFeRD 2.0 erzeugt und elektronisch an die KoKa-Mitglieder versandt. So kann die Bestellung als Datei direkt in die kommunale Finanz-Software integriert werden. Zudem bieten wir ein Gutschriftverfahren an. Sobald eine Ware eingegangen ist, wird eine Gutschrift erstellt und die Lieferung ist bezahlt. Damit wird der komplette Prozess der Rechnungsstellung und -prüfung überflüssig, auch das Mahnwesen fällt weg.

Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?

Wir arbeiten weiter daran, alle Produkte, die im kommunalen Bereich nachgefragt werden, im Kaufhaus anzubieten. Dazu gehören auch Fahrzeuge und das Thema Elektromobilität. Zudem soll die Integration in die kommunalen Finanzprogramme verbessert werden, um mehr Synergien zu schaffen bis hin zur Budgetplanung. Darüber hinaus wollen wir den Bürgermeistern deutlich machen, dass sie die Qualität des Einkaufs steuern können. So kann eine umweltfreundliche, nachhaltige Beschaffung einfach umgesetzt werden. Und wenn bekannt ist, was beschafft wird, kann auch gespart werden. Wenn auf handgeschöpftes Büttenpapier verzichtet wird, bringt das womöglich 10.000 Euro pro Jahr.

Interview: Alexander Schaeff




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