Donnerstag, 5. Dezember 2024

New WorkJetzt die Weichen stellen

[04.04.2022] Digitalisierung und veränderte Ansprüche der Mitarbeitenden machen es für Verwaltungen unumgänglich, sich mit modernen Arbeitsformen zu beschäftigen. Erste Erfahrungen der Städte Bochum und Wuppertal sowie der Kreise Soest und Darmstadt-Dieburg sind positiv.
Wuppertal: Auf dem Weg zu neuen Arbeitswelten.

Wuppertal: Auf dem Weg zu neuen Arbeitswelten.

(Bildquelle: mojolo/stock.adobe.com)

Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass mobiles Arbeiten und Homeoffice auch in der öffentlichen Verwaltung vermehrt Einzug halten. Zahlreiche Kommunen haben sich aber schon vor der Pandemie mit dem Thema New Work beschäftigt – schon allein deshalb, weil der drohende Fachkräftemangel und das Werben um Nachwuchskräfte es gebieten, dass sich die Behörden als attraktive Arbeitgeber präsentieren. Und dazu gehören eben auch moderne Arbeitsumgebungen und -modelle, die den veränderten Ansprüchen der jüngeren Generation Rechnung tragen.
So investiert etwa die Stadt Wuppertal seit Jahren erhebliche Ressourcen in die Modernisierung der Verwaltung und hat im Rahmen ihrer Digitalisierungsstrategie digiTal2023 unter anderem die Weichen für eine neue Arbeitswelt gestellt. „Die Modernisierung der Prozesse, der Ausstattung und des Arbeitsumfelds soll dazu beitragen, dass die Stadtverwaltung Wuppertal als attraktive Arbeitgeberin wahrgenommen wird – intern und extern“, sagt Johannes Slawig, Kämmerer der Stadt Wuppertal. Für die Mitarbeitenden bedeute die Möglichkeit zur Nutzung von Telearbeit und mobiler Arbeit zum Beispiel eine bessere Verzahnung von Arbeits- und Lebensstil, für die Stadt ergebe sich die Chance, Flächen effizienter und flexibler zu nutzen und der herrschenden Raumnot bei gleichzeitig freistehenden Flächen an anderer Stelle begegnen zu können. Für die zukünftige Arbeitswelt müssten allerdings neue Raumnutzungskonzepte geschaffen und die technische Ausstattung modernisiert werden.
Als aufgrund der Covid-19-Pandemie der Publikumsverkehr stark reduziert und die Arbeitsorganisation innerhalb der Verwaltung kurzfristig umgestellt werden musste, konnten in Wuppertal durch die bereits vorhandene technische In­frastruktur erhebliche Teile der Belegschaft im Homeoffice arbeitsfähig gehalten werden. Im Zuge der Pandemie haben die Themen Homeoffice und mobiles Arbeiten dann eine rasante Entwicklung erfahren: Circa 1.700 Nutzer wurden nach Angaben der Stadt Wuppertal seit Beginn der Corona-Pandemie mit einem dienstlichen mobilen Endgerät ausgestattet. Hinzu kämen mehr als 2.000 Nutzer, die sich aus dem Homeoffice heraus auf das städtische Netz aufschalten können; mehr als 1.200 zusätzliche Zugänge seien innerhalb weniger Tage eingerichtet worden. Die Eingangspost einiger Ämter werde jetzt in zwei modernen Scan-Straßen gescannt und digital verteilt – auch diese Umstellung sei aufgrund der Pandemie schneller als ursprünglich geplant erfolgt.

Konzepte für Arbeitsformen der Zukunft

Besprechungen mit mehreren Personen finden in Wuppertal seit Beginn der Pandemie fast ausschließlich virtuell statt. Bei der internen Kommunikation setzt die Stadtverwaltung auf klassische Kommunikationsmittel wie das Intranet und E-Mails. Auch die Mitarbeiter-App MIA, in der sich relevante Informationen für den Arbeitsalltag und Neuigkeiten aus der Stadtverwaltung wiederfinden, hat durch die Pandemie an Bedeutung gewonnen und wird momentan von mehr als 3.000 Mitarbeitenden regelmäßig verwendet. Die zukünftige Arbeitswelt fordert zudem neue Tools für die Kommunikation und Zusammenarbeit. Ein großer Fokus liegt in Wuppertal dabei auf der Einführung eines neuen Intranets – unter Leitung des Amts für Informationstechnik und Digitalisierung ist ein entsprechendes Relaunch-Projekt gestartet, welches einen neuen Workplace für Mitarbeiter konzipieren und in den kommenden Jahren umsetzen soll.
Um die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie aufzugreifen und Regeln für künftige, moderne Arbeitsformen zu schaffen, hat die Stadt im Oktober 2020 das verwaltungsweite Projekt „Zukünftige Arbeitsorganisation der Stadtverwaltung Wuppertal“ initiiert. Die Projektgruppe besteht aus verschiedenen Akteuren der Stadtverwaltung und hat die Aufgabe, Konzepte für Arbeitsformen der Zukunft zu entwerfen und die technischen, organisatorischen, personalwirtschaftlichen und räumlichen Konsequenzen aufzuzeigen, die sich da­raus ergeben.
So wurde etwa die zukünftige Ausstattung der dienstlichen und häuslichen Arbeitsplätze der Beschäftigten definiert. Darüber hi­naus hat sich die Projektgruppe ausführlich mit nötigen Kommunikations- und Kollaborationstools befasst, Schulungskonzepte evaluiert, Leitlinien zur Führung auf Dis­tanz formuliert und die finanzielle Bezuschussung der Mitarbeitenden für die Ausstattung des häuslichen Arbeitsplatzes sichergestellt. Auf Empfehlung der Projektgruppe konnte im Juni 2021 ein Grundsatzbeschluss des Verwaltungsvorstands zur Pilotierung der neuen Arbeitswelt in einzelnen Bereichen der Verwaltung erwirkt werden. Damit die gewonnenen Erkenntnisse möglichst heterogen sind, wurden solche Bereiche der Verwaltung als Piloten ausgewählt, die sich in Form der Tätigkeit, Arbeitsorganisation, Größe und Digitalisierungsstand möglichst unterscheiden. Die gesammelten Erkenntnisse fließen anschließend direkt in das Regelwerk der neuen Arbeitswelt ein.

Corona-Pandemie als Treiber

Auch der Kreis Soest hat sich bereits vor Corona mit New Work beschäftigt. Den Einstieg in das Thema bildete das gemeinsam mit der Hochschule für Berufstätige FOM und der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg durchgeführte Projekt Agilkom. Hierbei wurden in zwei Pilotbereichen des Kreises – der Personalentwicklung sowie dem Bereich IT & Verwaltungsdigitalisierung – Anfang 2020 erste Workshops durchgeführt, um Spielregeln für neue Formen der Kooperation zu erarbeiten. „Der Plan war, diese im Sommer 2020 im Rahmen einer Experimentierphase zu erproben, iterativ anzupassen und so Erfahrungswerte zu sammeln. Diese sollten in eine neue Dienstvereinbarung für Mobiles Arbeiten münden“, berichtet Katrin Knorr, Abteilung Personalentwicklung des Kreises Soest. Von dem kurzfristigen Wechsel ins Homeoffice im Zuge des ersten Lockdowns sei der Kreis zwar überrascht worden, rückblickend habe sich der Lockdown aber zumindest in dieser Hinsicht als Vorteil erwiesen. „Aus den Vorüberlegungen im Workshop sind wir direkt in die Umsetzung gegangen“, so Knorr. In die eigentliche Experimentierphase sei man also mit einem Erfahrungsvorsprung gestartet. „Und obwohl der harte Wechsel ins mobile Arbeiten nicht immer schmerzfrei war, haben wir festgestellt, dass grundsätzlich alle Büroarbeitsplätze unserer Verwaltung in unterschiedlichen Ausprägungen für mobiles Arbeiten geeignet sind.“
Diese Erfahrung kann die Stadt Bochum bestätigen, wo die Corona-Pandemie ebenfalls für einen erheblichen Schub hin zu neuen Arbeitsformen gesorgt hat. Zwar bot die Stadt bereits davor die so genannte „Alternierende Teleheimarbeit“ als eine Form des mobilen Arbeitens an, was auch rege in Anspruch genommen, von den Führungskräften allerdings oftmals kritisch gesehen wurde – weil sie etwa die Produktivität der Beschäftigten, die von zu Hause aus arbeiteten, infrage stellten. „Durch Corona hat sich das verändert“, erklärt Stefan Wissmann, Persönlicher Referent der Dezernentin für Finanzen, Beteiligungen und Bürgerservice bei der Stadt Bochum. „Wir haben gelernt, dass mobiles Arbeiten und das Arbeiten im Homeoffice auch für eine Verwaltung in vielen Bereichen sehr gut funktionieren kann und nicht zu einer Minderung in Qualität und Quantität führt.“
Neue Tools und Verfahren seien in Bochum – teils sehr kurzfristig – in agilen Projekten implementiert und ausgerollt werden; Projekte, die bereits vor Corona gestartet sind, wurden beschleunigt umgesetzt, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben. Die Arbeitsprozesse wurden ebenfalls an die immer wieder neuen Rahmenbedingungen der Pandemie angepasst. So wurde etwa in Bereichen mit Kundenkontakt, die zuvor wenig oder gar nicht mit Terminvergaben gearbeitet hatten, das Termingeschäft eingeführt. „Die Erfahrungen hierbei waren in den meisten Fällen sehr positiv und sollen nach Corona beibehalten werden“, berichtet Wissmann. Die bestehende Dienstvereinbarung zur Regelung der alternierenden Tele­heimarbeit durch eine neue, modernere und mehr Freiraum gebende Dienstvereinbarung zur Mobilen Arbeit zu ersetzen, sei aufgrund all dieser Erfahrungen nur die logische Konsequenz gewesen.

Den Rahmen für aktivitätenbasiertes Arbeiten schaffen

Im Rahmen der Bochum-Strategie verfolgt die Stadt unter anderem das Ziel, die baulichen und infrastrukturellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich Kunden und Mitarbeitende auch zukünftig wohl und wertgeschätzt fühlen – etwa durch eine Verbesserung der Work-Life-Balance, maximale Flexibilität bezüglich Zeit und Ort der Arbeitserbringung sowie Regeln und Vereinbarungen, die den Rahmen für ein eigenverantwortliches Handeln schaffen. Zudem sollen die Chancen einer durchgängigen Digitalisierung von Dienstleistungen und Arbeitsabläufen konsequent genutzt und die Stadt Bochum mit ihren Tochtergesellschaften zu einer der ersten Adressen als Arbeitgeberin gemacht werden. Diese Zielsetzungen greift auch das Projekt Moderne Arbeitswelten auf. Anknüpfungspunkte an diese Ziele finden sich zudem im Smart-City-Konzept der Stadt Bochum wieder.
Im Rahmen des Projekts Moderne Arbeitswelten werden nach Angaben der Stadtverwaltung auch die notwendigen Rahmenbedingungen für ein aktivitätenbasiertes Arbeiten entwickelt. Das bedeutet, dass die Beschäftigten aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Raummodulen, die in einem Raumnutzungskonzept hinterlegt sind, eigenverantwortlich jeweils die Arbeitsumgebung wählen, die sie bei der Arbeit am meisten unterstützt. Damit sie auch mobil von zu Hause aus arbeiten können, werden die Beschäftigten der Stadt Bochum zudem mit mobilen Endgeräten ausgestattet, die elektronische Akte eingeführt und Workflows sukzessive digitalisiert. Um in der neuen Arbeitsumgebung und mit der ortsunabhängigen Arbeitsweise auch weiterhin zum Beispiel Dienstbesprechungen durchführen zu können, werden die Besprechungsräume hybrid ausgestattet. Die Stadt Bochum geht davon aus, dass ein Einzug der Fachbereiche in die neu gestalteten Räumlichkeiten im Laufe des nächsten Jahres erfolgen kann.

Darmstadt-Dieburg erprobt neue Raumkonzepte

Bereits Erfahrungen mit dem Arbeiten in modernen Raumkonzepten sammeln können die Beschäftigten im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Die Kommune hatte sich bereits vor der Corona-Pandemie entschlossen, einen Experimentierbereich mit 150 Arbeitsplätzen zu schaffen, die ein tätigkeitsorientiertes Arbeiten ermöglichen. Hintergrund war ein in Zukunft nicht mehr nutzbarer Gebäudeteil der Kreisverwaltung, aufgrund dessen neue Arbeitsplätze entstehen mussten. In der neuen Arbeitswelt werden nun durch eine Vielfalt verschiedener Raummodule innovative Arbeitskonzepte getestet, die durch digitale Technik unterstützt werden.
Sechs Fachbereiche haben sich entschieden, die modernen Arbeitsformen zu erproben. Sie wurden eng in die räumliche Planung eingebunden und können sich somit gut mit der neuen Arbeitswelt im Landkreis Darmstadt-Dieburg identifizieren. Ihre Erfahrungen werden bei den weiteren räumlichen Planungen des Kreises hin zu einer modernen Verwaltung berücksichtigt. Dabei werden auch neue Wege der Arbeitsorganisation in den Blick genommen. Wie gelingt beispielsweise die Zusammenarbeit von Beschäftigten im Homeoffice und/oder denjenigen, die mobil arbeiten, mit denjenigen Beschäftigten, die in den Räumlichkeiten der Kreisverwaltung tätig sind?
Denn im Kontext der Pandemie hat sich auch im Kreis Darmstadt-Dieburg einiges verändert. „Im März 2020 hatten wir circa 250 Telearbeitsplätze zur Verfügung. Diese wurden in einem rasanten Tempo ausgebaut und die Kapazitäten auf heute 1.857 Zugänge erweitert“, berichtet Monika Abendschein von der Zukunftswerkstatt des Kreises Darmstadt-Dieburg. „Durch die Einführung von Videokonferenz-Systemen, X-phone und Kollaborations-Tools wie Concept-Board hat sich die hybride Zusammenarbeit der Teams kontinuierlich weiterentwickelt.“ Auch Projekte wie die weitere Einführung der E-Akte und andere Digitalisierungsvorhaben haben im Zuge der Pandemie einen deutlich höheren Stellenwert erhalten und werden zu weiteren Veränderungen des Arbeitens in der Kreisverwaltung führen. „Der Landkreis Darmstadt-Dieburg hat mit seinem Experimentierbereich schon einen großen Schritt Richtung New Work getan“, ist Stephanie Bastian, Co-Leiterin der Zukunftswerkstatt, überzeugt. „Das neue Gebäude stößt auf großes Interesse und wird bei den Beschäftigten positiv wahrgenommen. Wir untersuchen nun, inwieweit sich die Konzepte im Experimentierbereich in Teilen auf die bestehenden Verwaltungsgebäude übertragen lassen.“

Individuell passende Lösungen entwickeln

Dass die öffentliche Verwaltung nicht darum herumkommt, sich auf derartige neue Arbeitswelten einzulassen, steht für Stephanie Bastian außer Frage. „Digitalisierte Abläufe von Verwaltungsleistungen brauchen – um gut zu gelingen – ein anderes, noch nicht selbstverständliches Miteinander, das durch neue Arbeitswelten unterstützt wird. Denn diese helfen, das klassische Silodenken, also das Arbeiten in bekannten, starren Verwaltungsstrukturen, zu überwinden“, erklärt sie. Das bedeute allerdings auch einen Kulturwandel für das Verwaltungshandeln. „Dazu werden nicht alle bereit sein“, schätzt ihre Kollegin Monika Abendschein. Insbesondere die Führungskräfte seien daher gefordert, ihre Teams auf dem Weg der Veränderung gut zu begleiten.
Da die Bedürfnisse der einzelnen Fachbereiche in einer Verwaltung vielfältig sind, werden sich aber auch die neuen Arbeitswelten je nach individuellem Anspruch unterscheiden. Die vorgegebenen Rahmenbedingungen dürfen daher nicht zu eng gesetzt sein, sondern müssen Führungskräften und Teams Spielraum für passgenaue Lösungen bieten. Im Kreis Soest gehen Bereiche, die den New-Work-Prozess starten, deshalb weitgehend selbstorganisiert vor, werden aber von erfahrenen Kollegen und im Einzelfall auch extern begleitet. „Die Führungskräfte geben einen Rahmen vor, in dem die Mitarbeitenden die Spielregeln einer hybriden Zusammenarbeit gemeinsam erarbeiten und dynamisch anpassen. Mit den jeweils passenden Tools und Techniken zur Umsetzung“, erklärt Katrin Knorr vom Kreis Soest. Etwa sichere Chat- und Cloud-Lösungen oder ein virtuelles Whiteboard, um Arbeitsergebnisse festzuhalten. „Auch methodisch gesehen werden wir agiler und nutzen zum Beispiel Kanban, Design Thinking und Scrum“, so Knorr weiter. Insgesamt entstehe so ein bunter Blumenstrauß an Möglichkeiten. „Die Herausforderung ist, Tools und Techniken so bereitzustellen, dass die Mitarbeitenden sie effizient nutzen können. Ein Social Intranet kann hier als zentrale Plattform dienen.“
Insgesamt habe man mit diesem Vorgehen bislang sehr gute Erfahrungen gemacht. Dennoch erfordere der Veränderungsprozess Geduld und Achtsamkeit für die Bedürfnisse Einzelner und der Gruppe. „Wir befinden uns in einem ständigen Lernprozess, in dem sich die besten Lösungen etablieren“, fasst Katrin Knorr zusammen. „Eine Blaupause für die neue Arbeitswelt gibt es nicht.“

Bettina Weidemann




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