Internet der DingeKeine Zukunftsmusik
Immer mehr Alltagsgegenstände, Geräte, Maschinen oder Fahrzeuge – kurz: Dinge – sind mit Chips, Prozessoren, Kameras oder Sensoren ausgestattet. Doch das ist erst der Anfang einer gewaltigen Umwälzung, die alle Lebensbereiche verändern wird. Schon im Jahr 2020 sollen laut dem Marktforschungsunternehmen Gartner mehr als 20 Milliarden Objekte im Internet der Dinge (IoT, Internet of Things) miteinander vernetzt sein. Im Jahr 2025 kann das Internet der Dinge einen wirtschaftlichen Mehrwert von bis zu elf Billionen US-Dollar weltweit schaffen, prognostiziert das McKinsey Global Institute – das entspräche etwa elf Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Weltweit 1,7 Billionen US-Dollar könnten allein durch die Optimierung von öffentlichem Nahverkehr und Verkehrsleitsystemen, welche unnütze Pendel- und Wartezeit einsparen, generiert werden. Weitere 1,5 Billionen möglicher Mehrwert stecken laut McKinsey „in der verbesserten Überwachung von Verkehrsdaten, Logistikketten und dem Zustand von Verkehrsmitteln wie Autos, Zügen oder Flugzeugen“. Der Umbau der Städte hat bereits begonnen. Laut Gartner sind im Jahr 2016 rund 1,1 Milliarden Dinge wie Ampeln, Stromzähler oder Müllcontainer über das Internet miteinander vernetzt, 2017 sollen es bereits 2,7 Milliarden sein. Ein Blick nach London, Paris oder New Orleans aber auch in die deutsche Provinz zeigt, wo Städte im Internet der Dinge stehen.
Smarte Leuchten und intelligentes Carsharing
Beispiele für erfolgreiche IoT-Projekte lassen sich nicht nur in den Metropolen der Welt bestaunen, sondern auch in Kirchheim/Teck, Ellwangen, Schönau oder der Gemeinde Angelbachtal. Hier stehen die ersten Prototypen von SM!GHT (Smart City Light). Neben einer effizienten LED-Beleuchtung ist SM!GHT ein WLAN-Hotspot für den drahtlosen Internet-Zugang, Ladestation für Elektrofahrzeuge, Notrufsäule für Hilfesuchende und Messstation für Umweltdaten. Entwickelt wurde die intelligente Laterne vom baden-württembergischen Energieversorger EnBW Energie Baden-Württemberg. Eine der technischen Grundlagen von SM!GHT ist die Microsoft Cloud-Plattform Azure mit der Azure IoT Suite. Mit diesen Technologien kann das Rechenzentrum der EnBW eine große Zahl von Daten in Echtzeit aus den Sensoren der Laterne auslesen, verarbeiten und analysieren. Diese Daten werden dann den Kommunen zur Verfügung gestellt, damit sie beispielsweise den Verkehr umweltverträglich lenken und bei Großveranstaltungen für mehr Sicherheit sorgen können. Um intelligente Verkehrsleitsysteme geht es auch in der französischen Hauptstadt Paris. In der Stadtverwaltung hatte man beschlossen, etwas gegen Stau, Lärm und Schmutz zu unternehmen. Das Ergebnis ist Autolib‘, ein intelligenter Carsharing-Dienst für Elektrofahrzeuge, der ebenfalls auf Microsoft-Technologien für das Internet der Dinge basiert. Bei Autolib’ werden zahlreiche mobile Endgeräte, mehr als 4.300 Ladestationen, 850 Registrierungsautomaten sowie 2.300 Fahrzeuge miteinander verbunden. Die dadurch gewonnenen Daten erlauben wichtige Einblicke, mit denen das Kundenverhalten besser analysiert, die Autonutzung optimiert und neue Mitglieder gewonnen werden können. Die Fahrzeugflotte von Autolib’ soll bis zum Jahr 2023 mehr als 25.000 Privatautos ersetzen und die CO2-Emissionen dadurch um 75 Millionen Tonnen verringern.
Überlebenswichtiges Notrufsystem
Leidgeplagt sind die Einwohner der amerikanischen Metropole New Orleans: Der Hurrikan Katrina im Jahr 2005 gilt als eine der schwersten Naturkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten, die rund 1.800 Menschen das Leben kostete und Schäden von mehr als 100 Milliarden US-Dollar verursachte. In jüngster Zeit wurde die Stadt erneut von starken Überschwemmungen heimgesucht. Angesichts dieser Bedrohungen ist ein funktionierendes Notrufsystem für die Stadt überlebenswichtig. New Orleans setzt daher mit Technologien von Microsoft und Motorola Solutions ebenfalls auf das Internet der Dinge, um die Kommunikation zwischen Notrufzentrale und Einsatzkräften zu optimieren. Die Lösung des Orleans Parish Communication District (OPCD) vernetzt verschiedene Anwendungen von Polizei, Feuerwehr und Notärzten, ein Notrufsystem, Mobiltelefone, Tablets und ein Data Warehouse in einem System, das die Antwortzeiten verkürzt, die Sicherheit verbessert und fehleranfällige manuelle Verfahren ablöst. Bereits seit dem Jahr 2014 setzt die London Underground, die älteste U-Bahn der Welt, auch Tube genannt, auf das Internet der Dinge. Um die jährlich über eine Milliarde Fahrgäste schnell und sicher ans Ziel zu bringen, analysiert die Betreibergesellschaft Transport for London den laufenden Betrieb der Bahnen, aber auch der Fahrtreppen und Aufzüge mit IoT-Technologien von Microsoft. Dabei werden Messwerte von Temperatur- und Vibrationsfühlern, Feuchtigkeitssensoren und Systemmeldungen ausgewertet, um einen möglichst störungsfreien Betrieb der U-Bahn zu gewährleisten. Alle Daten laufen in einem Rechenzentrum zusammen. So wird sichergestellt, dass das Wartungspersonal schnell auf Vorfälle und Anomalien reagieren kann – im Idealfall sogar, bevor kritische Ereignisse eintreten.
Verkehrsgeschehen optimieren
Doch auch in Deutschland gibt es weitere Beispiele für intelligente Lösungen mit intelligenten Daten. So setzt das Urban Software Institute mit seiner IoT-Plattform URBANPULSE ebenfalls auf die Microsoft Cloud-Plattform Azure. In einem ersten Projekt stellt die hessische Kleinstadt Bad Hersfeld ihren Bürgern über URBANPULSE die Daten der automatischen Erfassung von freien Parkplätzen auf einem Open-Air-Parkplatz nahezu in Echtzeit zur Verfügung. Das zweite Projekt ist eine App, die in Echtzeit Schallmessungen bereitstellt, die an verschiedenen Orten via Handy vorgenommen wurden. Darmstadt nutzt über URBANPULSE Daten aus 180 Ampeln, 200 Kameras und zahlreichen Detektoren an unterschiedlichen Stellen. Die Signale gehen über Lichtwellenleiter an einen Verkehrsrechner und stehen dort ebenfalls nahezu in Echtzeit zur Verfügung. Die Datenmengen verwendet die Stadt etwa, um eine Verkehrsverflüssigung und die Reduktion des schädlichen Treibhausgases CO2 zu erreichen. In Zukunft will die Kommune so das Verkehrsgeschehen besser analysieren und auf den Verkehrsfluss einwirken, beispielsweise mit dem Ziel der Luftreinhaltung oder Lärmvermeidung.
Dieser Beitrag ist in der Oktober-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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