Samstag, 12. April 2025

Digitale VerkehrssteuerungKIMONO sorgt für Neustart

[10.04.2025] Kaiserslautern hat seiner verkehrstechnischen Infrastruktur bis 2033 eine umfassende Modernisierung und Digitalisierung verordnet. Von den im Rahmen des Projekts KIMONO entstehenden Lösungen können auch andere Kommunen profitieren.
Eine Ampel mit Pfeil nach rechts zeigt grün.

In Kaiserslautern stehen die Ampeln für das Projekt KIMONO auf grün.

(Bildquelle: Kostas Koufogiorgos/stock.adobe.com)

Die Stadt Kaiserslautern besitzt eine gewachsene verkehrstechnische Infrastruktur, wie sie typisch für deutsche Städte ist, mit Anlagen unterschiedlicher Hersteller, Altersklassen und technischer Generationen. Demzufolge muss sie sich auch mit typischen Fragen beschäftigen: Woher Ersatzteile bekommen? Wer kann die Anlagen noch warten? Oftmals ist das Personal, das mit dem Bau einer Anlage betraut war, sowohl aufseiten des Herstellers als auch aufseiten der Stadt, nicht mehr da oder steht kurz vor dem Ruhestand. Hinzu kommt die Abkündigung zum nichtöffentlichen mobilen Landfunk, die den Betrieb bestehender Systeme zusätzlich erschwert. All diese Faktoren treiben den Unterhaltsaufwand für die verkehrstechnischen Systeme in die Höhe – und das in Zeiten leerer Kassen und schwindender Humanressourcen. So stellte sich auch in Kaiserslautern die grundsätzliche Frage nach einer generativen Erneuerung. 

Eine mögliche Vorgehensweise ist der Austausch einzelner technischer Anlagen nach Typ, Stadtteil oder Streckenzugehörigkeit. Dies ermöglicht eine sukzessive Erneuerung im laufenden Betrieb, stellt sich aber langwierig dar. Auch wird damit noch nicht das Problem der technischen Fragmentierung gelöst. Darüber hinaus sind nicht nur Erneuerungen im Netz selbst, sondern auch an der Steuerungszentrale notwendig. Beides gleichzeitig ist im Normalbetrieb aus den laufenden Haushaltsmitteln nicht zu stemmen.

Es war daher klar, dass die verkehrstechnische Infrastruktur in Kaiserslautern einen kompletten Neustart benötigen würde. Ein großer Schnitt kam dabei jedoch aus mehreren Gründen nicht infrage. Zunächst wäre dies im städtischen Haushalt auf absehbare Sicht nicht abbildbar, auch nicht mit einer entsprechenden Förderung. Des Weiteren fehlen sowohl der Stadt als auch den infrage kommenden Firmen die Kapazitäten, die nötigen Maßnahmen innerhalb eines einzigen Großprojekts umzusetzen.

Technologiekatalog als Leitfaden

Daher wurde schließlich ein mehrstufiger Plan zur schrittweisen Modernisierung entwickelt. In der ersten Phase sollten passende Technologien für die einzelnen Anwendungsfälle gefunden werden. Zunächst wurde nach Lösungen im Bereich Verkehrstechnik und Sensorik gesucht. Passend dazu liefen in den Jahren 2020 und 2021 zwei Projekte an, welche die Erprobung verschiedener Technologien ermöglichten. Durch die Teilnahme am Forschungs- und Entwicklungsprojekt AORTA (Automatisierte Bildung von Rettungsgassen in komplexen Szenarien durch intelligente Vernetzung) konnten Erfahrungen mit der aktuellen Generation an Lichtsignalsteuerungen gesammelt werden. Des Weiteren eröffnete das Projekt die Möglichkeit, tiefer in den Bereich digitaler Verkehrskommunikation einzusteigen und Lösungen im Bereich C-ITS (Cooperative-Intelligent Transport Systems) zu erproben. 

Parallel konnten im Rahmen des Förderprojekts Modellprojekte Smart City in pilothaften Installationen Lösungen zu verschiedenen Anwendungsfällen unter Realbedingungen getestet werden. Die Resultate wurden zusammengetragen, analysiert und bewertet. Ergebnis war ein Technologiekatalog, der als eine Art Leitfaden dient und anhand dessen sich die jeweils passende Lösung für eine Maßnahme auswählen lässt – und das gleichermaßen für Neubauten wie Bestandsmaßnahmen. Im Alltagsgeschäft wird dadurch ein Standard für Maßnahmen festgelegt, der es ermöglicht, sukzessive die Modernisierung des Netzes zum Beispiel an Lichtsignalanlagen voranzutreiben und zudem einen stabilen und standardisierten Nachbetrieb gewährleistet.

Projektprogramm KIMONO

Bis durch den Prozess der stetigen Erneuerung jedoch ein relevanter Teil der städtischen Infrastruktur erneuert würde, können Jahre wenn nicht sogar Dekaden vergehen. Um dies zu beschleunigen und weitere Probleme wie die Nutzung des analogen Betriebsfunks, eine koordinierte Verkehrssteuerung und das vernetzte Fahren zu adressieren, war ein initiales Projekt zur Einführung grundlegender Technologien als Startschuss notwendig: Das Projektprogramm KIMONO wurde ins Leben gerufen. Es sieht eine Laufzeit bis 2033 in mindestens drei Phasen vor. Die erste Phase läuft seit Januar 2024 und beinhaltet mehrere Maßnahmen zur Digitalisierung der verkehrstechnischen Anlagen bis 2026. Im gleichen Jahr läuft Phase 2 an, die voraussichtlich 2028 abgeschlossen wird. 

Die hardwareseitige Aufrüstung bildet die Grundlage für alle weiteren Systeme. Insgesamt werden in der ersten Phase 43 von 110 städtischen Lichtsignalanlagen modernisiert und mit neuester Hardware zur Steuerung und Kommunikation ausgerüstet. Road-Side-Units (kurz RSU) ermöglichen künftig die digitale Kommunikation zwischen der städtischen Infrastruktur, Bussen, Einsatzfahrzeugen und anderen Verkehrsteilnehmenden. Moderne Sensorik an Kreuzungen und strategischen Streckenabschnitten erlauben eine detaillierte Erfassung des Verkehrs. Dadurch lässt sich eine detaillierte Verkehrslage in Echtzeit, ein Digitaler Zwilling, erzeugen. 

KI-gestützte Verkehrssteuerung

Die so aufgebaute Infrastruktur ermöglicht die Einführung netzadaptiver Steuerungssysteme, die basierend auf Künstlicher Intelligenz (KI) die Verkehrslage analysieren und anhand vordefinierter Szenarien bedarfsgerecht auf den Verkehr einwirken. Ein Szenario kann dabei eine Großveranstaltung adressieren, aber ebenso alltäglichere Verkehrsanomalien wie einen Stau, eine Baustelle oder einen Unfall. Innerhalb der einzelnen Szenarien sind verschiedene Möglichkeiten zur Verkehrsbeeinflussung parametriert abrufbar. Abhängig von der Verkehrslage und der Entfernung eines Fahrzeugs zu einer Verkehrsanomalie können steuernde Maßnahmen wie angepasste Ampelprogramme oder verkehrsleitende Maßnahmen über dynamische Beschilderung, C-ITS und Navigationssysteme zum Einsatz kommen.

Alle bisher genannten Maßnahmen finden weitgehend im Verborgenen statt. Wesentlich sichtbarer für alle Verkehrsteilnehmenden wird die Umsetzung des Verkehrsleitsystems (kurz VLS) sein. Dieses umfasst ein mehrstufiges Informationssystem zur Beeinflussung des Verkehrs. Im Stadtgebiet werden Informationen per C-ITS direkt an die Fahrzeuge übertragen. Alternativ können die Nachrichten per App auf dem Smartphone angezeigt werden. Um rein analoge Verkehrsteilnehmende zu erreichen, werden an strategischen Positionen dynamische LED-Matrix-Anzeigen aufgestellt. Mit der Einführung des VLS soll sich in Kaiserslautern nicht nur der Verkehrsfluss im Allgemeinen verbessern, sondern vor allem die Verkehrssicherheit erhöht werden.

Stadtweite Test- und Versuchsstrecke

Das entstehende stadtweite Netzwerk zur modernen Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation dient primär der verbesserten Priorisierung von Bussen und Einsatzfahrzeugen und soll helfen, den ÖPNV pünktlicher und die Einsatzfahrzeuge schneller und sicherer an ihren Bestimmungsort zu bringen. Gleichzeitig stellt das ITS-fähige LSA-Netz eine stadtweite Test- und Versuchsstrecke dar, die es Universitäten und Instituten ebenso wie Unternehmen ermöglicht, Forschung und Entwicklung an Technologien im Bereich ITS und autonomes Fahren durchzuführen. 

Nicht nur die Stadt Kaiserslautern profitiert von KIMONO. Der im Projekt entstandene Technologiekatalog beinhaltet Lösungsansätze, die auf jede Kommune übertragbar sind.

Sebastian Schulze ist bei der Stadtverwaltung Kaiserslautern im Referat Tiefbau – Abteilung Verkehrsmanagement tätig.




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