Mittwoch, 8. Januar 2025

OZGKlassenziel verfehlt

[02.06.2022] Die schlechte Nachricht: Das Onlinezugangsgesetz (OZG) wird nicht fertig. Die gute: Es geht mit der Digitalisierung trotzdem voran. Gefordert sind jetzt auch die kommunalen Spitzenverbände, denn der Change-Prozess will begleitet werden.
OZG bringt Digitalisierung der Verwaltung voran.

OZG bringt Digitalisierung der Verwaltung voran.

(Bildquelle: Suelzengenappel/stock.adobe.com)

Mit der Ankündigung eines OZG-Boosters durch den IT-Planungsrat Anfang Mai 2022 (wir berichteten) ist nun offiziell, was bereits im Dezember 2021 angekündigt und von vielen erwartet wurde: 575 OZG-Leistungsbündel digitalisieren und in der Fläche verteilen zu wollen, wird bis Ende 2022 nicht gelingen. Nun ist von einer „priorisierten Umsetzung der 35 wichtigsten Verwaltungsleistungen nach dem Prinzip Einer-für-Alle (EfA)“ die Rede. Von 575 auf 35 – das könnte beschämend klingen, dennoch ist es ein großer Fortschritt für die digitale Verwaltung in Deutschland, wenn es denn gelingt.
Die Entscheidung für eine Priorisierung der umzusetzenden Verwaltungsdienste war überfällig und kommt reichlich spät. Im Grunde hätte die Arbeit am Onlinezugangsgesetz (OZG) vor fünf Jahren damit beginnen müssen. Laut OZG-Dashboard (wir berichteten) befanden sich Mitte Mai 195 Leistungen in der Umsetzung und 90 in Planung, 73 sind so genannte Go-Lives, das heißt, sie sind umgesetzt und online verfügbar, werden aber noch in Ausbaustufen weiterentwickelt. Damit ist unter anderem der Reifegrad gemeint: der Unterschied zwischen der bloßen Online-Antragstellung einer Verwaltungsleistung (Reifegrad 2) und der kompletten digitalen Abwicklung eines Antrags inklusive digitaler Nachweise und Bescheide (Reifegrad 3), wie es das OZG vorschreibt.

Verzerrtes Bild im Dashboard?

Das Dashboard liefert noch weitere Zahlen, beispielsweise wie viele Dienste insgesamt online verfügbar sind. Hier ist der Bund aktuell mit 80 Leistungen nicht weit von seinem Klassenziel – insgesamt 115 – entfernt. Bei den Bundesländern schwanken die Zahlen von 80 in Berlin und dem Saarland über 173 in Thüringen bis hin zu 325 in Nordrhein-Westfalen. Bei den Zahlenangaben sind digitale Angebote aller föderalen Ebenen gemeint, wobei die 80 Bundesleistungen immer mitgezählt werden. Keinen Aufschluss gibt das Dashboard da­rüber, was die Zahlen für einzelne Kommunen bedeuten. Sind im Saarland in allen Kommunen nur die 80 Leistungen des Bundes verfügbar? Und die 325 digitalen Dienste, die NRW reklamiert: Können Gemeinden wie Lennestadt-Burbecke im Sauerland, wo noch mit 0,8 Megabit gesurft wird, tatsächlich schon darauf zugreifen?
Dem Normenkontrollrat war bereits im September 2021 aufgefallen, dass in der Statistik teils nur in einer Kommune umgesetzte Verwaltungsdienste mitgezählt werden. Im Monitor Digitale Verwaltung #6 heißt es außerdem: „Die Transparenz durch das OZG-Dashboard ist nur bedingt gegeben; gezählt werden hier bereits Leistungen im Reifegrad 2.“ Auch der Bundesrechnungshof monierte „ein positiv verzerrtes Bild“, als er sich im April in einem Zusatzbericht mit dem OZG befasste und dem Bundesinnenministerium (BMI) vorhielt, den Fortschrittsstand in seinem Internet-Auftritt zu beschönigen (wir berichteten).

Digitalisierung als Daueraufgabe

Insofern ist es nachvollziehbar, wenn der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik, Markus Richter, von dieser Zahlenfixierung abrücken will und angekündigt hat, nur noch den spürbaren Erfolg gelten lassen zu wollen. Im Interview mit Kommune21 erklärt er die Digitalisierung zu einer Daueraufgabe, die Deutschland über die OZG-Frist hinaus noch lange beschäftigen werde. Zugleich stellt er ein Modell in Aussicht, wonach sich der Umsetzungserfolg daran bemisst, wie viele Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen erreicht werden und wie zufrieden sie mit dem digitalen Verwaltungsangebot sind. Für Bundesleistungen wie BAföG oder Arbeitslosengeld, die für Bürger über eine einzige Plattform erreichbar sind, könnte das gelingen. Richter erklärte, dass das OZG-Leistungspaket des Bundes bis Jahresende „weitgehend“ fertig wird. Bei den Landes- und Kommunaldienstleistungen sieht es allerdings ganz anders aus. Sie sind oftmals von einer finalen Fertigstellung noch weit entfernt, und unklar ist, wann und wie sie flächendeckend ausgerollt werden können.
Im Dezember 2021 ist das Ergebnis einer in Niedersachsen und Thüringen durchgeführten Untersuchung erschienen, welche die Nachnutzung von Einer-für-Alle-Lösungen in den Blick nimmt (wir berichteten). Das Ergebnis ist ernüchternd: In vielen Kommunen zeigte sich ein hoher Entwicklungsaufwand und Anpassungsbedarf, um diese Lösungen zu adaptieren. „Die Möglichkeit, das EfA-Angebot in die IT-Landschaft des anschließenden Landes einzubinden, muss mit allen Abhängigkeiten und Einzelkomponenten bewertet werden. Das erfordert detaillierte Kenntnis der IT-Landschaft im anschließenden Land, in Abhängigkeit vom Typ der Leistung auf der Landesebene oder auf der kommunalen Ebene oder auch verwaltungsebenenübergreifend“, heißt es in der Studie.

Kommt EfA-Light?

Das vorherrschende Credo, möglichst offene Standards zu etablieren, einheitliche Basisdienste zur Verfügung zu stellen, interoperable Schnittstellen zu schaffen, um vorhandene (Fach-)Verfahren einzubinden, und notfalls Middleware vorzuschalten, erweist sich in der Praxis als kompliziert, teuer und aufwendig. Einem im März erschienenen Positionspapier der IT-Beauftragten aus neun Bundesländern zufolge führt daran jedoch kein Weg vorbei (wir berichteten). Das Papier mit Ideen für die Weiterentwicklung des OZG hält an einem Multi-Stakeholder-Ansatz fest, der möglichst viele Akteure und Interessen berücksichtigt. Und es birgt die Forderung nach einer Aufweichung des Nachnutzungsmodells unter dem Slogan EfA-Light. Den Vorstellungen zufolge sollen der dezentrale Betrieb und die dezentrale Entwicklung von Einer-für-Alle-Leistungen möglich werden – eine komplette Abkehr vom bisher Vereinbarten.
Bislang galt, dass eine OZG-Leistung einmal entwickelt wird und dann zur freien Nachnutzung zur Verfügung steht. Wenn die Länder-CIOs und die kommunalen Interessenvertreter nun darauf beharren, „E-Government ist zu 90 Prozent kommunal und heterogen“, dann ist offenbar die Absicht aufgegeben worden, daran etwas zu ändern. Unabhängig davon, ob sich diese Position durchsetzen kann, spiegelt das Papier die ganze Misere wider. Besonders in vielen kleinen Kommunen kommt vom OZG wenig an, sie sind auch nach fünf Jahren weitgehend unvorbereitet. Der Digitalisierungsbeauftragte der Gemeinde Salach in Baden-Württemberg, Philip Stolz, beklagt im Gespräch mit Kommune21 fehlende IT-Unterstützung und konkrete Anleitungen für die Implementierung von EfA-Leistungen. „Vor allem der konkrete Umgang mit der Prozessdigitalisierung wird nicht gut vermittelt“, sagt Stolz.

Change-Prozess begleiten

Hier sind nicht zuletzt die kommunalen Spitzenverbände gefragt. Die Digitalisierung ist ein weitreichender Transformationsprozess, der auf gute Kommunikation und Vermittlung angewiesen ist. Dieser Change-Prozess liegt aber noch weitgehend brach. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltungen fühlen sich nicht gut vorbereitet auf die digitale Transformation. Umso rühmlicher erscheinen Initiativen wie die Weiterbildungsplattform KommunalCampus des Landkreises Bergstraße, wo Beschäftigte aus Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg digitale und methodische Kompetenzen vermittelt bekommen. Ein Lernmodul beschäftigt sich mit „Digitalen Transformationen am Beispiel des OZG“ – eigentlich eine ideale Blaupause für eine EfA-Leistung. Nachnutzung erwünscht, Konjunkturgelder vorhanden.

Helmut Merschmann




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Panorama
Screenshot, der die drei Webinarteilnehmer zeigt.
bericht

Kommune21 im Gespräch: Mammutprojekt RegMo

[08.01.2025] Im jüngsten Webinar aus der Reihe Kommune21 im Gespräch diskutierten Jasmin Deling, Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie NRW, sowie Hartje Bruns von Governikus die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Registermodernisierung. mehr...

Lübeck: Faxgeräte abgeschaltet

[08.01.2025] Die Hansestadt Lübeck hat zum Jahresende 2024 die analogen Faxgeräte abgeschaltet. Feuerwehr und der Bereich Wahlen bleiben weiterhin über Fax erreichbar. mehr...

Logo des Ko-Pionier-Preises auf dunkelblauem Hintergrund

Ko-Pionier-Preis: Verwaltungslösungen besser nachnutzen

[07.01.2025] Der neue Ko-Pionier-Preis würdigt Verwaltungen, die bewährte Lösungen erfolgreich übernehmen. Die Initiative Re:Form will damit Nachnutzung fördern und Verwaltungsabläufe effizienter gestalten. Die Preisvergabe erfolgt im März 2025 in Berlin. mehr...

Winterlandschaft Nordschweden

In eigener Sache: Wir machen Winterpause

[23.12.2024] Wir wünschen Ihnen ein frohes Weihnachtsfest, erholsame Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr. Aktuelle Meldungen gibt es hier wieder ab dem 6. Januar 2025. mehr...

Marcus Witzke vom Fraunhofer FOKUS, Beauftragte Regina Vollbrecht und Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner beim Start der Indoor-Navigation everGuide im Bezirksamt Reinickendorf.

Berlin: Bezirksrathaus mit Indoor-Navi

[13.12.2024] Im Rathaus in Berlin-Reinickendorf erleichtert eine barrierefreie Indoor-Navigation die Orientierung. Die App everGuide vom Fraunhofer FOKUS ermöglicht Besucherinnen und Besuchern – ob blind oder sehend – eine präzise Navigation zu Räumen, Aufzügen und Ausgängen. mehr...

Screenshot aus dem Bayernportal

Regensburg: Bei der Digitalisierung weit vorne

[12.12.2024] Regensburg bietet inzwischen 327 digitale Verwaltungsleistungen an und erreicht Platz 2 im bayerischen Digitalranking. Bei den Bürgerinnen und Bürgern kommen die Services gut an, wie die Nutzerzahlen zeigen. mehr...

Illustration in hellen, freundlichen Farben: Blick in einen Kita-Raum aus Vogelperspektiv, auf dem Boden spielen Kinder und viel Spielzeug liegt herum.

Magdeburg: Kitas präsentieren sich neu im Netz

[09.12.2024] Magdeburger Eltern, die ihre Kinder bei einer kommunalen Kita anmelden möchten, finden die benötigten Informationen nun gebündelt und übersichtlich auf einer neu eingerichteten Website. mehr...

Das Bild zeigt den belebten Markplatz von Halle (Saale), im Hintergrund sind die fünf Türme der Händelstadt zu erkennen.

Halle (Saale): Gesundheitsamt wird digital

[06.12.2024] Das Modellprojekt Digitales Gesundheitsamt in Halle (Saale) wurde erfolgreich abgeschlossen. Ziel war es, den Fachbereich Gesundheit der Stadt mit digitalen Lösungen nutzerfreundlicher und effizienter zu gestalten. Die Einführung neuer Systeme legt zudem ein Fundament für künftige Innovationen. mehr...

Potsdam: Onlinedienst für Fundsachen

[03.12.2024] Verlorene oder gefundene Gegenstände können in Potsdam jetzt auch online gemeldet werden. Der neue Service erleichtert das Verfahren sowohl für Finderinnen und Finder als auch für Suchende. mehr...

Augsburger Altstadt aus der Vogelperspektive.

Augsburg: Digitaler Stadtplan zur Barrierefreiheit

[26.11.2024] Mit dem digitalen Stadtplan Augsburg barrierefrei hat die bayerische Kommune ein neues Projekt gestartet, das Menschen mit Behinderung detaillierte Informationen zur Barrierefreiheit von Orten und Gebäuden bietet. Alle Angaben wurden durch Begehungen vor Ort überprüft und digital erfasst. mehr...

Baustelle: Blick durch Zaundraht auf einen Pumpenkran zum Heben und Gießen von Beton, im Hintergrund ein Gebäude, das eine Schule sein könnte.

Leipzig: Baumaßnahmen-Dashboard ist online

[26.11.2024] Die Stadt Leipzig hat ein Online-Dashboard zur Schul- und Kitabaustrategie veröffentlicht. Es bietet aktuelle Einblicke in laufende und geplante Baumaßnahmen im Bildungsbereich, übersichtlich dargestellt auf einer Stadtkarte mit detaillierten Informationen zu jedem Projekt. mehr...

Oberbürgermeister Marcus König und Eugenia Strasser halten gemeinsam die Auszeichungsurkunde.

Nürnberg: E-Government-Beauftragte der Stadt ausgezeichnet

[19.11.2024] Nürnbergs E-Government-Beauftragte, Eugenia Strasser, ist mit dem WIN-Award der Vogel IT-Akademie ausgezeichnet worden. Sie belegt somit den zweiten Platz als Woman of the Year 2024. mehr...

Illustration: Klemmbrett mit einem Formular und einem Stift daneben vor hellblauem Hintergrund.

Köln: Bürgerfreundliche Bescheide ausgezeichnet

[18.11.2024] Das Public Service Lab hat die Stadt Köln für ihr Projekt Formularwerkstätten mit dem Preis für gute Verwaltung 2024 ausgezeichnet. Das Kölner Innovationsbüro hilft Fachämtern dabei, Formulare verständlicher zu gestalten und so den Zugang zu staatlichen Angeboten zu verbessern. mehr...

Illustration: Symbolbild für den Public Sector. Mehrere klein dargstellte Menschen arbeiten zwischen einem überdimensionalen Laptop, Tablet und anderen Gegenständen.

Bitkom: Neuer Geschäftsbereich „Public Sector“

[15.11.2024] Der Digitalverband Bitkom strukturiert sich neu: Die Geschäftsbereiche „Public Sector“ und „Digitale Gesellschaft“ werden eigenständige Kompetenzbereiche. Themen wie Künstliche Intelligenz und Digitale Souveränität rücken stärker in den Fokus. mehr...

Historishcer Marktbrunnen der Stadt Eisenach, im Hintergrund das moderne Gebäude der Stadtverwaltung.
bericht

Immobilienmanagement: Stadt Eisenach setzt Maßstäbe

[11.11.2024] Eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen verpflichtet Kommunen zum sicheren Betrieb ihrer Immobilien. Die Stadt Eisenach hat durch Digitalisierung und Prozessoptimierung die Verwaltung ihrer Immobilien neu strukturiert. Dabei setzte die Kommune auf externe Unterstützung und internen Kompetenzaufbau. mehr...