Staat 4.0Kommune 1.0
Um den Stand des E-Governments für die Bürger zu erfassen, müssen die digitalen Angebote insbesondere der Städte und Gemeinden, untersucht werden. Genau dieser Aufgabe hat sich das Kompetenzzentrum Öffentliche IT am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS im Rahmen einer Studie für den Nationalen Normenkontrollrat angenommen. Aus der Studie sollten Rückschlüsse für die Ausgestaltung eines wirksamen E-Governments gezogen werden. Für eine empirische Bestandsaufnahme wurden die Online-Angebote von 68 Städten und Gemeinden aus dem gesamten Bundesgebiet untersucht. Die Landesportale flossen ergänzend in die Untersuchung ein. Sowohl für konkrete Verwaltungsleistungen als auch für das Gesamtangebot wurden Indikatoren für verschiedene Gütekriterien erfasst. Auch ohne statistische Signifikanz beanspruchen zu können, fallen die Ergebnisse eindeutig aus. Die vergleichsweise positiven Aspekte sind schnell aufgezählt. Entgegen mitunter gepflegter Klischees sind die kommunalen Portale keineswegs unansehnliche, kaum zu findende und noch schlechter zu bedienende Seiten. Bereits durch Anfragen in einer einschlägigen Suchmaschine ließen sich in bis zu 80 Prozent der Fälle die gewünschten Verwaltungsleistungen finden – oft genug als erster Treffer. Auch die Portale selbst bieten eine passable Suchfunktion und führen mit etwa vier Klicks zum relevanten Formular. Insgesamt erlaubt die Untersuchung also eine verhalten positive Bewertung der Informationsfunktion der kommunalen Portale. Bedauerlich ist jedoch, dass es dabei meist bleibt. Die große Mehrzahl der Angebote beschränkt sich auf Informationen oder PDF-Formulare.
Armutszeugnis E-Government
Legt man als Maßstab die digitale Kommunikation und Transaktion an, sodass der gesamte Kontakt zwischen den Bürgern und der Kommunalverwaltung digital abgewickelt werden kann, zeigt sich, dass 17 der 68 untersuchten Kommunen keine Online-Dienste anbieten. Weitere 23 kommen nicht über drei Dienste hinaus. Unter diesen Diensten finden sich oftmals Online-Fundbüros, die Beantragung von standesamtlichen Urkunden oder Führungszeugnissen sowie die Abmeldung eines Fahrzeugs und die Beantragung eines Wunschkennzeichens. Bezogen auf funktional und quantitativ bedeutsame Verwaltungsleistungen in der Fläche findet E-Government für die Bürger nicht statt. Ein Blick auf fünf Verwaltungsleistungen bestätigt den Gesamteindruck im Detail. Untersucht wurden Gewerbemeldungen, Wohngeldanträge, Melderegisterauskünfte, Kfz-Meldungen und Baugenehmigungen. Die ausgewählten Dienste bilden ein breites Spektrum der angebotenen öffentlichen Leistungen ab. Sie entstammen unterschiedlichen Verfahrens- und Prozesstypen mit divergierenden Zuständigkeiten, sie werden in verschiedenen Lebenslagen benötigt und unterscheiden sich grundlegend hinsichtlich ihres Komplexitätsgrades. In der Gesamtschau vermitteln sie also ein typisches Bild von den angebotenen Verwaltungsleistungen. Bereits bei den bereitgestellten Informationen, einer relativen Stärke der aktuellen E-Government-Landschaft, zeigen die Detailanalysen Schwächen der Umsetzung. Im Mittel über die fünf Verwaltungsleistungen stellen etwa ein Drittel der untersuchten Portale nicht einmal Informationen zur Verfügung. Bezogen auf die einzelnen Verwaltungsleistungen bietet nur ein Viertel bis die Hälfte der Verwaltungen sowohl Informationen als auch Formulare an. Informationen und Formulare sind aber essenziell für die Nutzung von E-Government-Angeboten. Ist diese Grundlage nicht vorhanden, endet die Möglichkeit von E-Government bereits im Stadium der Recherche und Informationsbeschaffung. Wenn Formulare bereitgestellt werden, lassen sie sich nicht immer elektronisch ausfüllen. Mitunter bleibt nur die Möglichkeit, das Formular auszudrucken und wie gewohnt per Hand auszufüllen. Aber auch elektronisch ausfüllbare Formulare gewährleisten noch keine medienbruchfreie Abwicklung, da die Formulare ebenso ausgedruckt und auf dem Postweg oder persönlich der Verwaltung zugestellt werden müssen. Auch Möglichkeiten zur rein digitalen Kommunikation mit den Verwaltungen sind kaum vorhanden. Postweg und persönliches Erscheinen sind die prägenden Zugangswege. Nur die recht simple Melderegisterauskunft lässt sich oft mit einem Web-Formular beantragen. Bei Gewerbemeldungen stehen digitale Übermittlungswege nur bei zehn, bei Baugenehmigungen bei fünf Kommunen der Stichprobe zur Verfügung. Bei den übrigen Qualitätskriterien zeigt sich das gleiche Bild. Statusabfragen sind fast nur bei Baugenehmigungen (in 18 Prozent der Kommunen) möglich. Als Basiskomponente kommt die klassische E-Mail im großen Umfang zur Anwendung. De-Mail wird von keiner der untersuchten Kommunen bei den fünf Leistungen angeboten. Der Personalausweis, qualifizierte elektronische Signaturen und E-Payment-Lösungen finden bei der Melderegisterauskunft fast keine Anwendung.
Mittel zur Realisierung
Angesichts dieses ernüchternden Befundes zum Stand des E-Government-Angebots verwundert es nicht, wenn Einzelprojekte nicht die erhoffte Wirkung entfalten. Woher sollen die Bürger wissen, dass ausgerechnet für dieses eine Anliegen eine Online-Lösung vorhanden ist, während ansonsten der Gang zum Bürgerbüro in der Regel noch unerlässlich ist? In einer Zeit, in der sich immer mehr Angelegenheiten jederzeit digital erledigen lassen, mutet der E-Government-Stand befremdlich an. Man stelle sich einmal vor, einschlägige Online-Händler ließen ihre Bestellvorgänge in auszudruckenden PDFs enden. Dabei kostet der Gang zum Bürgeramt nicht nur die Bürger Zeit und – mitunter – Nerven, auch für die Kommunalverwaltungen ergibt sich ein beträchtliches Einsparpotenzial durch die Digitalisierung. Das konkrete Einsparpotenzial hängt stark von der jeweiligen Verwaltungsleistung ab. Schätzungen in Anlehnung an das Standardkostenmodell kommen zu möglichen Einsparungen von bis zu 75 Prozent der derzeitigen Kosten bei der Melderegisterauskunft. Demgegenüber ist das Verfahren der Kfz-Meldungen bereits so sehr optimiert, dass sich eine deutliche Verringerung des Aufwands für die Bürger nur mit leicht erhöhten Kosten für die Verwaltungen realisieren ließe. Über alle fünf Verwaltungsleistungen lassen sich im gewichteten Mittel Einsparungen in Höhe von etwa einem Drittel der aktuellen Kosten erwarten. Ob diese Einsparungen auch haushaltswirksam werden, hängt von den Spezifika der einzelnen Verwaltungseinheiten ab. Stellenpläne etwa lassen sich nicht von heute auf morgen vollkommen umstellen. Mittel- und langfristig scheint es jedoch keine Alternative zur konsequenten E-Government-Umsetzung zu geben: sowohl Verwaltungen als auch Bürger profitieren davon in erheblichem Maße. Damit E-Government seine Wirkung entfalten kann, muss ein breites, attraktives Angebot zur Verfügung stehen. Der digitale Zugang muss selbstverständlich die erste Wahl für alle Verwaltungsangelegenheiten sein. Medienbruchfreie Übermittlung und Bearbeitung, standardisierte und vertraute Zugänge und Benutzerführung sowie eine weitgehende Automatisierung von Routineaufgaben sind dann die Mittel zur Realisierung der Einsparungen.
Warum kooperieren?
Ein breites, attraktives Angebot können selbst Großstädte unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht alleine aufbauen. Es wäre auch nicht sinnvoll, wenn etwa Dortmund und Essen parallel die E-Government-Welt neu erfinden wollten. Der Schlüssel zur E-Government-Umsetzung ist die Kooperation aller Verwaltungsebenen. Der Bund muss hierfür die europa- und deutschlandweit einheitlichen Komponenten zur Verfügung stellen, die von den Ländern angepasst und um Fachkomponenten ergänzt werden müssen. Sobald dies erfolgt, steht den Kommunen ein Baukasten zur Verfügung, um das eigene E-Government-Angebot aus den bestehenden Komponenten aufzubauen. Dass dies ein realistisches Szenario ist, zeigt bereits die sonst so ernüchternde Bestandsaufnahme zum E-Government. Bereits heute binden die meisten Kommunen Online-Dienste von anderen Verwaltungsebenen ein. Selbst wenn Bund und Länder ihrer Verantwortung für ein wirksames E-Government gerecht werden, bleibt für die Kommunen genug zu tun. Sie müssen die angebotenen Fach- und Basiskomponenten auch nutzen. Anpassungen an die lokalen Gegebenheiten sind dabei unumgänglich – auch wenn nicht unbedingt jede Verwaltungsleistung in den örtlichen Dialekt übersetzt werden muss. Damit die bereitgestellten Komponenten tatsächlich den Bedarf vor Ort bedienen können, müssen sich die Kommunen zudem aktiv in die Entwicklung einbringen. Direkt als Entwicklungspartner oder vermittelt über Verbände kann so sichergestellt werden, dass die neuen Anwendungen nicht an den tatsächlichen Bedarfen vorbei entwickelt werden. Damit es soweit kommt, braucht es neben der Einsicht in die Notwendigkeit auch den entsprechenden politischen Druck. Hier kommt den Kommunen ebenfalls eine entscheidende Bedeutung zu. Sie sind es, die mit der Unzufriedenheit der Bürger konfrontiert werden. Sie sind es auch, die Mehrkosten aufgrund ungenutzter Möglichkeiten zu tragen haben. Höchste Zeit also, mithilfe der Kommunen bürgerorientierte und hocheffiziente digitale Verwaltungsleistungen zu entwickeln und in der Fläche auszurollen.
Dieser Beitrag ist in der März-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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