Freitag, 18. April 2025

InterviewKoordinierende Rolle

[26.06.2019] Kristina Sinemus, Hessische Staatsministerin für Digitale Strategie und Entwicklung, spricht über ihre neue Behörde, eine menschliche Digitalisierung, den Fachkräftemangel und Hessens Vorreiterrolle bei der Verwaltungsdigitalisierung.
Prof. Dr. Kristina Sinemus

Prof. Dr. Kristina Sinemus, Hessische Staatsministerin für Digitale Strategie und Entwicklung

(Bildquelle: STK/Salome Roessler)

Frau Ministerin Sinemus, Sie sind seit Anfang des Jahres Hessische Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung. Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Amtszeit gesetzt?

Ich möchte den Breitband-Mobilfunkausbau weiter vorantreiben und die weißen Flecken, vor allem im ländlichen Raum, beseitigen. Dafür nehmen wir als Land Hessen 50 Millionen Euro in die Hand. Den Menschen schnell und unbürokratisch Zugang zu wichtigen Dokumenten zu ermöglichen, ist ebenfalls ein Kernanliegen von mir. Ich werde die digitale Verwaltung in meiner Amtszeit weiter voranbringen. Am Herzen liegt mir, die Sorgen der Menschen anzuhören, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und gemeinsam zu erkennen, was Digitalisierung in ihrem Lebensbereich bewirken kann.

Welche Gründe sprachen dafür, diese neue Behörde einzurichten?

Digitalisierung betrifft alle Lebensbereiche. Egal, ob wir beim Arzt sind oder in der Autowerkstatt, ob wir mit unseren Kindern skypen oder online einen Termin bei der Stadtverwaltung vereinbaren: Immer begegnet uns Digitales. Deswegen braucht es ein Querschnittsressort, das sich diesen Themen annimmt. Und das haben wir nun. Wir sind die Bündelungsstelle und werden eine koordinierende Rolle für alle anderen Ministerien haben.

Wie sind die Aufgabenbereiche zwischen Ihnen und dem neuen Hessen-CIO, Patrick Burghardt, Staatssekretär für Digitale Strategie und Entwicklung, abgesteckt?

Staatssekretär Burghardt leitet die Verwaltung unseres neuen Geschäftsbereichs und hat von Finanzminister Thomas Schäfer die Aufgabe des Chief Information Officer (CIO) und Bevollmächtigten der Landesregierung für E-Government und Informationstechnologie übernommen (wir berichteten). Der CIO ist für die strategische Steuerung der gesamten Informationstechnologie und die koordinierende operative Umsetzung von IT-Projekten auf Landesebene ebenso zuständig wie für die qualitative Verbesserung von IT-Verfahren sowie für die Standardisierung und Konsolidierung. Zudem vertritt der CIO Hessens Interessen im IT-Planungsrat. Ich vertrete den gesamten Bereich Digitalisierung nach außen und bin für die politischen Entscheidungen verantwortlich. Darüber hinaus werde ich die Weichen stellen, damit wir in den wichtigen Fragen der Digitalisierung wegweisende Schritte nach vorne gehen.

Wie ist Hessen bei der Digitalisierung im Ländervergleich aufgestellt und wo sehen Sie Nachholbedarf?

Hessen steht beim Breitband-Ausbau sehr gut da. Wir liegen auf Platz drei der deutschen Flächenländer beim Ausbaugrad, bei der Gewerbeversorgung sogar auf Platz eins. Fünf von sechs hessischen Haushalten verfügen über einen Breitband-Anschluss von 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) und mehr. Trotzdem investieren wir enorm weiter. Bei der Verwaltungsdigitalisierung ist Hessen seit vielen Jahren bundesweit ein Vorreiter. Die Einrichtung eines CIO auf Landesebene im Jahr 2003 war eine Pionierentscheidung, der mittlerweile zahlreiche andere Bundesländer gefolgt sind. In den vergangenen Jahren wurde die Digitale Agenda 2020 – der Masterplan für digitales Verwaltungshandeln – auf den Weg gebracht und deren Umsetzung konsequent vorangetrieben. Die Einheit, die zukünftig im Alltag die IT von Bund und Ländern aufei­nander abstimmen und gemeinsam weiterentwickeln soll, ist in Hessen angesiedelt. Die Föderale IT-Kooperation, kurz FITKO, wird derzeit in den Räumen der Oberfinanzdirektion in Frankfurt am Main aufgebaut.

„Ich werde die digitale Verwaltung in meiner Amtszeit weiter voranbringen.“
Welches sind aktuell die drängendsten Herausforderungen mit Blick auf die Verwaltungsdigitalisierung in Hessen?

Die Digitalisierung der Verwaltung zum Nutzen aller hessischen Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen ist ein wesentlicher Bestandteil der künftigen politischen Arbeit. Damit diese erfolgreich sein kann, werden ressortübergreifend Kompetenzen gebündelt, Zuständigkeiten neu sortiert und eine Strategie für eine menschliche Digitalisierung erarbeitet, die sich an unseren Werten und Normen orientiert und sich an das Zusammenleben in der digitalen Welt anpasst. Damit die zukünftigen Herausforderungen bewältigt werden können, ist ein klarer politischer Wille notwendig, unterstützt von einem kompetenten und motivierten Team. Und hier ist Hessen sehr gut aufgestellt.

Was sind die größten Herausforderungen im Hinblick auf Onlinezugangsgesetz (OZG) und Portalverbund?

Das Thema Verwaltungsdigitalisierung erhält durch das Onlinezugangsgesetz einen deutlichen Nachdruck, um die gesetzlichen Verpflichtungen umzusetzen. Unsere Kunden erwarten von ihrer Verwaltung ein modernes Gesicht mit der Möglichkeit, einen Großteil der Verwaltungsleistungen online rund um die Uhr zu erledigen. Dies kann nur durch Kooperation im Rahmen einer Gesamtstrategie von Bund, Ländern und Kommunen funktionieren und indem verkrustete Strukturen aufgebrochen und neue Impulse gesetzt werden. Herausfordernd ist hierbei der knappe, selbst auferlegte Zeitraum für die Umsetzung des OZG und die wenigen am Markt verfügbaren Fachkräfte für IT und Digitalisierung.

Wie kann E-Government zum Erfolg geführt werden?

Die Akzeptanz und am Ende die Nutzung der digitalen Verwaltungsangebote und -leistungen sind ausschlaggebend für den Erfolg einer E-Government-Strategie. Was einfach klingt, ist oft schwer umzusetzen: Unsere Prozesse und Angebote müssen aus Nutzersicht grundlegend modernisiert werden. Die Politik ist gefordert, den Rahmen vorzugeben und auch die infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen. Zusammen mit allen Beteiligten müssen wir Themen wie DSGVO-konforme Modernisierung der Zugriffe auf öffentliche Register, Interoperabilität der Systeme, Portalverbund, Dokumenten-Management-System 4.0, Cyber-Sicherheit und den Breitband-Ausbau umsetzen. Nebenbei ist die Frage des eklatanten Fachkräftemangels zu lösen, denn – wie überall – muss auch die Verwaltung erheblich nachbessern, um adäquates Personal zu bekommen. Zugleich muss die Öffentlichkeit über alle Kanäle hinweg über die Leistungen der Verwaltungen und Zugangsmöglichkeiten unterrichtet werden, denn Akzeptanz lässt sich nur durch frühzeitige Einbindung der Beteiligten sowie eine breite Information über die Ziele erreichen.

Warum gibt es immer noch so wenig Frauen in Führungspositionen?

Wenn ich in die Wirtschaft schaue, tut sich doch einiges. Julia Jäkel, Vorsitzende der Bertelsmann Content Alliance und Chief Executive Officer des Verlagshauses Gruner + Jahr, Beatrice Guillaume-Grabisch, Vorständin für Personal und IT bei Nestlé oder auch die frühere hessische Sozial- und Umweltministerin Silke Lautenschläger sind in ihren Branchen in führenden Positionen tätig. Ich bin der Meinung: Qualität zahlt sich aus – egal ob Mann oder Frau. Davon profitieren Unternehmen und auch die Politik. Allein das aktuelle hessische Kabinett hat fünf Ministerinnen. Das spricht für sich.

Interview: Alexandra Braun




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Screenshot des Deckblatts der Ahauser Digitalisierungsstrategie.

Ahaus: Digitalisierungsstrategie verabschiedet

[15.04.2025] Ahaus soll zu einer modernen, digitalen Stadt werden, in der neue Technologien und digitale Verwaltungsservices das Leben der Menschen einfacher machen. Als Leitfaden dient der Kommune ihre neue Digitalisierungsstrategie. mehr...

Porträt er Ministerin für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz, Dörte Schall.

Rheinland-Pfalz: Digitale Transformation geht nur gemeinsam

[15.04.2025] Die zweite landesweite Digitalisierungsveranstaltung in Koblenz zeigt, dass Rheinland-Pfalz beim OZG-Umsetzungsstand deutliche Fortschritte macht. Rund die Hälfte der zentralen OZG-Leistungen ist angebunden. Ziel bleibt die vollständige Ende-zu-Ende-Digitalisierung. mehr...

Screenshot des Deckblatts des gemeinsamen Jahresberichts der FITKO und des IT-Planungsrats für 2024.

IT-Planungsrat / FITKO: Gemeinsamer Jahresbericht für 2024

[14.04.2025] Im gemeinsamen Jahresbericht für 2024 berichten der IT-Planungsrat und die Föderale IT-Kooperation (FITKO) über ihre Tätigkeiten und Erfolge. Erstmals kommen auch die Gremien, Arbeits- und Projektgruppen zu Wort. mehr...

Vektorgrafik. Mehrere Personen fügen Puzzleteile zusammen.
bericht

Kooperationen: Die Renaissance einläuten

[11.04.2025] Neben einer konsequenten Digitalisierung kann die Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit das Fundament bieten, um die kommunale Aufgabenerfüllung auch in Zeiten des Fachkräftemangels zu sichern. Das leistet auch einen Beitrag gegen Staatsverdrossenheit. mehr...

Blick vom Spreeufer auf das Reichstagsgebäude.

Koalitionsvertrag: Digitalministerium soll kommen

[10.04.2025] Union und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Kommunen und Verbände begrüßen das geplante Digitalministerium, sehen Fortschritte beim Bürokratieabbau und fordern eine zügige Umsetzung zentraler Vorhaben. mehr...

Cover Zukunftsradar 2024

DStGB/iit: Zukunftsradar Digitale Kommune 2024

[10.04.2025] Der neue DStGB-Zukunftsradar liegt vor. Die Studie belegt: Kommunen sehen eine besser abgestimmte föderale IT-Infrastruktur und eine gemeinsame Cybersicherheitsstrategie als zentrale Voraussetzungen für die weitere Verwaltungsdigitalisierung. mehr...

Rudolf Schleyer, den Vorstandsvorsitzenden der AKDB
interview

Interview: Digital Only als Ziel

[08.04.2025] Wie der Stand der Digitalisierung in der Kommunalverwaltung ist und welche Erwartungen die kommunalen IT-Dienstleister an die neue Bundesregierung haben, darüber sprachen wir mit Rudolf Schleyer, dem Vorstandsvorsitzenden der AKDB. mehr...

IT-Beauftrage von Augsburg, München und Nürnberg

Positionspapier: Verwaltung effizient gestalten

[07.04.2025] München, Augsburg und Nürnberg haben ein gemeinsames Positionspapier zu kommunalen Cloudregistern der FITKO zugeleitet. Die bayerischen Städte sehen die Registermodernisierung und zentrale IT-Lösungen als notwendige Schritte zur Sicherung der Verwaltungseffizienz. mehr...

Niedersachsen: Pakt für Kommunalinvestitionen

[25.03.2025] Die niedersächsische Landesregierung stellt den Kommunen 640 Millionen Euro aus dem Jahresüberschuss 2024 zur Verfügung. Mit dem neuen Kommunalinvestitionsprogramm sollen Städte, Gemeinden und Kreise gezielt entlastet werden – ohne Eigenanteil und mit flexibler Mittelverwendung. mehr...

Cover des D21 Digital-Index 2024/25

D21-Digital-Index: Digitale Resilienz als Schlüssel

[10.03.2025] Alljährlich liefert D21 mit ihrem Digital-Index ein umfassendes Lagebild zum Digitalisierungsgrad in Deutschland. Nun hat die Initiative ihre Studie für 2024/25 vorgelegt. Demnach verändern digitale Technologien Gesellschaft und Wirtschaft tiefgreifend – die Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeit werden aber weitgehend unterschätzt. mehr...

Vektorgrafik, die ein Team zeigt, das Puzzleteile zusammenfügt.

Beckum: d-NRW-Beitritt beschlossen

[03.03.2025] Um Zeit und Aufwand bei der Ausweitung ihrer digitalen Verwaltungsservices zu sparen, tritt die Stadt Beckum der d-NRW bei. Als Trägerin der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts wird sie unter anderem von einer ausschreibungsfreien Nachnutzung von OZG-Leistungen profitieren. mehr...

muenchen_neues_rathaus

München: Fortschreibung der Digitalisierungsstrategie

[13.02.2025] Der Münchner Stadtrat hat die fünfte Fortschreibung der Digitalisierungsstrategie der bayerischen Landeshauptstadt beschlossen. Sie beinhaltet unter anderem den Aufbau eines Kompetenzschwerpunkts für User Experience sowie eine neue Formulierung des strategischen Prinzips der nutzerzentrierten Gestaltung. mehr...

OZG: „Aufenthalt“ erreicht alle Milestones

[07.02.2025] Das maßgeblich vom Land Brandenburg vorangetriebene OZG-Projekt „Aufenthalt“ hat alle Vorgaben des OZG-Verwaltungsabkommens erfüllt. Inzwischen nutzen über 270 Ausländerbehörden die digitalen Dienste, weitere 170 befinden sich im Roll-out. Die Weiterentwicklung läuft kontinuierlich. mehr...

Porträt Dr. Daniela Dylakiewicz

Sachsen: Neue CIO für den Freistaat

[07.02.2025] Daniela Dylakiewicz ist neue CIO des Freistaats Sachsen. Um die digitale Verwaltungstransformation voranzutreiben, strebt sie eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen des Landes an. mehr...

Diagramm zur räumlichen, fachlichen und funktionalen Bündelung von Verwaltungsaufgaben.

Deutscher Landkreistag: Aufgabenbündelung ja, Verfassungsänderung nein

[06.02.2025] Der vom Normenkontrollrat vorgebrachte Vorschlag einer stärkeren Bündelung staatlicher Aufgaben wird vom Deutschen Landkreistag unterstützt. Der kommunale Spitzenverband warnt aber auch vor zentralistischen Strukturen und lehnt vorgeschlagene Verfassungsänderungen ab. mehr...