Donnerstag, 13. Februar 2025

KameralistikLanger Abschied

[06.11.2013] Zehn Jahre nach dem Beschluss zur Reform des kommunalen Haushaltsrechts zeigt sich: Der Abschied von der Kameralistik ist mit Schwierigkeiten verbunden, bringt jedoch auch spürbare Verbesserungen mit sich. Langfristig führt an der Doppik kein Weg vorbei.
Vor zehn Jahren wurden die Weichen zur Abkehr von der Kameralistik gestellt – die Doppik-Einführung wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Vor zehn Jahren wurden die Weichen zur Abkehr von der Kameralistik gestellt – die Doppik-Einführung wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

(Bildquelle: PEAK)

Die Innenministerkonferenz (IMK) geht davon aus, dass die Reform des kommunalen Haushaltsrechts einen grundlegenden Wandel der kommunalen Haushaltswirtschaft und der Kommunalverwaltungen bewirken wird – dieser Satz ist Bestandteil des Beschlusses der IMK vom 21. November 2003 in Jena. Jener Entscheidung, die das kommunale Finanzwesen in Deutschland maßgeblich verändert hat. Da diese Weichenstellung demnächst ihren zehnten Geburtstag feiert, besteht Anlass, ein vorläufiges Fazit zum langen Abschied von der Kameralistik zu ziehen.

Erwartbarer Mehraufwand

Die Doppik soll eine realistische Analyse der finanziellen Situation und des Ressourcenverbrauchs einer Kommune ermöglichen. Insofern dient ihre Einführung vor allem dazu, Defizite der Kameralistik zu kompensieren, indem die ungefähr der Finanzrechnung entsprechende bisherige Praxis um die Komponenten Vermögens- und Ergebnisrechnung ergänzt wird. Dass dadurch, insbesondere in der Einführungsphase, ein Mehraufwand entsteht, kann kaum überraschen. Neben dem hohen Umsetzungsaufwand stellten sich die eingeschränkte Eignung und Handhabbarkeit der Instrumente und die Formulierung von Zielen und Kennzahlen als Problem heraus, darüber hinaus gibt es Schwierigkeiten mit der Finanzstatistik, mit interkommunalen und landesrechtlichen Regelungen sowie bei der Erfassung und Bewertung von Vermögen oder der Einführung und Anpassung entsprechender Software. Hinzu kommen die beschränkte Akzeptanz des neuen Systems durch die Politik und die notwendige Qualifizierung der Beschäftigten.

Spürbare Verbesserungen

Diese Probleme sind weder unerwartet noch unlösbar. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Reform nicht weniger beabsichtigt, als die Einführung eines (komplexen!) Informationssystems zuzüglich der Konsolidierung im Sinne des Einbezugs aller Organisationsformen einer Gebietskörperschaft, was eine zusätzliche Komplexität mit sich bringt. Außerdem werden weitere Steuerungsinstrumente implementiert, wie Produkthaushalt, Budgetierung, Kosten- und Leistungsrechnung, Controlling oder die Steuerung mithilfe von Zielen und Kennzahlen. Dass ein derart umfangreiches Vorhaben erhebliche Kosten und auch unbeabsichtigte Effekte hat, ist klar. Zumindest jene, die zuvor schon in die Umsetzung des Neuen Steuerungsmodells (NSM) involviert waren, hegten sicherlich keine naiven Vorstellungen hinsichtlich der Intensität der Veränderungen. Den Schwierigkeiten stehen jedoch auch spürbare Verbesserungen gegenüber. Dazu gehören nicht zuletzt die Darstellung des gesamten Ressourcenverbrauchs und finanzieller Folgewirkungen kommunaler Entscheidungen, die Verdeutlichung der Finanz-, Vermögens- und Ertragssituation der Kommune und deren Entwicklung sowie die Erhöhung der Transparenz, vor allem durch den Produkthaushalt. Die Doppik-Einführung ist „Work in Progress“, der Einführungsprozess erfolgt schrittweise, was auch den geringen Umsetzungsgrad bei einzelnen Elementen der Reform erklärt, und die Gewöhnung an die neuen Verfahren und die Steuerungslogik wird noch viel Zeit brauchen.

Zweifelhafte Rolle der Bundesländer

Anders als beim Neuen Steuerungsmodell erfolgt die Reform in vielen Bundesländern aufgrund rechtlicher Vorgaben und ist hochgradig reguliert. Sie muss teilweise also auch von Kommunen umgesetzt werden, die einen konkreten Nutzen nicht erkennen können oder gegenwärtig andere Probleme zu lösen haben. Diese Top-down-Strategie wirft ein Schlaglicht auf die zweifelhafte Rolle der Bundesländer und auch des Bundes bei diesem Thema. Es ist paradox, dass die Flächenländer teilweise die Kommunen zur Reform verpflichten, selbst aber (bis auf Hessen) für sich darauf verzichten. Die inzwischen teilweise wieder vorgenommene Entpflichtung der Kommunen verschärft die ohnehin fragwürdige Wahlmöglichkeit, welche die Parallelität von bis zu drei Systemen im kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen im selben Bundesland zur Folge hat. Zudem existiert ein Flickenteppich an landesrechtlichen Regelungen. Diskussionswürdig ist auch, ob der zweifelhafte Sonderweg der erweiterten Kameralistik nicht als fauler, oder doch zumindest halbherziger Kompromiss zu bewerten ist. Das gilt insbesondere für den Bund, der zunächst diesen halben Schritt gehen wollte und dann doch davor zurückschreckte.
Hinsichtlich der Kommunen wiegt jedoch ein anderes Problem schwerer: Die Doppik verschärft zunächst die kommunale Haushaltskrise, da der Haushaltsausgleich schwerer zu erreichen ist. Sie schafft zwar die instrumentelle Grundlage zur langfristigen Verbesserung der Haushaltslage durch Transparenz über Finanzlage und -entwicklung, führt aber nicht zu mehr Einnahmen und bietet auch keine Lösungsmöglichkeiten für finanzielle Probleme. Dieses Dilemma tritt in Nordrhein-Westfalen schon seit Längerem zutage, wird jedoch spätestens dann auch andernorts offensichtlich, wenn die Bundesländer den finanziellen Druck auf die Kommunen erhöhen.

Harmonisierung ist nur eine Frage der Zeit

Langfristig werden sich Bund und Länder dem Doppik-Trend vermutlich nicht entziehen können. Die Harmonisierung ist wohl nur eine Frage der Zeit, wobei auch die Flexibilisierung verstärkt gefordert werden wird. Auf kommunaler Ebene besteht auch weiterhin das Dilemma zwischen der erheblichen Komplexität der Reform einerseits und den begrenzten Veränderungskapazitäten andererseits: Dem hohen Reformaufwand werden tendenziell weniger Ressourcen in den Kommunen gegenüberstehen. Handlungsbedarf besteht auch, weil wichtige Elemente des öffentlichen Finanzwesens weiterhin kameralistisch funktionieren, insbesondere die neuen Regelungen zur Schuldenbremse, die reformbedürftigen Finanzausgleichssysteme oder die Finanzstatistik. Insofern ist absehbar, dass die Reform des kommunalen Haushaltsrechts noch lange weitergeht. Mittelfristig muss es darum gehen, die zentralen Komponenten so umzusetzen, dass sie zeitnah und aussagekräftig addressatengerechte Informationen liefern – und die verschiedenen Elemente effizient und ohne Redundanzen aufeinander abgestimmt sind. Die Kommunen werden weiterhin pragmatisch den Umgang mit den neuen Verfahren lernen und diese an ihre Bedürfnisse anpassen. Das langfristige Ziel sollte – auf allen Ebenen – ein einheitliches System auf Basis der Doppik sein, das sich an internationalen Standards orientiert. Die Kommunen müssen die Regelungen dabei aber aufgrund ihrer Erfahrungen maßgeblich mitbestimmen und verschlanken können.

Dr. John Siegel ist Professor für Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.




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