ElterngeldLeichter mit ELFE
Wer einen Antrag auf Elterngeld stellen möchte, steht derzeit noch vor einer echten Herausforderung. In Bremen etwa müssen Eltern dafür einen sechsseitigen Antrag ausfüllen und in Einzelfällen bis zu 32 verschiedene Dokumente bei der Elterngeldstelle einreichen, für die zuvor häufig anderweitige Behördenbesuche nötig werden. Der Weg zum Elterngeld ist also zeitaufwendig und komplex. Dieser Problemlage widmet sich das Bremer Projekt ELFE – Einfach Leistungen für Eltern.
Als Digitalisierungsprojekt des Bremer Senats wird ELFE gemeinschaftlich von der Senatorin für Finanzen und der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport umgesetzt. Im Rahmen des IT-Planungsrats gehört ELFE zum Digitalisierungsprogramm und wird nun Pilotprojekt für das Onlinezugangsgesetz (OZG). Das im Jahr 2017 in Kraft getretene OZG verpflichtet den Bund und die Länder, ihre Verwaltungsleistungen bis 2022 flächendeckend elektronisch anzubieten. Im Sinne der Nutzerorientierung wurden die Verwaltungsleistungen nach Lebenslagen gegliedert. Die Freie Hansestadt Bremen hat gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) die Federführung für den Themenbereich Familie und Kind übernommen. Erarbeitete Lösungen müssen dabei so gestaltet werden, dass eine Übertragbarkeit auf alle Bundesländer gewährleistet ist.
Per Mausklick zur Geburtsurkunde
ELFE sieht eine medienbruchfreie Digitalisierung der Anträge vor, die nach der Geburt eines Kindes anfallen. Quasi per Mausklick sollen die Geburtsurkunde, das Kindergeld und das Elterngeld beantragt werden können. An die Stelle eines sechsseitigen Formulars für Elterngeld, eines einseitigen Formulars für Kindergeld und die Anmeldung der Geburt tritt eine App, mit deren Hilfe die Identität der Eltern, Informationen zur zeitlichen Planung der Elternzeit und die Einwilligung der Eltern zum automatisierten Datenaustausch abgefragt werden. Denn die für einen Kindergeld- und Elterngeldantrag benötigten Daten liegen zum Zeitpunkt der Antragstellung nahezu alle bereits in anderen Behörden vor oder sind potenziell elektronisch an anderer Stelle abrufbar.
ELFE bleibt freiwillig und wird als zusätzliche Möglichkeit der Antragstellung eingeführt. Mit Einwilligung der Eltern sollen in Zukunft Daten verschiedener Register automatisiert verknüpft und an die Elterngeldstelle weitergeleitet werden. Bei der Erarbeitung passender, effizienter und transparenter Lösungen rückt das Projekt ELFE die Sicht der Bürger in den Mittelpunkt. Lösungsansätze werden stetig getestet und mit am Prozess beteiligten Fachexperten gespiegelt und diskutiert. Die Lösung wird somit sukzessive auf Qualität und Machbarkeit geprüft und verbessert.
Drei wesentliche Aufgaben muss ELFE bewältigen: Erstens muss es einen einfachen, nachvollziehbaren und übertragbaren Prozess vorschlagen, über den die medienbruchfreie Antragstellung gelingen kann. Zweitens müssen rechtliche Voraussetzungen für einen solchen Lösungsweg parallel erarbeitet und initiiert werden. Drittens muss auf der technischen Seite eine stabile Lösung entwickelt werden, die den fachlichen Prozess standardisiert steuert. Teilweise sind behördliche Abläufe schon heute digitalisiert: Nach der Anzeige einer Geburt beim Standesamt erfolgt eine automatische Meldung an die Meldebehörde des Wohnorts des Kindes. Diese meldet die Geburt dann dem Bundeszentralamt für Steuern, welches wiederum eine Steuer-Identifikationsnummer vergibt und per Brief an die Eltern sendet. An diese Vorgehensweise der Datenübermittlung knüpft ELFE an.
Fachgesetze anpassen
Um die genannten Ansätze für ELFE umsetzen zu können, müssen in Teilen Fachgesetze angepasst werden. In den verschiedenen Gesetzen ist der Datenschutz rechtlich zu verankern und das automatisierte Abrufverfahren noch explizit zu ermächtigen. Dazu musste ein Einvernehmen der Länder untereinander und mit dem Bund hergestellt werden. Der entsprechende, von Bremen initiierte und gemeinsam mit Hamburg, Schleswig-Holstein, Thüringen und Berlin eingebrachte Entschließungsantrag wurde in den betroffenen Fachausschüssen beschlossen und die Bundesregierung vom Bundesrat bereits gebeten, geeignete Gesetzesvorschläge für die Umsetzung zu unterbreiten.
Für den Vorgang in ELFE sind verschiedene Behörden von zentraler Bedeutung: Standesämter müssen an das ELFE-Back-End angeschlossen werden und die Geburt eines Kindes automatisiert bestätigen. Erst mit der Bestätigung der Geburt kann ELFE gesichert davon ausgehen, dass das entsprechende Kind existiert und das Geburtsdatum vermerkt ist. Ein weiteres Augenmerk ist auf die Krankenkassen zu richten. Künftig sollen nicht mehr die Eltern zum Beispiel Mutterschaftsgeld nachweisen, sondern es soll eine direkte Kommunikation vom ELFE-Back-End mit den Krankenkassen ermöglicht werden. Bisher gibt es dafür keine elektronische Schnittstelle. Ein ebenfalls wichtiger Schnittpunkt soll zu den Arbeitgebern der antragstellenden Eltern entstehen. Um die zustehende Leistung berechnen zu können, ist es unabdingbar, die Einkommensdaten vor der geplanten Elternzeit einzuholen. Derzeit wird geprüft, inwiefern das elektronische Datenübermittlungsverfahren im Rahmen der Meldepflichten für Arbeitgeber dazu genutzt werden kann.
Standardisierte Schnittstellen schaffen
Um trotz unterschiedlicher IT-Verfahren der verschiedenen beteiligten Behörden einen reibungslosen Datenaustausch gewährleisten zu können, bedarf es der Einigung auf standardisierte Schnittstellen. Für den verwaltungsinternen Datenaustausch kommen üblicherweise XÖV-Standards zum Einsatz. Für den Datenaustausch zwischen und mit Arbeitgebern, Rentenversicherungsträgern sowie Krankenkassen steht mit dem eXtra Standard ein ähnliches Modell zur Verfügung. Diese Standards eröffnen grundsätzlich die Möglichkeit, Querschnittsleistungen wie beispielsweise eine Meldebestätigung oder -auskunft oder aber die Information zur Beurkundung einer Geburt schnell und einfach elektronisch abzurufen, um die Ergebnisse in die Antragsbearbeitung einfließen zu lassen.
Die Aussichten für ELFE sind gut, auch deshalb, weil die Ziele des Vorhabens der politischen Zielsetzung des Koalitionsvertrags der aktuellen Bundesregierung entsprechen. Hier ist explizit geplant, dass Antragsteller künftig ihre Daten nur einmal abgeben müssen. Dabei gelten die Prinzipien der Transparenz, der Kontrolle und der Anlassbezogenheit. Das ELFE-Team ist konstant an Rückmeldungen interessiert. Eine App zur Demonstration des ELFE-Front-Ends ist bereits online abrufbar. Hier wird nicht nur fortlaufend über neue Entwicklungen des Projekts informiert – es sind auch Kontaktmöglichkeiten für Rückmeldungen angegeben.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar 2019 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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