REPORTLernen mit IT
Der Einsatz von digitalen Medien gehört an deutschen Schulen noch nicht zum Unterrichtsalltag – das ist kein Geheimnis und wurde im Rahmen diverser Studien bestätigt. Zwar haben die Schulträger in den vergangenen Jahren viel in die technische Ausstattung der Schulen investiert. Die Bemühungen, neue Medien in allen Fächern und Lernbereichen zu einem integralen Bestandteil der Lehr- und Lernkultur zu machen, sind jedoch nur mäßig erfolgreich, eine medienpädagogische Kompetenz der Lehrkräfte bislang nicht flächendeckend vorhanden.
Dass IT-gestützte Unterrichtsmethoden in deutschen Klassenzimmern noch nicht zu einer Selbstverständlichkeit geworden sind, hat vielfältige Gründe. Sie reichen von unterschiedlichen unterrichtlichen Überzeugungen der Lehrkräfte über unzureichende Aus- und Fortbildungsangebote, fehlende didaktische Konzepte, die mangelhafte Verfügbarkeit von guten digitalen Lernmaterialien und eingeschränktem Support bis hin zu mangelndem Engagement der Schulleitung. Deshalb wird die Erneuerung von Hardware alleine nicht dazu führen, dass der IT-gestützte Unterricht an deutschen Schulen künftig eine größere Rolle spielt.
Nützliche Netze
IT-Systeme für Schulen müssen es den Lehrkräften erlauben, sich auf das Unterrichten zu konzentrieren und es auch älteren oder im Umgang mit IT wenig versierten Lehrern ermöglichen, neue Medien in den Unterricht einzubeziehen. Schul-IT-Lösungen sollten also weitgehend intuitiv bedienbar sein, eine einfache Unterrichtssteuerung ermöglichen und wenig anfällig für Störungen sein. Insbesondere gilt dies für solche Anwendungen, die für die Kommunikation und den Informationsaustausch zwischen Lehrern und Schülern eingesetzt werden. Welche Anforderungen solche didaktischen Netze zu erfüllen haben, hat das Institut für Bildung und Medien der Gesellschaft für Pädagogik und Information bereits im Jahr 2001 zusammengefasst. Demnach sollten nützliche Netze, die einem ganzheitlichen Ansatz folgend Hardware, Netze, Software, Administration und Wartung in den Schulen einbeziehen, leicht bedienbar sein, sich flexibel an unterschiedliche schulische Anforderungen anpassen können, betriebssicher sowie wartungsarm sein.
Die Instandhaltung und Instandsetzung von Hardware, die Installation von Systemen und Software sowie die Netzwerkadministration zählen nicht zu den Aufgaben der Lehrkräfte. Auch in einer Bekanntmachung des Bundesbildungsministeriums heißt es, Arbeiten zur Organisation und Administration von IT sollten aus Schulen ferngehalten werden. Dennoch sind nach Angaben von Josef Seitner, Geschäftsführer des Schul-IT-Anbieters MTS Reinhardt, bundesweit mindestens 1.900 Lehrer wöchentlich ausschließlich für die Systemadministration zuständig. Weil die Lehrkräfte für die Wartung der schuleigenen Systeme vom Unterricht freigestellt würden, gingen jährlich insgesamt fast zwei Millionen Unterrichtsstunden verloren.
Um den Aufwand für den Support der IT-Infrastruktur gering zu halten, können Schulen zum Beispiel in eine wartungsarme pädagogische Benutzeroberfläche investieren. Eine weitere Möglichkeit ist die Anschaffung von Thin Clients. Diese haben keine eigene Festplatte und fungieren als reine Bildschirmarbeitsplätze für Software-Applikationen und Daten. Vorteil einer solchen Thin-Computing-Infrastruktur: Alle Anwendungen und Daten werden nur an einer Stelle, nämlich dem zentralen Server, installiert und administriert, womit sich der Aufwand erheblich reduzieren lässt.
Erfolgsbeispiel Offenbach
Die Schulträger von der Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes und nachhaltiger Investitionen zu überzeugen, ist laut Josef Seitner immer noch schwierig. Es herrsche nach wie vor eine Hardware-Fokussierung vor. Investitionen in IT-Services und Netzwerk-Management-Software als standardisierte Fachverfahren würden bei Ausschreibungen weitgehend unberücksichtigt bleiben. Ein Problem ist auch, dass Schulen und Schulträger häufig zu wenig voneinander wissen, um ganzheitlich lösungsorientiert zu handeln. Die Schulträger sind oft nicht bereit, Mittel für eine spezielle und somit teurere Netzwerk-Management-Software bereitzustellen, da ihnen der Einblick in die unterrichtsbetrieblichen Abläufe fehlt.
Dabei zeigt das Beispiel des Landkreises Offenbach, wie ein ganzheitlicher Ansatz im Bereich Schul-IT zum Erfolg führen kann. Der Kreis Offenbach will zum führenden Schulstandort in Hessen werden. Gelingen soll dies unter anderem, indem ein Großteil der Schulen in Stadt und Kreis mit einheitlicher IT und Lern-Software ausgestattet und vernetzt wird. Nach Angaben von Matthias Demeter, Leiter des IT-Kompetenzzentrums des Staatlichen Schulamtes und des Kreises Offenbach, konnten durch den Einsatz der pädagogischen Netzwerk-Management-Lösung MTS EDUCATOR der Firma MTS Reinhardt und die Generalunternehmerschaft von Hewlett-Packard gleich mehrere Vorteile erzielt werden: planbare Kosten, eine homogene Gesamtstruktur und zielgerechte Realisierung sowie die Entwicklung neuer Lösungen.
Wie der Kreis Offenbach verfolgen mittlerweile auch andere Akteure den Ansatz einer Standardisierung von IT an Schulen, da dies ein einfaches und sicheres Lernen mit digitalen Medien erleichtert. Dabei sind IT-Strategien zu entwickeln, die über die reine Ausstattungsplanung und -konsolidierung hinausgehen und beispielsweise Standards für Schul-Server, Lern-Management-Systeme oder pädagogische Oberflächen zur Steuerung der IT-Systeme im Unterricht festlegen. Um die Professionalisierung und Standardisierung der IT-Ausstattung an Schulen weiter voranzutreiben, hat die gemeinnützige TIME for kids Foundation im Februar dieses Jahres das auf zunächst fünf Jahre angelegte Pilotschulen-Programm Digital Lernen gestartet.
Geplanter IT-Ausbau
Damit Schulträger die Verfügbarkeit einer professionellen IT-Ausstattung gewährleisten und diese dauerhaft wirtschaftlich betreiben können, sind aber auch langfristige Planungen und die Etablierung fester Budgets im Haushalt notwendig. Mithilfe eines Medienentwicklungsplanes (MEP) konnte beispielsweise die nordrhein-westfälische Stadt Hennef den unstrukturierten IT-Ausbau und -Betrieb an den zwölf städtischen Schulen beenden. Die Ziele des bis 2010 geltenden MEP konnte die Kommune bereits in diesem Jahr verwirklichen – und das mit geringerem finanziellen Aufwand und einem besseren Ergebnis als ursprünglich geplant. Kernelemente des Medienentwicklungsplans 2005 bis 2010 waren eine schulformspezifische IT-Ausstattungsplanung, eine Investitions- und Betriebskostenplanung, ein Vernetzungs- und Support-Konzept sowie die Beschreibung der notwendigen Controlling-Prozesse. Laut Wolfgang Rossenbach, IT-Leiter der Stadt Hennef, zeigt sich die erfolgreiche Umsetzung des MEP unter anderem am heutigen PC-Bestand in den Schulen. Während die Quote der Altgeräte 2005 bei 59 Prozent lag, seien dies jetzt nur noch 8 Prozent. Anfang 2010 soll die Quote nach Aussage von Rossenbach bei liegen. Mussten sich 2005 noch durchschnittlich 15 Schüler einen Rechner teilen, sollen es 2010 nur noch 8 sein. Die Hennefer Schulen lägen damit über dem bundesdeutschen Schnitt von 11 Schülern pro Rechner.
Fördermittel für die Bildung
Eine Chance, im internationalen Vergleich im Bereich Schul-IT aufzuholen, bietet möglicherweise das Konjunkturpaket II der Bundesregierung: Darin sind 7,5 Milliarden Euro für Schulen und Hochschulen vorgesehen. Laut Bundesbildungsministerin Annette Schavan hat der Bund damit den Anstoß gegeben zur größten Bildungsoffensive, die es je gab. Mit den Mitteln soll auch die technische Ausstattung der Bildungsstätten modernisiert werden. So nutzt beispielsweise Rheinland-Pfalz zehn Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II, um im Rahmen seines 10-Punkte-Programms „Medienkompetenz macht Schule“ die Medienausstattung von Schulen zu verbessern. Insgesamt 330 weiterführende Schulen unterstützt die Landesregierung gezielt bei der Medienerziehung, in das Programm aufgenommene Schulen erhalten jeweils einen Laptop-Wagen, elektronische Wandtafeln und weitere Hardware sowie Bildungssoftware und gegebenenfalls ein pädagogisches Standardnetzwerk.
In Schleswig-Holstein stehen im Rahmen des Konjunkturpakets II in den Jahren 2009/2010 insgesamt 146,7 Millionen Euro Bundesmittel für Bildungsinvestitionen zur Verfügung. Zu Beginn des neuen Schuljahres hat das Land außerdem ein innovatives E-Learning-Projekt gestartet: Der Englischunterricht wird für neun Schülerinnen und Schüler der im Wattenmeer gelegenen Halligen Hooge, Langeneß, Oland, Gröde und Nordstrandischmoor zusätzlich drei Stunden pro Woche live per Internet stattfinden.
Wenn die Integration digitaler Medien in den unterrichtlichen Alltag langfristig gelingen soll, müssen die Mittel der aktuellen Bildungsoffensive mit nachhaltiger Wirkung und nach einem umfassenden Konzept eingesetzt werden, das über die reine Hardware-Erneuerung hinausgeht.
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