REPORTLücken in der Datenautobahn
In Deutschland droht eine weitere Kluft zwischen Stadt und Land. Viele Dörfer verlieren den Zugang zur wichtigsten Infrastruktur des 21. Jahrhunderts: Sie haben keinen Anschluss an die Datenautobahn. Nach Angaben des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) liegt Deutschland bei schnellen Breitband-Zugängen nur knapp über europäischem Schnitt: Zwar verfügten 75 Prozent aller deutschen Haushalte Anfang 2009 über einen Web-Zugang (Rang 5 im EU-Vergleich), jedoch konnten nur 55 Prozent schnelles Internet nutzen (Rang 9 in der EU). Um Bürger und Unternehmen insbesondere in ländlichen Regionen mit preiswerten und schnellen Internet-Zugängen zu versorgen, hat die Bundesregierung eine Breitband-Strategie verabschiedet. Deren Ziele beschreibt Bernd Pfaffenbach, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, in einem Beitrag für die Juni-Ausgabe der Zeitschrift Kommune21. In einem ersten Schritt soll dafür gesorgt werden, dass bis Ende 2010 Breitband-Anschlüsse mit einer Datenübertragungsrate von mindestens einem Megabit pro Sekunde flächendeckend für alle Haushalte und Unternehmen in Deutschland verfügbar sind. Die Bundesregierung plane jedoch schon den nächsten Schritt: Bis 2014 sollen bereits für 75 Prozent der Haushalte Anschlüsse mit Übertragungsraten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung stehen, mit dem Ziel, solche hochleistungsfähigen Breitband-Anschlüsse möglichst bald flächendeckend verfügbar zu haben.
Bund setzt auf Eigeninitiative
Laut Pfaffenbach sind die Kommunen wichtige und unverzichtbare Partner bei der Umsetzung der Breitband-Strategie. Allerdings setzt die Bundesregierung stark auf die Eigeninitiative aller Beteiligten. Direkte finanzielle Förderung bietet der Bund nur jenen Gemeinden, in denen der Aufbau einer Breitband-Infrastruktur nicht wirtschaftlich ist. Hierfür stünden Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) zur Verfügung. In einigen Bundesländern können Städte und Gemeinden darüber hinaus auch den Anschluss von Gewerbegebieten mit Mitteln aus der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) fördern. Für den Aufbau von Breitband-Netzen können Gemeinden auch Mittel aus dem zweiten Konjunkturpaket verwenden. Einige Länder haben gezielt vorab Mittel für Breitband reserviert, in anderen können die Kommunen selbst einen Teil der ihnen zustehenden Mittel dafür einsetzen.
Bundesländer mit eigenen Strategien
Auch einzelne Bundesländer haben eine Breitband-Strategie entwickelt. Das Land Baden-Württemberg beispielsweise fördert die Verbreitung schneller Internet-Zugänge mit 20 Millionen Euro. Hinzu kommen etwa 3 Millionen Euro aus Bundesmitteln sowie 30 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II des Bundes. Peter Hauk, Minister für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg, bezifferte im Kommune21-Interview (Ausgabe 6/2009) die Kosten für einen flächendeckenden Breitband-Ausbau des ländlichen Raums Baden-Württembergs auf mehrere Milliarden Euro. Ein Großteil der Breitband-Erschließung des ländlichen Raums müsse also durch die Wirtschaft erfolgen. Im Ländle sollen insbesondere Modellprojekte unterstützt werden, die sich durch ihren innovativen oder modellhaften Charakter zur Versorgung ländlich geprägter Orte mit Breitband-Infrastruktur sowie durch ihre Anpassungsfähigkeit in neue Entwicklungen auszeichnen, sagte Hauk. Gefördert werde auch die Schaffung von Breitband-Trassen mit dem Ziel einer direkten Glasfaserversorgung der Gemeinden und ihrer Gemeindeteile. Förderungswürdig seien zudem Zuwendungen der Gemeinden, die diese an Netzbetreiber zur Schließung der Wirtschaftlichkeitslücke bei Investitionen in leitungsgebundene oder leitungsungebundene Breitband-Infrastrukturen geben. Um Fördermittel zu erhalten, müssten die Gemeinden im Wesentlichen drei Grundsätze beachten, sagte Minister Hauk im Kommune21-Interview: Transparenz sowie Anbieter- und Technologieneutralität. Dies bedeute, dass kein Anbieter von Breitband-Dienstleistungen diskriminiert werden und keine Technik der Breitband-Erschließung von vornherein abgelehnt werden dürfe.
Bereits Ende 2008 hat das Land Brandenburg eine neue Richtlinie zur Förderung der Breitband-Versorgung im ländlichen Raum in Kraft gesetzt. Ziel ist es, den Bedarf an schnellem Internet in bisher unterversorgten ländlichen Gebieten zu decken. In zunächst 14 Projekten sollen rund 3.000 private Haushalte und 1.300 gewerbliche Nutzer mit modernen Breitband-Anschlüssen versorgt werden. Schleswig-Holstein strebt bis Ende 2010 eine möglichst flächendeckende Breitband-Versorgung an. Die Landesregierung hat die Entwicklung eines Masterplans Breitband in Auftrag gegeben. Dieser wird von dem Beratungsunternehmen ITCcon erstellt und soll bis Sommer 2009 vorliegen. Auch Sachsen-Anhalt hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis Ende 2010 soll allen Unternehmen und Haushalten ein schneller Internet-Zugang mit mindestens einem Megabit pro Sekunde zur Verfügung stehen. Nach Angaben der Staatskanzlei des Bundeslandes sollen Mittel aus dem Konjunkturpaket II für einen massiven Ausbau der Breitband-Versorgung genutzt werden.
Voraussetzungen für Fördermittel
In allen Bundesländern hängt die Bewilligung eines Förderantrags maßgeblich von dem Nachweis einer Breitband-Versorgungslücke ab. Die Gemeinde muss also nachweisen, dass die Breitband-Versorgung im Ort unter dem Mindeststandard liegt. Der Breitband-Bedarf sollte durch die direkte Befragung der Bürger und der ortsansässigen Unternehmen ermittelt werden. Schließlich muss die Gemeinde nachweisen, dass kein Telekommunikationsanbieter bereit ist, ohne Förderung den Ort mit einer Breitband-Infrastruktur zu erschließen. Dafür ist eine förmliche Ausschreibung oder ein unförmliches Interessenbekundungsverfahren erforderlich. Da sämtliche relevanten Fördermittel aus dem Konjunkturprogramm bis Ende 2009 beantragt werden müssen, raten Experten den Kommunen, keine Zeit mehr zu verlieren.
Dörfer mit Anschluss an Datenautobahn
Viele Gemeinden sind bereits aktiv geworden und haben eine Breitband-Infrastruktur aufgebaut. Dass auch Gemeinden in ungünstiger geografischer Lage mit schnellen Internet-Zugängen versorgt werden können, zeigt das Beispiel der Gemeinde Lautertal (Vogelsberg). Per Richtfunk ist die hessische Kommune inzwischen angebunden. Auch das niedersächsische Dorf Helmste (Samtgemeinde Fredenbeck) hat inzwischen Anschluss an die Datenautobahn erhalten. Im Rahmen des Projektes „Praxisnahe Lösungen zur Schließung von Breitband-Versorgungslücken“ wurde klar: Das Dorf kann ohne Investitionen der Gemeinde mit schnellen Internet-Zugängen versorgt werden. Möglich wurde dies durch eine Kooperation zwischen dem regionalen Telekommunikationsanbieter EWE TEL und der Deutschen Telekom. In der brandenburgischen Stadt Wittstock/Dosse wird derzeit die Nutzung von Rundfunkfrequenzen für breitbandiges Internet getestet. In dem gemeinsamen Pilotprojekt wollen die Telekom-Tochter T-Mobile und die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) die technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für einen Regelbetrieb im Rundfunkspektrum klären. Ein ähnliches Vorhaben läuft seit Mai in den baden-württembergischen Gemeinden Bopfingen und Unterschneidheim (Ostalbkreis). Das Modellprojekt der Landesanstalt für Kommunikation (LFK) und von Vodafone Deutschland soll Erkenntnisse darüber liefern, welches Potenzial die Funktechnik im hügeligen Südwesten Deutschlands hat, wie sie von den Bürgern genutzt wird und ob es Auswirkungen auf den digitalen Fernsehempfang über DVB-T und DVB-C gibt.
Metropolen setzen auf Glasfaser
Während es auf dem flachen Land darum geht, überhaupt schnelle Internet-Zugänge zur Verfügung zu stellen, lautet das Schlagwort in Großstädten: High Speed Internet. Dazu werden in den Metropolen Glasfasernetze gelegt, die Übertragungsraten von bis zu 100 Megabit pro Sekunde erlauben. In München hat das Unternehmen Alcatel-Lucent Anfang März einen Rahmenvertrag in zweistelliger Millionenhöhe mit dem regionalen Netzbetreiber M-net geschlossen, welcher die Installation der Technik für ein großflächiges Glasfasernetz der bayerischen Landeshauptstadt vorsieht. M-net und Deutsche Telekom wollen die Stadt Augsburg mit einer Glasfaserinfrastruktur versorgen. In der Ruhr-Metropole Essen sollen bis 2015 etwa 70 Prozent der Bevölkerung Anschluss an ein Glasfasernetz erhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (EVV) Anfang Mai mit dem privaten Partner conlinet das Unternehmen essen.net gegründet.
Spitzenverband fordert Breitband-Offensive
Dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) geht der Ausbau der Breitband-Infrastruktur offenbar nicht schnell genug. Der kommunale Spitzenverband fordert eine Breitband-Offensive und hat Anfang Mai ein Rechtsgutachten zum Breitband-Ausbau in Deutschland veröffentlicht. Darin wird eine Änderung des Regulierungsrahmens gefordert. Die geltenden Regelungen behindern nach Auffassung des DStGB den schnellen Ausbau von Breitband-Anschlüssen. In dem Gutachten werden unter anderem Änderungen des Wettbewerbsrechts vorgeschlagen, um projektbezogene Kooperationen von Unternehmen bei der Erstellung der Infrastruktur zu ermöglichen. Darüber hinaus werden Anpassungen des Telekommunikationsgesetzes gefordert. Notwendig sei beispielsweise die Regelung von Risikoverteilungsverträgen, in welchen bereits vor der Fertigstellung der neuen Breitband-Infrastruktur die Zugangsentgelte zwischen dem Investor und seinen Vertragspartnern festgelegt werden können. Nach Angaben des DStGB werden bei Umsetzung der Vorschläge auch die Möglichkeiten der Städte und Gemeinden verbessert, sich an Kooperationsverträgen zu beteiligen oder durch Eigenleistungen, wie etwa Tiefbauarbeiten, zu engagieren.
Digitale Dividende beschlossen
Trotz der Erkenntnis, dass schnelle Internet-Zugänge für Bürger und Unternehmen ebenso notwendig sind wie die Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, zögerte die Politik zunächst. Der Bundesrat vertagte Anfang Mai die Abstimmung über den Regierungsbeschluss zur so genannten Digitalen Dividende. Darunter versteht man die im Zuge der Digitalisierung des terrestrischen Rundfunks frei werdenden Radiofrequenzen, über die auch Internet empfangen werden kann. Uneins war sich die Länderkammer darüber, wie die Erlöse aus der Versteigerung der Frequenzen genutzt werden sollen. Am 12. Juni machte die Länderkammer jedoch den Weg frei und stimmte der so genannten Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung zu. Die Verordnung ermöglicht es der Bundesnetzagentur, frei werdende Sendefrequenzen des Rundfunks zu versteigern. In einer begleitenden Entschließung des Bundesrats heißt es, die Länder erwarteten, dass der Bund den Kultur- und Bildungseinrichtungen beziehungsweise den sie tragenden Kommunen oder Ländern ihre Umstellungskosten erstattet. Auch der Erlös aus der geplanten Versteigerung von Frequenzen soll zur Deckung von Umstellungskosten eingesetzt werden.
Der Branchenverband BITKOM zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung der Länderkammer. BITKOM-Präsident August-Wilhelm Scheer forderte, die Frequenzen sollten bundesweit ausgeschrieben werden. Gleichzeitig müsse auch eine Versorgung urbaner Regionen mit der neuen Technik möglich sein. Der Verband erwartet, dass die Anzahl der Breitband-Anschlüsse in Deutschland im Jahr 2009 um 13 Prozent auf 26 Millionen steigt. Am Ende des Jahres verfügen dann zwei von drei Haushalten über einen schnellen Zugang zum Internet.
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