Freitag, 15. November 2024

Chief Digital OfficerMädchen für alles

[09.04.2024] Immer mehr Kommunen richten die Stelle eines Chief Digital Officer (CDO) ein, um für die digitale Transformation gerüstet zu sein und sie voranzutreiben. Angesiedelt zwischen Leitungs- und Umsetzungsebene, verlangt der Posten unterschiedliche Geschicke.
CDOs sind oft mit einer Fülle an Aufgaben konfrontiert.

CDOs sind oft mit einer Fülle an Aufgaben konfrontiert.

(Bildquelle: Ibad/stock.adobe.com)

Kommunen befinden sich, was die Digitalisierung anbelangt, zwischen Wollen und Müssen, intrinsischer Motivation und großen Anforderungen von außen. Einerseits wollen sie die im gesellschaftlichen Alltag verbreitete Nutzung digitaler Dienste auch ihren Bürgerinnen und Bürgern bei Verwaltungsservices ermöglichen. Andererseits werden sie von äußeren Faktoren wie Demografie, Fachkräftemangel und der Gesetzeslage zur Digitalisierung angehalten. Infolgedessen entwickeln immer mehr Kommunen eigene Digitalisierungsstrategien und schaffen finanzielle und personelle Ressourcen für deren Umsetzung. An zentraler Stelle rangiert der Chief Digital Officer (CDO), der oder die für die digitalen Belange einer Kommune zuständig ist. Ebenso gebräuchlich sind die Bezeichnungen Digitalisierungsbeauftragter, Leiter der Stabsstelle Digitalisierung, Organisationsentwickler, Smart City Manager oder Dezernent für Digitalisierung.

Kommunale Herausforderungen digital meistern

Ein gutes Drittel aller deutschen Kommunen hat bereits eine eigene Stelle für Digitalisierungsangelegenheiten eingerichtet. Das ergab die repräsentative Studie „Kommunale Herausforderungen digital meistern“, die 2022 im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt wurde. Oft sind das Stabsstellen direkt beim Bürgermeisteramt oder Leitungsstellen in einer Fachabteilung. CDOs fungieren als Initiatoren von Digitalprojekten und sind treibende Kraft bei der Strategie und Umsetzung. Einerseits vermitteln sie zwischen den Verwaltungseinheiten und fungieren andererseits als Schnittstellen zu Eigenbetrieben und weiteren kommunalen Unternehmen. Obendrein sind CDOs Ansprechpartner für lokale Akteure und Bürgerinnen und Bürger.
Die dauerhafte Einrichtung einer solchen Position ist mit entsprechenden Personal- und Projektkosten verbunden. Eine Kommune, die sich einen CDO leistet, meint es mit der Digitalisierung ernst. So erklärt sich auch, dass von den Kommunen, die keinen Digitalisierungsbeauftragten haben, nur 14 Prozent dies in naher Zukunft planen. Besonders kleinen Kommunen fehlen dafür die Mittel und Ressourcen.

Katalysator für den digitalen Wandel

Ein CDO kümmert sich um alle digitalen Themen, treibt die Transformation in der Organisation praktisch voran und ist fachlich auf dem neuesten Stand der Technik. CDOs müssen ein weites Feld überblicken. Der digitale Wandel betrifft nicht nur Verwaltungsverfahren und Bürgerdienste, sondern auch Themen wie Breitbandausbau, Katastrophenschutz, Datenplattformen, Cyber-Sicherheit, Energieerzeugung und -versorgung, Gesundheit und Umweltschutz. Je nach Zuschnitt ist das Aufgabengebiet eines CDO sehr umfänglich. „CDOs dienen als Katalysatoren für den digitalen Wandel, vor allem in zwei Funktionen, und das sind Koordination und Beschleunigung bei der Umsetzung von Projekten“, sagt Jakob Kühler, der an der Universität Potsdam das europäische Forschungsprojekt DIGILOG zur digitalen Transformation der Verwaltung mit Fokus auf Kommunen betreut.

Projekt-Manager mit Fachkompetenz

Angesiedelt zwischen Leitungs- und Umsetzungsebene ist ein CDO an erster Stelle ein digitaler Projekt-Manager. Ein CDO treibt strategische Digitalisierungsprojekte voran und organisiert die Umsetzung. Das beginnt oft mit einer Bestandsaufnahme dessen, was in einer Kommune vorhanden ist: Welche Software, Fachverfahren und digitalen Tools gibt es bereits, welche sollen angeschafft werden? Im nächsten Schritt erfolgt die Konzeption von Digitalprojekten gemäß einer Digitalisierungsstrategie. Dazu gehört oft auch die Beantragung von Fördergeldern und das Know-how über bereits im kommunalen Raum verfügbare Lösungen. Dann erfolgt die Koordination der Umsetzung, von der Beschaffung über die Implementierung bis zur Mitarbeiterqualifizierung. Gute Kommunikation in beide Richtungen ist gefragt: hin zur Steuerungs- und Leitungsebene und auf Augenhöhe mit den Praktikern. „Ein guter CDO versteht, wie seine Organisation tickt, und ist in der Lage, Alliierte zu finden. Zudem muss er über strategische Fähigkeiten verfügen und entscheiden können, was die Kommune braucht und was sie sich leisten kann und will“, erläutert Jakob Kühler.

Kommunikationsgeschick ist gefragt

Für Kühler ist ein CDO neben der Koordination und Steuerung von Digitalprojekten ebenso mit der Strategieentwicklung im Einklang mit der Gesetzeslage befasst. Nicht von ungefähr steht der anhaltende Trend zum kommunalen CDO in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Onlinezugangsgesetz, das auf Kommunen großen Druck ausübt. Ressourcenbeschaffung und Wissensmanagement gehören ebenso zum Alltag eines CDO. Darüber hinaus fallen ihm weitere kommunikative Aufgaben zu. Er muss Netzwerke schaffen und betreuen, immer wieder den Nutzen und Mehrwert bestimmter Technologien erklären und herausstellen. Und er ist für „lokales Storytelling“ zuständig, das heißt, er muss seine Digitalstrategie in eine gute Geschichte verpacken, in der sich die Kommune wiederfindet.

CDO ist auf Rückendeckung angewiesen

„Die Erwartung ist oft, dass diese Person alles kann“, fasst Jakob Kühler die geforderte Allzuständigkeit eines CDO zusammen. Das kann zu Konflikten und Überforderung führen. Dann wird aus dem digitalen Treiber ein Getriebener, der sich in den vielen angeschobenen Projekten verzettelt. Gelegentlich kommt es auch zu Akzeptanz- und Zuständigkeitskonflikten, wenn etwa Unklarheiten bei der Budgetverantwortung existieren oder wenn Alt-Dienstleister, die sich übergangen fühlen, ihren Einfluss geltend machen. Im schlimmsten Fall, wenn Projekte schiefgehen, verstecken sich sogar Bürgermeister und Verantwortliche hinter dem CDO und wälzen die Verantwortung ab. Insofern ist es von großer Bedeutung, dass ein CDO guten Rückhalt von den kommunalen Entscheidern erfährt. „Ein CDO sollte nicht den ganzen Tag damit beschäftigt sein, Überzeugungsarbeit zu leisten. Er braucht die Unterstützung von Verwaltungsleitung und Politik“, sagt Jakob Kühler.

Wer CDO werden kann

Aber wie wird man eigentlich CDO? Verwaltungen besetzen die Position häufig intern mit Leuten, die sich eine Reputation durch erfolgreich umgesetzte Projekte und erwiesene Fachkenntnisse aufgebaut haben. Dazu gehören auch absolvierte Weiterbildungen im Bereich IT, Projekt-Management, Informationssicherheit, Controlling oder Datenschutz. Auf Stellenangebote bewerben sich zudem Quereinsteiger, die vergleichbare Positionen bereits in anderen öffentlichen Unternehmen oder der Privatwirtschaft bekleidet haben. Inzwischen werden auch spezielle Weiterbildungen, Zertifizierungen und Studiengänge zum CDO angeboten. Beispielsweise gibt es an der Munich Business School einen entsprechenden Zertifikatslehrgang, die Donau Universität Krems bildet zum Master of Science als CDO aus. Und der Digitalverband Bitkom in Berlin bietet einen berufsbegleitenden Online-Zertifikatslehrgang an. Den belegen größtenteils Anwärter aus Wirtschaftsunternehmen, doch auch die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik oder die Städte Frankfurt und Mühlheim am Main haben bereits Mitarbeiter zur Weiterqualifizierung entsendet – bislang übrigens alles Männer.

Helmut Merschmann




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