Databund-ForumMehr Wettbewerb und Kooperation
Fünf Jahre Umsetzungszeit für die gesetzlichen Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Ein Steuerungsgremium, bei dem eine komplette föderale Ebene, die Kommunen, übergangen wird. Ein App-Store, der allein Eigenlösungen des öffentlichen Sektors vorsieht, entwickelt und Vorhandenes teils neu „erfindet“. Und dies alles versehen mit dem euphemistischen Solidar-Slogan „Einer für Alle“ (EfA). Es darf nicht erstaunen, dass das Wort von der Planwirtschaft die Runde macht und nicht überall auf Gefallen stößt. Vor allem die mittelständische IT-Wirtschaft sieht sich ausgebremst und vermisst den Wettbewerb. „Das Geschäft ist immer politischer geworden, aber die Politik hat sich von der gelebten Praxis entfernt“, sagt Stefan Hauber, Geschäftsführer der HSH Soft- und Hardware Vertriebs GmbH, auf dem diesjährigen Forum des Databundes, dessen Vorsitzender er ist.
Nicht ganz im Sinne der OZG-Erfinder
Was ist passiert? Der IT-Mittelstand, welcher seit Jahrzehnten Software-Lösungen für den öffentlichen Sektor entwickelt, fühlt sich seit dem IT-Planungsratsbekenntnis zum EfA-Prinzip übergangen und ist mit der Verteilung der Gelder aus dem Konjunkturpaket nicht einverstanden. Drei Milliarden Euro stehen bekanntlich zur Verfügung (wir berichteten). Allein dieses Jahr fließen 1,4 Milliarden in die eilige OZG-Umsetzung, die Bund und Länder mit dem Kuchenmesser untereinander aufgeteilt haben. Den Wettbewerb um gute Lösungen mittels Ausschreibungen hat man zugunsten einer Inhouse-Vergabekonstruktion liquidiert, so der zentrale Vorwurf, der auf dem Databund-Forum laut wurde. „Jetzt werden Lösungen, die es schon gibt, mit völlig überzogenen Budgets nachgebaut“, sagt Stephan Hauber.
Aus der Perspektive des Bundes und der Bundesregierung sieht das freilich anders aus. Dort gilt das EfA-Prinzip als „Instrument, um schneller voranzukommen“, als „neuer Weg“ und „neues Miteinander“, erklärte Digitalministerin Dorothee Bär, die, anstatt auf dem Databund-Forum zu erscheinen, es vorzog, eine Videobotschaft aus dem Kanzleramt zu entsenden. Auch Bundes-CIO Markus Richters Beitrag war vorab aufgezeichnet worden. Richter stellt klar, dass es besser sei, wenn Änderungen „an einer zentralen Stelle erfolgen und nicht in 11.000 Kommunen“. Neben der flächendeckenden Verfügbarkeit sei allerdings auch die Ende-zu-Ende-Digitalisierung die eigentliche Herausforderung. Von den 315 „fertigen“ Leistungen, die Richter wiederholt ins Feld führte, liegen indes die allermeisten nur in einzelnen Verwaltungen vor, das heißt sie sind noch nicht ausgerollt und weisen zudem lediglich Reifegrad 2 vor: können also nur digital beantragt werden. Etwaige Nachweise müssen dann als PDF hochgeladen oder der Verwaltung zugeschickt werden, die Bearbeitung erfolgt händisch und der Bescheid wird ebenfalls per Post verschickt. Nicht ganz im Sinne der OZG-Erfinder.
Digitalpolitiker skeptisch
Hierin nun einen Durchbruch zu erkennen, fiel auch den Digitalpolitikern schwer, die auf dem Databund-Forum zu einer Podiumsdiskussion zusammenkamen. Anke Domscheit-Berg (Die Linke) sprach sich für eine Veränderung der Ausschreibungsrichtlinien und für eine 20-prozentige Vergabequote an den Mittelstand aus. Noch vor dem OZG müsse eine vernünftige Infrastruktur auch auf dem Lande angeboten werden, damit der Mittelstand an der Digitalisierung teilnehmen kann. Manuel Höferlin (FDP) zeichnete ein skeptisches Bild der IT-Konsolidierung und des IT-Managements: „Alle IT-Projekte verlaufen schleppend.“ Höferlin forderte einen Digitalpakt Verwaltung mit einer „fairen Plattform“, wo öffentliche und privatwirtschaftliche Lösungen angeboten werden sollen. Elvan Korkmaz (SPD) stimmte diesem Gedanken zu und war überzeugt, dass „die kommunalen IT-Dienstleister und der Mittelstand Garanten für die digitale Souveränität“ seien. Auch Anna Christmann (Die Grünen) sprach sich für eine „Kooperationskultur“ aus und forderte mehr Akteure aus der Praxis und mehr Expertise aus der Verwaltung ein.
Den Grund für das verschleppte Vorankommen erkannte Thomas Heilmann (CDU) im Föderalismus. Das dezentrale System in Deutschland sei lange Zeit erfolgreich gewesen, bei der Digitalisierung allerdings hinderlich. Der IT-Planungsrat fasse viel zu langsam Beschlüsse, die dann von den Ländern nicht oder zu unterschiedlich umgesetzt würden. „Es muss eine Institution geben, die die technischen Standards festlegt. Dadurch geht nicht der Föderalismus verloren“, glaubt Heilmann. Damit war die Diskussion für und wider ein Digitalministerium eröffnet, welches Zuständigkeiten bündeln soll, ein eigenes Budget vorweist und in der nächsten Legislatur umfassende Änderungen anstoßen könnte. Während sich alle anwesenden Digitalpolitiker mit dieser Idee anfreunden konnten, schlug Anna Christmann die Einrichtung einer „Technologie-Taskforce aus der Praxis zur professionellen Steuerung von IT-Projekten“ vor.
Bestellsituation etablieren
Beim Ausblick auf die „Kommunale IT nach dem Jahr 2023“ klangen erneut die Dresdner Forderungen an (wir berichteten), die sich für einen neuen Zuschnitt der Zuständigkeiten in der kommunalen IT aussprechen. Ernst Bürger, Abteilungsleiter für Digitale Verwaltung und Steuerung OZG im Bundesinnenministerium, sagte: „Ich würde mir wünschen, dass Kommunen ab 2023 mehr Zeit für ortsnahe Tätigkeiten haben.“ Regelbasierte Prozesse, Automatisierung und Dunkelverarbeitung würden künftig Behörden entlasten, die durch den FIT-Store in eine „Bestellsituation“ gelangen würden und nur die Leistungen beziehen, die sie benötigen – und für die sie dann je nach Nutzung bezahlen müssen.
Marco Brunzel, Leitung Digitalisierung und E-Government in der Metropolregion Rhein-Neckar, skizzierte die Idee einer austarierten Plattform, an der auch die mittelständischen IT-Dienstleister teilhaben, indem sie den Plattformansatz konsequent mittragen und sich danach ausrichten. Dieser Kom-Store müsse in der Oberliga spielen, wozu auch öffentliche Dienstleister auf Landesebene nicht immer gehören würden. Insgesamt setzte sich bei der anschließenden Diskussion der Gedanke durch, dass Wettbewerb in der Regel zu besseren Lösungen führe und die zusätzlich notwendige Konsolidierung nicht allein marktgetrieben vonstatten gehen dürfe. Insbesondere eine kontrollierte Standardisierung, möglicherweise von einem neuen Normungsinstitut durchgesetzt, steht ganz oben auf der Agenda. Auf diesen gemeinsamen Nenner können sich alle Beteiligten immerhin einigen.
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