Donnerstag, 26. Dezember 2024

Dokumenten ManagementMit Erfolg zur E-Akte

[06.05.2021] Damit komplexe Digitalisierungsprojekte wie die Umstellung auf die elektronische Aktenführung zum Erfolg werden, sollten Kommunalverwaltungen eigens dafür geschultes Personal bereitstellen. Nebenbei lassen sich solche Vorhaben nicht stemmen.
Bei der E-Akteneinführung strategisch vorgehen.

Bei der E-Akteneinführung strategisch vorgehen.

(Bildquelle: koya979/stock.adobe.com)

Enthusiastische Töne kamen Ende 2020 aus der Berliner Verwaltung: „I©k bin DA!“ Soll heißen: Die E-Akte wird jetzt in allen Berliner Behörden eingeführt, unter Beteiligung zahlreicher Projektpartner wie etwa der Unternehmen Ceyoniq Technology, Computacenter, Infora und Materna. Aus anderen Bundesländern hört man ähnlich Erbauliches: So treibt die Stadt Leipzig den verwaltungsweiten Ausbau des digitalen Dokumenten-Managements mit der Software von Anbieter Optimal Systems voran. Und die Stadt Osnabrück setzt im Rahmen ihrer E-Government-Strategie auf E-Akten und Enterprise Content Management (ECM) der Firmen codia Software und d.velop. Damit katapultierte sie sich auf Platz 8 des Smart City Index 2020. Das Digital-Ranking der deutschen Großstädte wird jährlich vom Branchenverband Bitkom vorgenommen. In der Unterkategorie Verwaltung landete Osnabrück sogar auf Platz 2.
Es sind Leuchtturmprojekte, die darüber hinwegtäuschen, dass deutsche Kommunen bei der E-Akte hinterherhinken. Das wundert nicht, wenn sogar das Bundeskanzleramt seiner Pflicht zur elektronischen Aktenführung nicht nachkommt (so berichtete es im September 2020 unter anderem die Augsburger Allgemeine). Bundesregierung und Bundesbehörden verstoßen demnach gegen das E-Government-Gesetz, das ihnen seit Januar 2020 das Führen elektronischer Akten auferlegt. Berufen sie sich womöglich auf Paragraf sechs, der von der E-Akten-Pflicht befreit, wenn dies unwirtschaftlich ist?

Erfolgreich digitalisiert

Die in Berlin, Leipzig oder Osnabrück involvierten Software-Hersteller teilen sich einen beträchtlichen Teil des ECM-Kuchens im kommunalen Sektor untereinander auf. Weitere Hersteller sind Docuware, Lorenz Orga oder PDV. Letzterer hat vor Kurzem zwei bekannte Hersteller übernommen – CC e-gov aus Hamburg und comundus regisafe aus Waiblingen – und will dadurch insbesondere im kommunalen Umfeld weiter wachsen.
Große Kommunen scheinen zudem die Vorreiter bei der Digitalisierung und somit auch bei der E-Akten­führung zu sein; kleinere Verwaltungen unter 30.000 Einwohnern haben oftmals Nachholbedarf. So herrschen große Unterschiede. „Wo viele noch in Papierakten versinken, kümmern sich andere Verwaltungen schon um einen intelligenten Post­eingang“, formuliert es Harro Mrosowsky, Bereichsleiter Vertrieb bei Optimal Systems.
Aus welchen Gründen ein E-Akten-Projekt scheitert und warum nicht, dazu haben die ECM-Anbieter eine klare Meinung: Strategisch und entschlossen müsse eine Kommune das Thema Digitalisierung angehen, raten sie einstimmig. Dazu gehört es, interne Ressourcen bereitzustellen, am besten neue Fachkräfte, die sich ausschließlich auf dieses Thema fokussieren. „Neue Stellen sind politisch aber oft ein heißes Thema“, weiß codia-Geschäftsführer Philipp Perplies. Die Städte Osnabrück und Wuppertal, der Kreis Borken sowie andere codia-Kunden haben genau dies schon vor Jahren getan. Sie haben ein Digitalisierungsteam oder eigene E-Government-Beauftragte abgestellt und diese im Bereich ECM/E-Akte geschult. Perplies: „Solche Teams, bestehend aus Digitalisierungsexperten, haben dann auch erfolgreich ihre Verwaltungen digitalisiert.“

Etablierte Standardlösungen

Die ECM-Fachleute raten davon ab, sich zu sehr auf eine Individualisierung von E-Akten je Abteilung zu konzentrieren. Dabei verliere man sich schnell in Details und bremse das Projekt nur aus. Besser seien etablierte Standardlösungen, die vielleicht nur zu 80 Prozent perfekt sind, aber dennoch eine große Verbesserung zum früheren papierbasierten Arbeiten darstellen. Ziel sollte es sein, die E-Akte schnell flächendeckend zur Verfügung zu stellen und sich erst im Anschluss um Individualisierung zu kümmern. Standard heißt hier: Dort, wo keine strukturierte Fallbearbeitung stattfindet, kann man auch mit einer allgemeinen Sachakte für die Schriftgutverwaltung arbeiten. Für Spezialbereiche wie das Wohngeld oder das Steueramt kommen dann individuelle Fallakten zum Einsatz, für die alle Anbieter heute fertige Templates zur Verfügung stellen.
Torge Link, Team-Leiter Public Solutions beim codia-Partnerunternehmen xSuite Group, einem Spezialisten für Eingangsrechnungsverarbeitung, erklärt: „Eine der großen Herausforderungen beim Thema E-Akte ist sicherlich die Dezentralität in den Kommunen und die Vielfalt der E-Akte. Es gibt in einer Kommunalverwaltung sehr viele Fachbereiche mit unterschiedlichen Anforderungen, welche es zu berücksichtigen gilt. Die E-Akte muss stückweise weiterentwickelt werden, anstatt dass man gleich den großen Wurf macht.“

Prozesse in die Wege leiten

Um ein Digitalisierungsprojekt in seiner ganzen Komplexität zu meis­tern, benötigt man zunächst entsprechendes technisches Wissen. ECM ist darüber hinaus aber in weiten Teilen ein organisatorisches Projekt. Was die Aktenführung angeht, gibt es oft veraltete Vorgaben. Hier gilt es, Change-Management-Prozesse in die Wege zu leiten.
Dass die E-Akte zwar als technisches Vorhaben gilt, dabei aber vor allem organisatorische Herausforderungen mit sich bringt, bestätigt Professor Robert Müller-Török von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg auf dem Online-Portal VdZ.org (Verwaltung der Zukunft). Für ihn ist die digitale Akte sogar das wohl „größte Reformprojekt der Verwaltung seit über 200 Jahren“. Dabei ginge es nicht bloß um eine „Elektrifizierung bestehender Abläufe“, sondern um eine fundamentale Neugestaltung von Arbeitsprozessen und Arbeitsweisen. Starke Unterstützung der politischen Spitze sei deshalb gefragt, in der täglichen Umsetzung und über einen sehr langen Zeitraum hinweg.

Nichtakzeptanz der Anwender

Optimal-Systems-Vertriebsleiter Harro Mrosowsky zufolge zählt die fehlende Unterstützung von höherer politischer Ebene zu den größten Hindernissen der Verwaltungsdigitalisierung. „Hier hat sich in den vergangenen Jahren mit Förderprogrammen und der Gesetzgebung im Bereich E-Government zwar viel getan“, konstatiert er, „es mangelt aber weiterhin an der Bereitschaft zur Veränderung.“ Hinzu kämen fehlende finanzielle Mittel und knappe personelle Ressourcen.
Das Forum Agile Verwaltung befragte Ende vergangenen Jahres 60 Kommunalvertreter aus Süddeutschland zu ihrem Zufriedenheitsgrad mit Dokumenten-Management-­Systemen. Es ist keine repräsentative Umfrage, aber als Schlaglicht dürfte das Ergebnis die ECM-Hersteller dennoch aufhorchen lassen. So ist bei denjenigen, die aktiv mit einer ECM-Software arbeiten, diese bei Weitem nicht das System, das – so wie zuvor Windows – als führende Anwendung den Arbeitsalltag formt. Und ein Drittel der Befragten hält die Arbeit damit für umständlicher als unter Windows. Wolf Steinbrecher vom Forum Agile Verwaltung sagt: „Unsere Befragung untermauert eine Behauptung des Bundesverwaltungsamts: Wenn ECM-Projekte scheitern, dann vor allem an der Nichtakzeptanz der Anwenderinnen und Anwender.“

Frank Zscheile ist IT-Journalist aus München.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Dokumenten-Management
Vektorgrafik eines digitalen Ordners, der aus einem Tablet herausragt, davor eine Lupe, hinter dem Tablet ein Dokument.
bericht

Amt Dänischenhagen: Gut beraten zur E-Akte

[19.12.2024] Bei der Einführung der E-Akte setzte das Amt Dänischenhagen auf externe Unterstützung. Die fachliche Expertise steuerte das Unternehmen Prosoz bei. mehr...

Mehrere Stapel Dokumente liegen in Reih und Glied auf einem festplattenartigen, großflächigen Untergrund.
bericht

E-Akte: Besser in der Cloud

[12.12.2024] Durch die Migration in die Cloud wird die Arbeit mit E-Akten flexibel, skalierbar und zukunftssicher. Komplettiert wird die Verwaltungsdigitalisierung, wenn das Dokumentenmanagementsystem auch behördenübergreifende Geschäftsgänge digital abbilden kann. mehr...

d.velop: Beteiligung an optiGov

[17.10.2024] Mit der Beteiligung an der Firma optiGov kann das Unternehmen d.velop künftig eine ganzheitliche Digitalisierungslösung anbieten – von der Authentifizierung über die interne Abwicklung in den Fachbereichen bis hin zur rechtlich konformen Zustellung von Dokumenten. mehr...

Leichlingen: Umstieg auf die E-Akte

[09.10.2024] Die Einführung der elektronischen Aktenführung sowie die fortschreitende Digitalisierung von Dienstleistungen im Bereich Bürgerservice stehen im Fokus der aktuellen E-Government-Strategie der Blütenstadt Leichlingen. mehr...

3D-Outlines eines Briefumschlages mit @-Zeichen, dargestellt vor einem blauen Hintergrund.

Lecos: E-Mail-Archiv für die Stadt Leipzig

[09.10.2024] Mit der Einführung eines zentralen E-Mail-Archivs unterstützt IT-Dienstleister Lecos die Mitarbeitenden der Stadt Leipzig dabei, ihre Postfächer effizient zu organisieren. E-Mails, die älter als ein Jahr sind, werden automatisch archiviert, um das System zu entlasten. Die Lösung verspricht mehr Sicherheit, und die Mitarbeitenden sparen Zeit. mehr...

bericht

Bremerhaven: Ganz oder gar nicht

[26.09.2024] Das Projekt zur Umsetzung einer vollständig medienbruchfreien elektronischen Rechnungsbearbeitung hat sich in Bremerhaven als Erfolgsgeschichte erwiesen. Mittlerweile wurden alle 87 Organisationseinheiten der Stadt an die E-Rechnung angeschlossen. mehr...

Barsbüttel beschleunigt die digitale Transformation.
bericht

Barsbüttel: Mit System zur E-Akte

[25.09.2024] Wie auch kleine Gemeinden in Rekordzeit die E-Akte einführen können, macht Barsbüttel vor. Eine leistungsstarke, vielseitige Lösung, regelmäßige Schulungen und der Austausch mit anderen Anwendern gehören zum Erfolgsrezept. mehr...

Die E-Akte ist eine der drei strategischen Säulen der Verwaltungsdigitalisierung.
bericht

E-Akte: Mit Plattform vernetzt

[11.09.2024] Der IT-Dienstleister ekom21 hat die E-Akte und die Digitalisierungsplattform civento vernetzt. Ende 2023 wurden bei ersten Kunden civento-Prozesse über die komplette Antragsstrecke hinweg bis hin zur Ablage vollständig digitalisiert. mehr...

Die Langzeitaufbewahrungslösung proNEXT Archive Manager des Herstellers procilon wurde vom BSI nach TR-ESOR 1.3 zertifiziert.

procilon: BSI-Zertifikat für den Archiv-Manager

[09.09.2024] Bei der elektronischen Speicherung von Dokumenten sind Unternehmen und Institutionen an verschiedene gesetzliche Vorgaben gebunden. Die BSI-Richtlinie TR-ESOR will zur Beweiswerterhaltung solcher Dokumente beitragen. Die Lösung proNEXT Archive Manager des Herstellers procilon erhält nun als erste Lösung das BSI-Zertifikat in der aktuellen Version 3.1. mehr...

Bremen: Posteingang wird digital erfasst

[03.09.2024] Mit der Einführung einer Software für das Falleingangsmanagement will das Bremer Amt für Soziale Dienste sicherstellen, dass eingehende Anträge künftig zentral erfasst werden. Bei einer Überprüfung waren zuvor mehrere hundert Schriftstücke im Datenmüll gefunden worden, die noch nicht hätten entsorgt werden dürfen. mehr...

Bei der Hamburger Verwaltung eingehende Papierpost wird künftig digitalisiert.

Hamburg: Papierpost wird digital

[27.08.2024] Hamburg führt eine elektronische Posteingangsbearbeitung ein. Diese sorgt dafür, dass eingehende Papierpost vollständig digitalisiert und automatisch vorsortiert wird, rasch an die richtigen Stellen kommt und dort zügig bearbeitet werden kann. Das Verfahren ergänzt die bereits etablierte E-Akte. mehr...

Im Odenwald gehen vier Kommunen die Herausforderungen der Digitalisierung gemeinsam an.

Hessen: Interkommunale Zusammenarbeit im Odenwald

[25.07.2024] Die vier Kommunen Erbach, Michelstadt, Oberzent und Brombachtal gehen den Weg von einem papierbasierten Verwaltungsmodell hin zu einer digital agierenden Verwaltungsorganisation gemeinsam. Die Zusammenarbeit bewährt sich – und wird vom Land Hessen gefördert. mehr...

Akten der Stuttgarter Ausländerbehörde werden digitalisiert.

Stuttgart: Ausländerbehörde stellt auf E‐Akte um

[16.07.2024] Die Ausländerbehörde in Stuttgart will ihre Akten künftig elektronisch führen. Der Gemeinderat hat nun die Mittel zur Finanzierung des Projekts beschlossen. Rund 1,6 Millionen Euro werden für die Digitalisierung der Akten veranschlagt. mehr...

Lorenz Orga/ekom21: Wirksames Akten-Management

[20.06.2024] Die Unternehmen Lorenz Orga-Systeme und ekom21 haben ihr Produktportfolio vernetzt: Die elektronische Akte von Lorenz Orga-Systeme wurde Teil von civento, der Digitalisierungsplattform der hessischen Kommunen. Damit wird ein wirksames Akten-Management möglich. mehr...

regisafe: Umfassendes Update

[08.05.2024] Ein Update seiner Dokumenten-Management-Lösung hat der Software-Hersteller comundus regisafe herausgebracht. Wichtigste Neuerungen sind die Cloud-Lösung, die Möglichkeit zur steuerlichen Prüfung nach §2b UStG und erweiterte Funktionen für die digitale Signatur. mehr...