InterviewMünchen Digital Erleben
Herr Bönig, im Juli hat der IT-Ausschuss des Münchner Stadtrats die Umsetzung einer stadtweiten Digitalisierungsstrategie beschlossen. Ein Kernbereich ist dabei die Stadtverwaltung, die zu einem modernen Dienstleister weiterentwickelt werden soll. Welche konkreten Maßnahmen sollen diesen Transformationsprozess unterstützen?
Digitalisierung setzt auch einen Kulturwandel voraus. Die bayerische Landeshauptstadt München möchte mit der stadtweiten Digitalisierungsstrategie „München Digital Erleben“ die Digitalisierung zum Wohl der Menschen einsetzen. Der Kulturwandel innerhalb der Verwaltung erfordert Offenheit gegenüber digitalen Innovationen. Es gehört auch dazu, bisherige Führungspraxis neu zu denken und die Beschäftigten als Erfolgsfaktor für die Transformation einzubeziehen. Mit WiLMA, unserem Social Intranet, sind wir einen neuen Weg gegangen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommunizieren intern via Blog, Chat oder in eigenen Arbeitsräumen. Über das Portal muenchen.digital informieren wir rund um die Digitalisierung und bieten der Mitarbeiterschaft die Möglichkeit, eigene Artikel zu schreiben. Die digitalen Kommunikationskanäle werden ergänzt durch Informationsveranstaltungen. Damit sich die Beschäftigten bei der Transformation einbringen können, wird eine Digital Charta erarbeitet, die Transparenz und Sicherheit für alle schaffen soll.
Wie ist München im deutschlandweiten Vergleich bei der Digitalisierung aufgestellt?
Die Stadt München mit mehr als 1,5 Millionen Bürgern und einer Verwaltung mit circa 40.000 Beschäftigten ist als größte deutsche Kommune nicht so leicht mit anderen Kommunen vergleichbar. Wie viele andere Behörden hat auch München in der Vergangenheit bereits Online-Dienste angeboten und weitere Maßnahmen ergriffen. Die stadtweite Digitalisierungsstrategie verfolgt nun einen ganzheitlichen Ansatz. Es erfordert eine enorme Kraftanstrengung und eine solide Finanzierung, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Durch die Digitalisierung werden in München enorme Potenziale freigesetzt, die nicht nur die Verwaltung effizienter werden lassen, sondern auch der Wirtschaft und der Stadtgesellschaft unmittelbar zugutekommen.
Im März ist das InnovationCenter im IT-Referat der Stadt München gestartet, in dem neue Arbeitsmethoden und die agile Zusammenarbeit erprobt werden. Wie sind die bisherigen Erfahrungen?
Das InnovationCenter blickt aus zwei Perspektiven auf das Thema Agilität. Einerseits verwendet es Scrum-Methoden für seine tägliche Arbeit. Andererseits soll es die agile Zusammenarbeit auch in der Stadtverwaltung fördern. Aktuell hat das InnovationCenter daher agile Pilotprojekte mit realen Problemstellungen angestoßen. Fachlich geht es um die Digitalisierung des Dienstreiseantrags. Das Projekt dient als Generalprobe für agile Projekte bei der Stadtverwaltung.
„Der Kulturwandel innerhalb der Verwaltung erfordert Offenheit gegenüber digitalen Innovationen.“
Vor mehr als acht Jahren hat die Stadt München ihren IT-Blog gestartet – ein Novum im Bereich der Behördenkommunikation, da die Verwaltung nicht in Pressemitteilungen, sondern in kommentierbaren Blog-Posts über IT-Themen informierte. Welche Erfahrungen konnten gesammelt werden?
Die Resonanz bei unseren Leserinnen und Lesern ist sehr positiv. Sowohl die Kommentare direkt auf dem IT-Blog, die Bezugnahme auf unsere Berichte in Presse und Politik als auch Nachfragen per E-Mail und auf Veranstaltungen zeigten, dass unsere Beiträge viel gelesen wurden. Auch intern hatten die Berichte auf dem Blog große Leserschaften. Anfängliche Schwierigkeiten bestanden darin, andere Fachbereiche zur Mitwirkung mit Gastbeiträgen zu gewinnen.
Im Juli ist muenchen.digital online gegangen. Was soll das neue Portal bieten und welche Erwartungen sind daran geknüpft?
Über muenchen.digital soll die Digitalisierung Münchens erlebbar werden. Wir geben Einblicke in unsere Arbeit – auch im Sinne der Personalgewinnung. Unter #ExplainIT erklären wir zum Beispiel Fachbegriffe der IT. Wir laden Gastautoren aus Wirtschaft, Forschung und Verwaltung ein, Beiträge beizusteuern und berichten zu Themen, die München, Start-ups, Unternehmen, Organisationen sowie die Gesellschaft im Hinblick auf die digitale Transformation betreffen. Neben Transparenz sind Kommunikation und Beteiligung unser erklärtes Ziel. Beiträge können kommentiert werden, und wir sind über die sozialen Medien wie YouTube, Twitter und Instagram ansprechbar.
Ebenfalls im Juli hat München eine Kooperation mit Augsburg und Nürnberg vereinbart. Die drei größten Städte Bayerns wollen sich bei der Digitalisierung gegenseitig unterstützen. Welche Synergieeffekte erhoffen Sie sich davon?
Wir haben uns gefreut, dass die Zusammenarbeit mit Augsburg und Nürnberg schnell und unkompliziert angelaufen ist. Gemeinsam wollen wir der Digitalisierung mehr Tempo verleihen und die Arbeit der Kommunen noch effizienter und wirtschaftlicher gestalten. Eines der vordergründigen Ziele ist es, langfristige digitale Lösungen schneller und anwenderfreundlich für die Bürger zur Verfügung zu stellen. Neben dem Erfahrungsaustausch sollen gezielt gemeinsame Projekte durchgeführt werden. Bereits bei unserem ersten Treffen haben wir eine Sammlung an Kooperationsthemen ausgearbeitet, die wir schon angegangen sind. Dazu gehört unter anderem die Weitergabe von Erfahrungen zur Einführung unseres Social Intranet. Wir in München wiederum müssen speziell das Ratsinformationssystem modernisieren, hier ist uns Nürnberg schon um einiges voraus. Ein wichtiges Thema für alle drei Städte ist die Digitale Daseinsvorsorge.
In diesem Jahr hat sich in München bei der Digitalisierung einiges bewegt. Würden Sie uns einen kurzen Ausblick auf 2020 geben?
Mit der Digitalisierungsstrategie ist der Weg frei für eine große Anzahl von Maßnahmen, deren Umsetzung den finanziellen Rahmenbedingungen entsprechend 2020 begonnen wird. Im Kernbereich der Stadtverwaltung ist es zum Beispiel die vollständige Digitalisierung der Finanzprozesse bei gleichzeitiger Steigerung der Qualität der Dienste. Nach innen wirken Maßnahmen zur Modernisierung von Arbeitsplätzen. Mobile Arbeitsplätze werden den Außendienst unterstützen und Homeoffice-Angebote ermöglichen. Im Kernbereich der Infrastruktur werden wichtige Grundlagen für unsere digitale Metropole angegangen, wie die Förderung von Breitband-Ausbau und öffentlichem, kostenfreiem WLAN. Neue Sensorik im Stadtgebiet kann je nach Ausprägung zum Beispiel zur Verbesserung von Routenplanungen bei städtischen Dienstleistungen beitragen. Der digitale Zwilling – ein digitales Abbild der Stadt München – wird eine verbesserte Datengrundlage bieten. Durch Labs, die das Erproben und Erleben der digitalen Möglichkeiten unterstützen sowie über Schulungsangebote soll die Münchner Stadtgesellschaft erreicht werden.
Dieses Interview ist in der Ausgabe Dezember 2019 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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