Freitag, 18. April 2025

Nordrhein-WestfalenMut zur Fusion

[10.05.2012] Die Landschaft der kommunalen IT-Dienstleister in Nordrhein-Westfalen steht vor großen Veränderungen. Kostendruck und demografischer Wandel zwingen dazu, Synergien künftig besser zu nutzen. Dass sich Fusionen lohnen, zeigt das Beispiel der ITK Rheinland.
ITK Rheinland: Fusion generiert Synergien.

ITK Rheinland: Fusion generiert Synergien.

(Bildquelle: MEV Verlag)

Die kommunale IT in Nordrhein-Westfalen stößt in ihrer jetzigen Struktur an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Viele Städte und Gemeinden stehen unter einem enormen finanziellen Druck und müssen nach Effizienzgewinnen und Kostensenkungen Ausschau halten. Ganz besonders im rückwärtigen Servicebereich der IT schlummern noch viele Konsolidierungs- und Konzentrationspotenziale, wie das Beispiel ITK Rheinland belegt.
Die kommunale IT-Landschaft in Nordrhein-Westfalen ist einzigartig: Kein anderes Bundesland leistet sich eine Fülle von etwa 100 selbstständigen IT-Dienstleistern, denen es trotz aller bisherigen Bemühungen an Standardisierung, Kommunikations- und Verbundfähigkeit fehlt. Die Erkenntnis, dass es gemeinsam besser geht, haben die schon seit 1983 bestehende KDVZ Neuss, IT-Dienstleister für die Verwaltungen im Rhein-Kreis Neuss, und die Landeshauptstadt Düsseldorf im Jahr 2007 dazu bewegt, ihre IT im neuen Zweckverband IT-Kooperation Rheinland stufenweise zusammenzuführen: ab Januar 2008 zunächst im Bereich Anwendungsmanagement, ab 2009 in der Systemtechnik. Seit Beginn des Jahres 2011 agiert die ITK Rheinland am neuen gemeinsamen Standort in Neuss: eine Fusion, die nicht aus der Not heraus geboren wurde, sondern als Leuchtturm die Möglichkeiten regionaler und arbeitsteiliger Kooperation unter Beweis stellen soll.

Lockerer Verbund keine Lösung

Die Zusammenführung wurde vor allem von der Einschätzung getrieben, dass ein lediglich lockerer Verbund im Sinne arbeitsteilig organisierter Competence Center nicht die längerfristige, strategische Lösung sein konnte. Nur in einer echten Fusion sind Personal- und Sachressourcen gemeinsam zu organisieren. Ein renommierter Berater wurde damit beauftragt, Synergiepotenziale einer Fusion detailliert zu untersuchen, Voraussetzungen für deren Hebung zu benennen und Entscheidungs- und Organisationsstrukturen vorzuschlagen, die einerseits den Einfluss der beteiligten Kommunen sicherstellen, andererseits die Arbeitsfähigkeit des Zweckverbands gewährleisten. Ergebnis war ein prognostiziertes Einsparpotenzial von rund vier Millionen Euro jährlich, das nach einer Konsolidierungsphase von vier Jahren erreicht werden könnte, wenn die Verbandsmitglieder alle Entscheidungen zur Standardisierung und Konzentration von Verfahren und Betriebsformen zügig und einheitlich treffen.

Einsparungen in Millionenhöhe

Als Kriterium für den Erfolg der Fusion wurde vertraglich eine Einsparung von mindestens 2,6 Millionen Euro pro Jahr vereinbart. Diese Kostensenkung sollte nach einem Konsolidierungszeitraum von vier Jahren entstehen, bezogen auf die Leistungen zu Beginn der Fusion. Finanzmittel für Investitionen, die zur Konsolidierung im Rahmen der Fusion notwendig würden, wurden nicht bereitgestellt. Sie sollten zusätzlich während des Umsetzungsprozesses aus den Synergien selbst erwirtschaftet werden. Die Zahlen sprechen schon jetzt eine mehr als deutliche Sprache: Bereits im ersten Jahr der Fusion konnten 1,76 Millionen Euro eingespart werden. Dieser Wert konnte 2009 mit 3,63 Millionen Euro mehr als verdoppelt werden. Für das Jahr 2010 konnten die Zweckverbandsmitglieder ihren Haushalt um 4,55 Millionen Euro entlasten. Die Prognosen für 2011 und die kommenden Jahre sehen weitere und stetige Entlastungen vor – künftig bereits im Vorfeld durch Absenkung des Wirtschaftsplans um 2,77 Millionen Euro. Zusätzlich ist es gelungen, kostenintensive Qualitätsverbesserungen ohne weitere Inanspruchnahme der Verbandsmitglieder zu realisieren. Ein Beispiel ist die Errichtung eines neuen, energieeffizienten Rechenzentrums nach dem aktuellen Stand der Technik, welches vollständig im Rahmen der Konsolidierung finanziert wurde. Zusätzlich wurden neu entstandene weitere Aufgaben und Kosten abgefedert, die im Untersuchungszeitraum noch nicht absehbar waren, so zum Beispiel die Einführung des neuen Personalausweises.

Verfolgenswerter Weg

Die Ergebnisse sprechen für sich. Der noch in Arbeit befindliche Jahresabschluss 2011 wird aller Voraussicht nach ebenfalls sehr positiv ausfallen. Solche Ergebnisse vorzeitig zu erreichen – und das in einem Zweckverband mit einer Spannbreite von der 13.000-Einwohnerstadt Rommerskirchen bis hin zur international aufgestellten Landeshauptstadt Düsseldorf mit einem Haushaltsvolumen von knapp drei Milliarden Euro – zeigen das Potenzial auf, das, den gemeinsamen Willen und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe vorausgesetzt, im Zuge einer Fusion möglich ist. So hat denn auch die Gemeindeprüfungsanstalt NRW in einem Prüfbericht vom Juli 2011 festgestellt: „Den eingeschlagenen Weg und die weitere Ergebnisentwicklung der ITK Rheinland halten wir für verfolgenswert, und zwar sowohl für die Verbandsgemeinschaft als auch für alle anderen kommunalen Dienstleister in NRW. Wenn die ITK detailliert und plausibel vorrechnet, welches Synergiepotenzial sich allein bei der Personalstruktur erschließt und noch erschließen wird, müsste dies in vielen Kommunen Entscheidungen hervorrufen, die zu einer breiten Reorganisation der kommunalen IT in Nordrhein-Westfalen beitragen.“

Handlungsdruck nimmt zu

Das gelungene Beispiel der ITK Rheinland verstärkt den Handlungsdruck in Nordrhein-Westfalen: Die vom Stärkungspakt profitierenden Kommunen dürften die ersten sein, die mit den in der IT nachgewiesenen Einsparpotenzialen angesprochen und konfrontiert werden. Ungünstige Altersstrukturen und der zunehmende Wettbewerb um IT-Fachkräfte werden den Druck weiter erhöhen, Personal zu konzentrieren. Erste weitere Fusionen, wie die von regio iT aachen und Infokom Gütersloh zur regio iT oder auch die geplante Fusion von Citkomm mit der Kommunalen Datenzentrale Westfalen-Süd zu einer südwestfälischen Datenzentrale (Südwestfalen-IT) belegen dies.

Weiterentwicklung der ITK Rheinland

Die ITK Rheinland, mittlerweile zweitgrößter IT-Zweckverband in Nordrhein-Westfalen, wird in den nächsten Jahren synergetisch weiter an sich arbeiten, auch mit dem Anspruch, Impulse für effizientere und kostengünstigere Strukturen, neue Formen, Inhalte und Plattformen kommunaler IT zu liefern: Eingesetzte Verfahren und praktizierte Betriebsformen, Fertigungsbreiten und -tiefen der IT-Dienstleistungen werden auch künftig dahingehend überprüft, ob durch Standardisierung und Konzentration wirtschaftliche Optimierungen möglich sind. Neue Betriebsmodelle wie Cloud Computing können und sollen ebenfalls einen Beitrag dazu leisten, die Kosten einzudämmen. Darüber hinaus ist selbst eine Ausweitung der angestammten Tätigkeitsfelder durch IT-nahe Verwaltungsdienstleistungen, beispielsweise in der Rechnungseingangsbearbeitung oder im Buchungsgeschäft, inzwischen durchaus diskussionsfähig. Strategisch könnte zu den Aufgaben der IT-Dienstleister auch die Beratung zur Prozessoptimierung beim E-Government gehören – niemand kennt die Organisation und die Strukturen der eigenen Verbandsmitglieder besser. Dies ist im Übrigen auch ein Feld für ÖPP-Modelle im IT-Bereich.
Der hohe Kostendruck, unter dem die kommunalen Verwaltungen in Nordrhein-Westfalen stehen, fordert auch und ganz besonders die kommunalen IT-Dienstleister, eine aktive Rolle zu übernehmen. Wenn sie sich selbst neu organisieren und neue Wege einschlagen, können sie einen substanziellen Beitrag dazu leisten, dass Kommunalverwaltungen auch zukünftig leistungsfähig bleiben.

Wilfried Kruse ist Verbandsvorsteher der ITK Rheinland und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Kommunaler IT-Dienstleister in NRW – AKDN; Dr. Bodo Karnbach ist Vorsitzender der Geschäftsführung, Beate van Kempen Leiterin des Fachbereichs Kunden-Management bei der ITK Rheinland.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Panorama
Wehende Flagge des Landes Schleswig-Holstein vor schwach bewölktem Himmel.

Schleswig-Holstein: Kooperation verlängert

[16.04.2025] Nach fünf erfolgreichen Jahren haben Schleswig-Holstein und der ITV.SH ihre Kooperation zur Verwaltungsdigitalisierung bis Ende 2029 verlängert. Geplant sind unter anderem der Roll-out weiterer digitaler Anträge und Unterstützung für Kommunen bei Informationssicherheits- und IT-Notfällen. mehr...

Darmstadt: Resiliente Krisenkommunikation

[11.04.2025] Großflächige, lang andauernde Stromausfälle sind selten – stellen die Krisenkommunikation jedoch vor Schwierigkeiten, weil Mobilfunk, Internet und Rundfunk ausfallen. In Darmstadt wird nun eine energieautarke digitale Litfaßsäule erprobt, die auch bei Blackouts als Warnmultiplikator funktioniert. mehr...

Gruppenfoto mit Vertreterinnen und Vertretern der Verbandsgemeinden Diez, Kaisersesch, Montabaur und Weißenthurm, die im Prozessmanagement kooperieren.

Diez/Kaisersesch/Montabaur/Weißenthurm: Kooperation im Prozessmanagement

[08.04.2025] Gemeinsam wollen die Verbandsgemeinden Diez, Kaisersesch, Montabaur und Weißenthurm ihre Verwaltungsprozesse effizienter gestalten. Im Fokus steht die Wissensdokumentation ihrer Prozesse. Auch sollen eine Datenbank für Notfallszenarien und ein interkommunales Prozessregister aufgebaut werden. mehr...

Drei ältere Personen sitzen auf einem Sofa und beschäftigen sich mit verschiedenen digitalen Endgeräten.

Hessen: Projekt Di@-Lotsen wächst weiter

[07.04.2025] Das hessische Digitallotsen-Projekt, das älteren Menschen den Zugang zur digitalen Welt erleichtern soll, wird fortgeführt und ausgeweitet. Kommunen, Vereine und andere Einrichtungen können sich bis zum 11. Mai 2025 als digitale Stützpunkte bewerben. mehr...

Logo der Berliner Beihilfe-App auf blauem Hintergrund.

Berlin: Beihilfe ohne Medienbrüche

[04.04.2025] In Berlin haben Beamtinnen und Beamte nicht nur die Möglichkeit, Anträge auf Beihilfe digital zu stellen – mit einer neuen App ist es ab jetzt auch möglich, den Bearbeitungsstand einzusehen und die Bescheide digital zu empfangen. mehr...

Interkommunale Zusammenarbeit: Dritte Förderphase für Digitale Dörfer RLP

[01.04.2025] Das Netzwerk Digitale Dörfer RLP erhält bis 2026 weitere 730.000 Euro Landesförderung. Erfolgreiche Digitalprojekte sollen landesweit ausgerollt und die interkommunale Zusammenarbeit gestärkt werden. Ein Schwerpunkt liegt auf wissenschaftlich unterfütterten Pilotprojekten zum Bürokratieabbau. mehr...

In Bayern soll nach dem Willen von Digitalminister Fabian Mehring der „Digitalisierungsturbo“ gezündet werden.

Bayern: Ein Jahr Zukunftskommission

[31.03.2025] Die Zukunftskommission #Digitales Bayern 5.0 hat ihren aktuellen Bericht vorgelegt. Unter Leitung des Finanz- und Heimatministeriums erarbeiten Ministerien, Kommunalverbände und Experten Lösungen für eine einheitlichere, effizientere und sicherere IT in Bayerns Kommunen. mehr...

Stadtansicht von Bernkastel-Kues, ein altes Fachwerkhaus im Bildzentrum.

Rheinland-Pfalz: Projekt KuLaDig geht in die nächste Runde

[28.03.2025] Die kulturelle Vielfalt in Rheinland-Pfalz systematisch digital erfassen und für die Öffentlichkeit aufbereiten – das will das Projekt KuLaDig. Nun steht fest, welche Kommunen darin unterstützt werden, ihr kulturelles Erbe digital zu erfassen und zugänglich zu machen. mehr...

Open Data ansprechend strukturieren.

Polyteia: Wege für den Datenschutz in der Verwaltung

[27.03.2025] Einer sinnvollen Nutzung kommunaler Daten für die Entscheidungsfindung steht nicht selten der Datenschutz entgegen. Das Projekt ATLAS will zeigen, wie moderne Datenschutztechnologien in der Praxis helfen und echten Mehrwert für den öffentlichen Sektor schaffen. mehr...

Olaf Kuch und Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König stehen vor einer Abholstation für Ausweisdokumente.

Nürnberg: Vier Abholstationen für Ausweisdokumente

[26.03.2025] Die Stadt Nürnberg hat ihr Angebot an Abholstationen für Ausweisdokumente verdoppelt. An insgesamt vier Standorten können die Bürgerinnen und Bürger nun Personalausweise, Reisepässe und eID-Karten unabhängig von den Öffnungszeiten der Bürgerämter abholen. mehr...

Difu-Befragung: Kommunalfinanzen beherrschendes Thema

[25.03.2025] Eine Vorabveröffentlichung aus dem „OB-Barometer 2025“ zeigt, dass kommunale Finanzen das drängendste Thema der Stadtspitzen sind – auch mit Blick auf zukünftige Investitionen. Es sei nötig, dass Kommunen einen beträchtlichen Anteil aus dem Sondervermögen erhielten, so das Difu. mehr...

Berlin: ÖGD wird fit für die Zukunft

[25.03.2025] Mit dem Programm „Digitaler ÖGD“ werden in Berlin Grundlagen für moderne Technologien, Softwarelösungen und schlankere Prozesse in den Einrichtungen des ÖGD geschaffen. Davon können Mitarbeitende wie auch Bürgerinnen und Bürger profitieren. mehr...

Außenansicht des Mainzer Rathauses.

Mainz: Ko-Pionier-Sonderpreis 2025

[24.03.2025] Mit dem Ko-Pionier-Sonderpreis 2025 wurde die Stadt Mainz ausgezeichnet. Dieser Preis würdigt Verwaltungen, die innovative Ansätze aus anderen Städten erfolgreich adaptieren und an ihre spezifischen Rahmenbedingungen anpassen. mehr...

LSI Bayern: Ausschuss für Kommunale Fragen zu Gast

[18.03.2025] Bei einer Sitzung des Innenausschusses im LSI standen die Bedrohungslage im Cyberraum und Schutzmaßnahmen für Bayerns IT im Fokus. LSI-Präsident Geisler stellte die Unterstützungsangebote für Kommunen vor, bevor die Abgeordneten das Lagezentrum und das Labor besichtigten. mehr...

Landrätin Dagmar Schulz und Stabsstellenleiterin Digitalisierung Sabrina Donner mit der Auszeichnung des Silicon Valley Europe

Kreis Lüchow-Dannenberg: Ausgezeichnete Digitalisierungsstrategie

[17.03.2025] Für seine herausragende Digitalisierungsstrategie hat der Landkreis Lüchow-Dannenberg das Qualitätssiegel „Top-Organisation 2025“ des Netzwerks Silicon Valley Europe erhalten. mehr...