Donnerstag, 21. November 2024

MainzNachhaltiger Einkauf

[20.02.2018] Digitale Prozesse sorgen nicht nur für Kostensenkungen, sondern schaffen auch mehr Transparenz beim Einkauf. Die Stadt Mainz kann dadurch bei der Beschaffung umweltfreundliche und soziale Standards besser berücksichtigen.
Mainzer Rathaus: Beschaffung ohne Papier.

Mainzer Rathaus: Beschaffung ohne Papier.

(Bildquelle: Landeshauptstadt Mainz)

Schon im Jahr 2003 entschloss sich die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt Mainz dazu, den Einkauf und die Beschaffung zu digitalisieren: Zunächst hatte man sich von der Einführung des elektronischen Einkaufs Kostensenkungen bei Beschaffungsprozessen versprochen. Darüber hinaus sollten durch die verwaltungsweite Bündelung der Gesamtnachfrage in den einzelnen Produktgruppen wirtschaftlichere Preise erzielt werden. Nicht zuletzt sollten mit der elektronischen Bestellung automatisch erzeugte Daten für das Controlling und die elektronische Ausschreibung und Vergabe zur Verfügung stehen. „Bis dahin hatten wir keinen verlässlichen Überblick über Mengen oder Bedarfe“, fasst Sabine Gresch, Koordinatorin Lokale Agenda 21 bei der Stadt Mainz, zusammen.
Hierzu hatte man sich für die webbasierte Dienstleistung der Firma TEK-Service aus Lörrach entschieden. Innerhalb weniger Wochen wurde damit im Mainzer Rathaus die papiergestützte Beschaffung in großen Teilen durch den elektronischen Einkauf abgelöst. Der externe Dienstleister zeichnete für Technologie, Service und Know-how verantwortlich. An den elektronischen Einkauf wurden die gesamte Verwaltung und auch einige Beteiligungsgesellschaften angeschlossen. Damit standen nun erstmals belastbare Daten zur Verfügung. Die Stadt weist seither einen großen Zuwachs an Produktgruppen auf; vom Kopierpapier über Kaffee bis hin zur Windel. Heute werden über 800 Kostenstellen über den E-Einkauf gesteuert. Autorisierte Besteller wählen mittels Passwort aus den Sortimenten von 40 Lieferanten mit etwa 1,5 Millionen Artikeln. Der Jahresumsatz liegt derzeit bei 1,13 Millionen Euro; Tendenz steigend.

Schlüssel für nachhaltige Beschaffung

Sehr früh wurde das Potenzial der neu errungenen, umfassenden Transparenz deutlich. Kennzahlen und Berichte halfen, die positiven Effekte zu bewerten und weiterzuentwickeln. Durch flexiblen Zugriff auf das Katalog-Management und die kontinuierliche Datenpflege durch TEK-Service konnte schnell auf neue Anforderungen reagiert werden. Dies waren zunächst nur Nebeneffekte, die sich jedoch sehr bald zum entscheidenden Schlüssel für einen nachhaltigen Einkauf in Mainz entwickeln sollten.
Monika Schmidt von TEK-Service sagt: „Nachhaltige Beschaffung ist eine ganzheitliche Sicht auf den Einkauf einer Verwaltung oder Organisation. Sie umfasst Qualifizierungsmöglichkeiten von Artikeln unter Aspekten der Umweltfreundlichkeit und/oder Sozialverträglichkeit. Auch Regionalaspekte, beispielsweise im Hinblick auf die Logistik, können berücksichtigt werden.“ Doch erst mit einer transparenten und gut organisierten Beschaffung können diese Faktoren ausreichend einkalkuliert werden.
Beim Besuch einer Schulklasse brachte die Frage eines Schülers an den damaligen Oberbürgermeister den Stein ins Rollen: Wie hält es denn das Rathaus mit dem Thema Umweltschutz und Sozialverträglichkeit? Ein Arbeitskreis „Nachhaltige Beschaffung“ befasste sich mit dem Thema und bezog den Dienstleister TEK-Service früh in die Überlegungen ein. Es galt, für den Besteller am Arbeitsplatz eine einfache Entscheidungshilfe bereitzustellen, die umweltfreundlich und sozialverträglich hergestellte Produkte ersichtlich machte.

Kennzeichnungen im Einkaufskatalog

Im Rahmen seiner Dienstleistungen hat TEK-Service in der Folge die Shop-Ansicht um entsprechende Angaben erweitert. Durch den Einkauf qualifizierte Artikel sollen künftig mithilfe des Vermerks umweltfreundlich beziehungsweise sozialverträglich kenntlich gemacht werden. Eventuell kommt auch eine spezielle Symbolik oder Farbgebung infrage. Diese Einschätzungen richten sich nach anerkannten Labels wie dem Blauen Engel oder nationalen und internationalen Normen, wie zum Beispiel den ILO Kernarbeitsnormen.
Für den Besteller am Arbeitsplatz wird es damit möglich sein, derart qualifizierten Artikeln bewusst den Vorrang vor anderen zu geben. Sabine Gresch erklärt: „Um das zu erreichen, müssen die Einkäufer umfassend über das Projekt informiert sein: Wir haben vor, hierfür unsere Informationskanäle wie das Intranet und unsere interne Zeitung innenStadt zu nutzen. Auch eine Schulung haben wir bereits durchgeführt; weitere sind geplant.“ Wichtig ist zudem, die Kennzeichnung im Einkaufskatalog mit entsprechenden Informationen zu hinterlegen. Diese müssen vor allem kurz und schnell verständlich sein. „Bei der Schulung haben wir erfahren, dass eine nachhaltige Beschaffung in jedem Fall begrüßt wird, für die Einkäuferinnen und Einkäufer aber nicht mit unverhältnismäßigem Mehraufwand verbunden sein darf“, führt Gresch fort. So sollte sich ein Einkäufer nicht erst zeitintensiv darüber informieren müssen, was der Unterschied zwischen FSC-zertifiziertem Papier und 100 Prozent Recyclingpapier ist, sondern allein aufgrund von wenigen hinterlegten Daten qualifizierte Entscheidungen treffen können. Hierbei spielt auch die Transparenz der Bewertungen eine große Rolle: „Die Einkäuferinnen und Einkäufer müssen nachvollziehen können, warum die Bewertung so vorgenommen wurde“, bemerkt Gresch.

Erfahrungen teilen

„Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Das Wichtigste jedoch: Mit dem elektronischen Einkauf wurde dieser Schritt möglich“, erläutert Monika Schmidt. In den vergangenen 24 Monaten sei an dieser Stelle die Entwicklung massiv vorangetrieben worden. Die Weiterentwicklungen, das Know-how über Herangehensweisen und Möglichkeiten nützen auch allen anderen TEK-Kunden, die am Aspekt Nachhaltigkeit im Einkauf interessiert sind, ist Schmidt überzeugt.
Sabine Gresch empfiehlt Kommunen darüber hinaus: „Erstmal ist es wichtig, die Politik einzubinden und die richtigen Partner mit ins Boot zu holen – man kann nicht gegen Widerstände kämpfen. Kommunikation und Transparenz sind die zentralen Schlagworte hierbei. Hilfreich ist es zudem, sich bundesweit zu vernetzen, um von den Erfahrungen der anderen zu lernen und zu profitieren. Man muss das Rad nicht immer neu erfinden.“ Seit März 2017 kann die gesamte Entwicklung von Mainz hin zur nachhaltigen Beschaffung nachverfolgt und nachgelesen werden: Engagement Global veröffentlichte in Zusammenarbeit mit der Stadt Mainz einen Praxisleitfaden, der einen detaillierten Überblick über die gesamte Strategie und die einzelnen Arbeitsschritte der Stadtverwaltung gibt – eine Entscheidungsgrundlage für interessierte Kommunen.

Tobias Möldner ist freier Journalist in München.


Stichwörter: E-Procurement, Mainz


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