OZGNachnutzung erwünscht
Nach wie vor kämpft die deutsche Verwaltung mit den Herausforderungen der Digitalisierung. Sowohl der Ausbau digitaler Infrastrukturen, insbesondere Breitband und Mobilfunk, als auch die Einführung digitaler Verwaltungsleistungen schreiten zu langsam voran. Der im Jahr 2017 eingeführte Artikel 91c Abs. 5 Grundgesetz und das in Ausführung dazu ergangene Onlinezugangsgesetz (OZG) sollten hier neue Impulse geben. Das OZG verpflichtet Bund und Länder, ihre Verwaltungsleistungen innerhalb der nächsten fünf Jahre „auch elektronisch über Verwaltungsportale“ anzubieten und diese zu einem Portalverbund zu verknüpfen. Jetzt verbleiben weniger als zwei Jahre, um die gesetzliche Pflicht zu erfüllen. Eine gute Gelegenheit, Zwischenbilanz zu ziehen und einen Blick auf die OZG-Umsetzung in und mit den Kommunen zu werfen.
Dem Vollzugsdilemma offen begegnen
Das Onlinezugangsgesetz wird gerne als Treiber der Digitalisierung in der Verwaltung bezeichnet. Unbestreitbar hat das Gesetz den Druck auf Bund, Länder und Kommunen erhöht, sich dem Aufbau einer digitalen Verwaltung zu widmen. Um es vorwegzunehmen: Von einer vollständigen Umsetzung des OZG in den Ländern und insbesondere den Kommunen, der Hauptvollzugsebene im Föderalismus, ist man weit entfernt. Nicht zuletzt die grundgesetzlich vorgegebene dezentrale Vollzugslogik – in vielen Bereichen ein positiver Wettbewerbsfaktor – erschwert bei der Digitalisierung länderübergreifende, arbeitsteilige Vorgehensweisen und Nachnutzungskonzepte. Da die Länder dieser dezentralen Vollzugslogik vielfach folgen, ließ sich eine arbeitsteilige Digitalisierung der Verwaltung nach dem Prinzip Einer für Alle (EfA) bislang nicht realisieren. Dieses Vollzugsdilemma kann allerdings durch eine offene und modulare Software-Gestaltung zumindest ein Stück weit aufgelöst werden.
Wenn möglich: Open Source
Das Prinzip der Nachnutzbarkeit basiert auf folgenden Grundannahmen: Eine Leistung wird einheitlich, etwa durch einen öffentlichen IT-Dienstleister in nachnutzbarem Design entwickelt, der entwickelte Online-Dienst wird von einem oder mehreren Dienstleistern betrieben und einem an der Nachnutzung interessierten Land wird der Anschluss zur Nutzung des Online-Dienstes ermöglicht. Aus kommunaler Sicht kommt es darauf an, dass die nachnutzbaren Online-Services tatsächlich vor Ort produktiv eingesetzt werden können, also eine Anbindung an die kommunalen Fachverfahren und Basiskomponenten erfolgt. Dabei sind – neben vielfältigen (vergabe-)rechtlichen Reformherausforderungen – technische, organisatorische und betriebliche Aspekte zu beachten.
Die technische Umsetzung sollte konsequent auf die Vermeidung proprietärer Systeme und die Verwendung akzeptierter Standards setzen. Die Komponenten sollten, wo es möglich ist, auf Open-Source-Bestandteilen beruhen und in einer Microservice-Architektur skalierbar, performant und sicher zusammenarbeiten. Durch diese Architektur ist eine klare Trennung zwischen Front- und Back-End-Komponenten ebenso möglich, wie einheitliche und standardkonforme Schnittstellen.
Bestehende Standards nutzen
Ein wichtiger Aspekt für die Nachnutzung ist die Offenheit und Adaptierbarkeit der neuen Dienste zu den jeweiligen Fachverfahren. Sie sollten daher die bestehenden XÖV-Standards konsequent nutzen, um dadurch einfach mit nachgelagerten Fachverfahren kommunizieren zu können. Nutzung und Weiterentwicklung der XÖV-Standards sollten in enger Kooperation des bereitstellenden Landes mit den kommunalen und Landes-IT-Dienstleistern sowie den Fachverfahrensherstellern erfolgen.
Darüber hinaus sollten betriebliche Aspekte beachtet werden: Die neuen Fachdienste können durch eine konsequente Nutzung von Container-Technologie wie zum Beispiel Docker oder Kubernetes auch im laufenden Betrieb erhebliche Vorteile bieten. Eine klare Trennung zwischen Front End und Back End kann den Betrieb in einer üblichen Rechenzentrumsinfrastruktur ermöglichen. Auf diese Weise werden keine abgeschlossenen Ökosysteme geschaffen.
Im OZG-Themenfeld erprobt
Die Umsetzung dieser Grundsätze wird derzeit im Themenfeld Ein- und Auswanderung erprobt, das federführend durch das Land Brandenburg zusammen mit dem Auswärtigen Amt bearbeitet wird. Eine hochpriorisierte Leistung des Themenfelds ist der Aufenthaltstitel. Er war im Jahr 2019 Gegenstand eines OZG-Digitalisierungslabors. Mit über 170 Einträgen im Leistungskatalog (LeiKA) zählen diese Dienste zu den umfassendsten des OZG-Programms. Ein erster Pilot des Aufenthaltstitels konnte Anfang Dezember 2020 in den Landkreisen Teltow-Fläming und Elbe-Elster online gehen und wurde unter Berücksichtigung der genannten Nachnutzungsaspekte entwickelt (Microservice-Architektur, Open Source). Über WebComponents wurden die Anträge direkt in die Web-Portale der Landkreise integriert.
Um einen Einsatz in vielen Ausländerbehörden zu ermöglichen, wurden sämtliche Länder zur Nachnutzung angefragt. Die (Weiter-)Entwicklung der Antragsstrecken erfolgt seitdem in Zusammenarbeit mit Ausländerbehörden verschiedener Länder, um einen möglichst umfassenden fachlichen Input für die Entwicklung zu erhalten. Parallel wird an einer Erweiterung des XAusländer-Standards gearbeitet, mit dem eine Datenübertragung direkt in die Fachverfahren der jeweiligen Ausländerbehörden ermöglicht wird. Gleichzeitig findet die Klärung rechtlich-organisatorischer und finanzieller Fragen im Rahmen des OZG-Programms statt, um eine bundesweite Nachnutzung der zentral betriebenen Lösung zu realisieren.
EfA-Prinzip aus dem Dämmerschlaf befreien
Dieses Verfahren bietet sich als Blaupause für andere Themenfelder im Rahmen der OZG-Umsetzung an, etwa im – von den kommunalen Spitzenverbänden federführend betriebenen – Themenfeld Engagement und Hobby. Der dortige Prozess eWaffe ließe sich ebenfalls modular auf der Basis von Microservices gestalten und wahlweise zentral oder dezentral betreiben.
Da der politische Wille zur Arbeitsteilung nunmehr auf allen föderalen Ebenen erkennbar ist und mit dem jüngst beschlossenen Konjunkturprogramm auch genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, was darüber hinaus erforderlich ist, um das Prinzip Einer für Alle aus dem politischen Dämmerschlaf zu befreien. Möglicherweise sind es nicht allein Recht, politischer Wille oder Finanzierung, sondern die Technik, welche als Trigger für neue, kooperative IT-Strukturen wirkt. Ziel muss es sein, mit Technik und Technikgestaltung die bestehende heterogene IT-Landschaft so zu umspielen, dass IT-Vielfalt nicht mehr hemmt, sondern ein echter Wettbewerbsfaktor ist.
Nachnutzung kann gelingen. Die technischen, organisatorischen, rechtlichen und betrieblichen Aspekte sind bekannt und mit dem Aufenthaltstitel kann auf ein erstes Best Practice zurückgegriffen werden. Die flächendeckende Integration der Nachnutzung in den OZG-Prozess inklusive damit einhergehender Einbindung kommunaler Belange ist dagegen noch ein steiniger Weg. Diesen gilt es nun gemeinsam zu beschreiten.
Digitalisierung: Blick in die Glaskugel
[07.01.2025] Agil, bürokratiearm und Ende-zu-Ende digitalisiert – so sollen die Kommunalverwaltungen im Jahr 2030 aussehen. Im Moment sind sie davon aber oft noch weit entfernt. Sind die gesetzten Ziele realistisch? mehr...
Brandenburg: OZG-Umsetzung auf Kurs
[19.12.2024] In seiner OZG-Bilanz meldet Brandenburg für 2024 deutliche Fortschritte: 100 neue digitale Verwaltungsdienste wurden eingeführt, insgesamt sind nun 650 verfügbar. Fördermittel und Kampagnen unterstützen Kommunen bei der Digitalisierung. mehr...
Digitalisierung: IT-Budgets zusammenziehen
[18.12.2024] Dr. Martin Hagen, Staatsrat beim Senator für Finanzen in der Freien Hansestadt Bremen, spricht über seine Vorschläge zur Registermodernisierung und fordert mehr Zentralisierung bei der Steuerung und Budgetierung von IT-Großprojekten. mehr...
Digitale Bildung: Dem DigitalPakt 2.0 einen Schritt näher
[17.12.2024] Bundesbildungsminister Cem Özdemir und die Bildungsministerkonferenz der Länder (Bildungs-MK) haben eine Vereinbarung über den DigitalPakt Schule 2.0 getroffen. Dieser sieht eine Investition von insgesamt fünf Milliarden Euro vor, die gleichmäßig zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. mehr...
Niedersachsen: Initiative für Kommunen
[05.12.2024] Von der Bestandsaufnahme bis zur Umsetzung von Maßnahmen unterstützt die Initiative Digitale Kommune Niedersachsen Verwaltungen bei ihrem Transformationsprozess. Das vom Land initiierte Projekt soll außerdem die Herausforderungen in der Praxis offenlegen. mehr...
Rheinland-Pfalz: Erfolg durch Kooperation
[18.11.2024] Der digitale Wandel dient den Menschen, sagt Staatssekretär Denis Alt. Im Interview mit Kommune21 spricht der neue rheinland-pfälzische CIO und CDO über die Umsetzung der Digitalstrategie des Landes. mehr...
Potsdam: Fachbereichsleiterin für E-Government bestätigt
[12.11.2024] Potsdams Stadtverordnete haben Melitta Kühnlein als neue Leiterin des Fachbereichs E-Government bestätigt. Kühnlein ist seit Anfang 2021 in leitender Funktion im IT-Bereich der Stadtverwaltung tätig. mehr...
Baden-Württemberg: Änderung der Gemeindeordnung verabschiedet
[11.11.2024] Der Landtag von Baden-Württemberg hat jetzt eine Änderung der Gemeindeordnung verabschiedet, die Kommunen in administrativen Abläufen entlastet und die finanzielle Berichterstattung vereinfacht. mehr...
Hannover: Fonds für digitalen Fortschritt
[30.10.2024] Hannover setzt mit einem 48-Millionen-Euro-Digitalisierungsfonds auf die umfassende Modernisierung seiner Verwaltungsprozesse. Ziel ist ein digitales Rathaus, das Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen effiziente, benutzerfreundliche Services bietet. Die IT-Strategie umfasst dazu digitale Souveränität und Kosteneffizienz. mehr...
Digitalisierung: Dresdner Forderungen 2.0
[22.10.2024] Die Fachgruppe Verwaltungsinformatik der Gesellschaft für Informatik hat 20 Thesen zum digitalen Wandel formuliert. Die Forderungen zielen darauf ab, die Verwaltung effizienter, zukunftssicherer und bürgerfreundlicher zu machen. mehr...
Liechtenstein: Mit Pragmatismus und Agilität
[14.10.2024] Liechtenstein hat auf dem Weg zum Smart Country bereits eine beeindruckende Entwicklung zurückgelegt. Das ist nicht zuletzt vielen mutigen Entscheidungen und einer gehörigen Portion Pragmatismus geschuldet. mehr...
Smartes Rhein Main 2030: Gemeinsame Vision
[02.10.2024] Eine gemeinsame Vision für ein smartes Rhein-Main-Gebiet haben die Städte Frankfurt am Main, Wiesbaden und Darmstadt erarbeitet. Im Interview erklären die CIOs Eileen O’Sullivan, Maral Koohestanian und Holger Klötzner, was konkret geplant ist. mehr...
Deutscher Landkreistag: Achim Brötel ist neuer Präsident
[11.09.2024] Der Deutsche Landkreistag (DLT) hat einen neuen Präsidenten gewählt: Achim Brötel, Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, tritt die Nachfolge von Reinhard Sager an, der das Amt zuvor zehn Jahre lang innehatte. mehr...
Essen: Charta Digitale Ethik verabschiedet
[04.09.2024] In ihrer Charta Digitale Ethik hat die Stadt Essen die Rahmenbedingungen für den Einsatz digitaler Technologien in der Stadtverwaltung festgelegt. Das soll insbesondere für einen ethisch verantwortungsvollen Umgang mit Künstlicher Intelligenz sorgen. mehr...
Ulm: Innovationsmotor gestartet
[23.08.2024] Um ihre Digitale Agenda mit kreativen Köpfen aus der Region umzusetzen, hat die Stadt Ulm den Innovationsmotor gestartet – einen Ideenwettbewerb insbesondere für junge Unternehmen. Runde eins hat der digitale Begleiter für Angsträume gewonnen. mehr...