Elektronische AktenführungNicht unnötig sorgen
Langsam aber sicher setzt der Bund weitere wichtige Punkte seiner digitalen Agenda um: Mitte Juli dieses Jahres feierte das Bundesministerium des Inneren (BMI) das frisch verabschiedete E-Rechnungs-Gesetz als „Meilenstein in der E-Government-Strategie des Bundes“. Das Gesetz verpflichtet Behörden und Einrichtungen der Bundesverwaltung, in Zukunft die Rechnungsstellung von Unternehmensseite in elektronischer Form möglich zu machen. Ein Beschluss, der zweifelsohne zu begrüßen ist, stellt er doch einen neuerlichen Impuls dar, die Entwicklung durchgängig digitaler Verfahren aufseiten der Behörden zu beschleunigen, um Medienbrüchen nachhaltig entgegenzuwirken.
Man sollte aber nicht den Fehler begehen, sich in der Debatte nur auf diese Neuerung zu konzentrieren. Mit dem E-Government-Gesetz hat der Bund schon vorher einen rechtlichen Rahmen geschaffen, um der elektronischen Aktenführung in Bundesbehörden bis zum Jahr 2020 flächendeckend auf den Weg zu verhelfen. Eine Reihe von Bundesländern hat bereits nachgezogen und vergleichbare Regelungen verfasst. Das Problem: Bislang existiert kein entsprechend verbindlicher Handlungsleitfaden. Kommunen wollen handeln, wissen aber nicht, wie sie die Digitalisierung haushaltsverträglich und zugleich Compliance-konform umsetzen können.
Papierakte bleibt vielfach führend
Die Nachzüglerrolle ist somit auf viele Unsicherheiten und technische Vorbehalte zurückzuführen. Der Trennungsschmerz ist offenbar groß, wenn es darum geht, dem Papier Lebewohl zu sagen. Die Sorgen beziehen sich dabei jedoch keineswegs auf den Ein- und Ausgang von Rechnungen oder Belegen, bei denen aufgrund ihres eher geringen Schutzbedarfs eine revisionssichere Archivierung in digitaler Form weiterhin genügt. Vielmehr bereitet den Verantwortlichen das ersetzende Scannen bei Dokumenten mit höherer Verbindlichkeit Kopfzerbrechen. Verträge, Verwaltungsakten, Zulassungsunterlagen oder Prüfprotokolle: Welchen Schutzbedarf haben diese Dokumente und wie kann gewährleistet werden, dass die Originale anschließend in den Aktenvernichter wandern dürfen, ohne dass die Beweiskraft gleich mit zerkleinert wird?
Laut einer Studie der Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers und IMTB Group aus dem Jahr 2015 bauen zwar bereits 79 Prozent der Kommunen zumindest teilweise auf E-Akten, ein ersetzendes Scannen ist damit in der Regel jedoch nicht verbunden. Der Studie zufolge werden Papierdokumente nach dem Scan-Vorgang meist nicht oder nur teilweise vernichtet, sodass die Papierakte am Ende doch die führende Akte bleibt. Vorteile wie Stichwortsuchen, Indizierungen, verkürzte Durchlaufzeiten oder standortunabhängiges Arbeiten können elektronische Akten jedoch nur dann entfalten, wenn sie die Papierakte vollständig ablösen.
TR-RESISCAN liefert Rahmen fürs Scannen
Die Zurückhaltung der Behörden in diesem Kontext ist aber deshalb unbegründet, weil das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) auf die bestehenden Fragen längst Antworten gefunden hat. Mit der Technischen Richtlinie RESISCAN hat das BSI einen Rahmen festgelegt, der einen sicheren und nachvollziehbaren Scan-Prozess auf Basis internationaler Normen beinhaltet. TR-RESISCAN definiert den Stand der Technik und bietet eine hohe Rechtssicherheit in der Beweisführung. Die Richtlinie gibt für jedes Schutzniveau die Rahmenbedingungen in Bezug auf Organisation, Personal und Technik vor. Ferner berücksichtigt sie die Dokumentenvorbereitung, den Scan-Prozess selbst sowie die Nachbereitung einschließlich eines Transfervermerks und einer Integritätssicherung am Scan-Produkt.
Fälschlicherweise wird oft davon ausgegangen, dass immer und in jedem Fall eine qualifizierte elektronische Signatur oder ein anderes kryptografisches Mittel notwendig sind. Dass grundsätzlich alle Dokumente nach Schutzbedarfsklasse hoch oder sehr hoch zu verarbeiten sind, ist ein weiterer Mythos, der sich hartnäckig hält. Ebenso wenig stimmt es, dass TR-RESISCAN den Einsatz bestimmter Scanner verbietet. Die Richtlinie fokussiert sich ausschließlich auf die zu erreichenden Sicherheitsziele und erlaubt dabei alle marktgängigen Geräte einschließlich Multifunktionsdrucker. Um den Kommunen die Umstellung zu erleichtern, haben sich kommunale Anwender, Dienstleister und Experten mit dem BSI und dem Bundesinnenministerium zusammengeschlossen, um eine verbindliche und belastbare Handreichung zu verabschieden. Diese beinhaltet eine Musterverfahrensbeschreibung und eine exemplarische Schutzbedarfsfeststellung. Erste Ergebnisse werden auf dem diesjährigen Nationalen IT-Gipfel (16. – 17. November 2016, Saarbrücken) bekannt gegeben.
ECM-Systeme helfen bei der Umsetzung
Bei der Handhabung dieser und anderer Richtlinien in der Praxis helfen moderne Enterprise-Content-Management-Systeme (ECM). Speziell auf die Bedürfnisse von Behörden ausgerichtete Software-Lösungen verfahren beim Scan-Prozess nicht nur nach TR-RESISCAN, auch eine beweiswerterhaltende Langzeitspeicherung der relevanten Dokumente wird auf Basis der BSI-Richtlinie TR-ESOR längst gewährleistet.
ECM-Systeme wie die Informationsplattform nscale von Anbieter Ceyoniq Technology ermöglichen eine digitale Ablaufsteuerung von der virtuellen Poststelle über die Schriftgutverwaltung bis hin zur gesetzeskonformen Archivierung. Sie unterstützen außerdem effektiv die Bewertung und Vernichtung von Akten, Vorgängen und Dokumenten unter Berücksichtigung der digitalen Beweiswerterhaltung. Diverse Fachverfahren sind vorkonfiguriert verfügbar, sie folgen in der Benutzerführung der Terminologie von Behörden und öffentlichen Einrichtungen. Die Einarbeitungszeiten für die betroffenen Mitarbeiter sind überschaubar.
eIDAS bringt weitere Erleichterungen
Während mit den genannten Richtlinien TR-RESISCAN und TR-ESOR bereits wichtige Voraussetzungen für eine fortschreitende Digitalisierung von Verwaltungsprozessen in Deutschland geschaffen wurden, zeichnen sich mit dem Start der europäischen eIDAS-Verordnung weitere Erleichterungen ab. Seit Veröffentlichung der Durchführungsrechtsakte im Juli 2016 ist die Verwendung elektronischer Signaturen in allen EU-Mitgliedstaaten und im Europäischen Wirtschaftsraum neu geregelt und anwendbar.
Mit eIDAS wird die bisherige Signaturrichtlinie aufgehoben, gleichzeitig wird ein neues elektronisches Siegel eingeführt. Der bisher stets zwingende Personenbezug einer qualifizierten elektronischen Signatur und die Notwendigkeit, dabei eine Signaturkarte zu verwenden, entfallen. Das elektronische Siegel kann also überall dort eingesetzt werden, wo eine persönliche Unterschrift nicht erforderlich ist, sondern lediglich der Nachweis der Authentizität, beispielsweise bei amtlichen Bescheiden oder Urkunden.
Die neue eIDAS-Verordnung sowie die konkrete Handlungsempfehlung für Kommunen leisten der TR-RESISCAN weiter Vorschub. Die Lösungen sind verfügbar und in Anbetracht der erheblichen Einsparpotenziale kostengünstig. Einzig und allein der Wille ist entscheidend, rasch von der papiergetriebenen auf die E-Akte umzustellen, damit die Verwaltungsmodernisierung auch beim Bürger spürbar wird.
Dieser Beitrag ist in der September-Ausgabe von Kommune21 im Schwerpunkt Dokumenten-Management erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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