Samstag, 9. November 2024

Kreis TuttlingenOhne Zettelwirtschaft

[17.08.2016] Der Kreis Tuttlingen empfängt E-Rechnungen im ZUGFeRD-Standard und rechnet elektronisch per Gutschriftverfahren ab. Außer Transparenz und Effizienz gewinnt die Verwaltung dadurch auch Zeit. Die Abrechnung für das ganze Amt ist in wenigen Stunden erledigt.
Der Kreis Tuttlingen rechnet mit elektronischen Lösungen.

Der Kreis Tuttlingen rechnet mit elektronischen Lösungen.

(Bildquelle: Landratsamt Tuttlingen)

In deutschen Kommunen ist die papiergestützte Beschaffung ein Auslaufmodell. Schließlich soll laut der EU-Richtlinie 2014/55/EU ab dem Jahr 2018 die Rechnungsstellung für öffentliche Aufträge nur noch elektronisch erfolgen. Der Landkreis Tuttlingen rechnet deshalb zunehmend elektronisch per Gutschriftverfahren ab und empfängt E-Rechnungen im ZUGFeRD-Standard. Beim Landratsamt Tuttlingen sind in vier Dezernaten und 22 Ämtern 800 Mitarbeiter beschäftigt. Früher wurden Rechnungen in der baden-württembergischen Behörde dezentral bearbeitet. Eingehende Rechnungen wurden also verteilt, die offenen Beträge in der jeweiligen Abteilung verbucht, aufwendig durch das ganze Haus geschickt und dann zentral gesammelt.
Aufgrund der verschiedenen Anlaufstellen dauerte die Rechnungsbearbeitung mindestens eine Woche. Auch für die Belegaufteilung waren viele Schritte erforderlich. Das von der Firma TEK-Service entwickelte, webbasierte Gutschriftverfahren bedeutet hier eine erhebliche Erleichterung. „Seit November 2015 rechnen wir nun über das Gutschriftverfahren ab“, berichtet Gabriela Wöhlert, Leiterin des Organisationsamts in Tuttlingen. „Dazu werden die Gutschriftdateien elektronisch in das verwaltungsinterne Finanzsystem importiert, sodass der gesamte Betrag – ganz ohne Zettelwirtschaft – zentral und gleichzeitig aufgeschlüsselt auf die einzelnen Kostenstellen verbucht wird.“ Heute ist die Abrechnung in nur wenigen Stunden für die ganze Verwaltung erledigt.

Gewinn an Transparenz

Die Einführung des neuen Verfahrens gestaltete sich relativ einfach. Die einzige Voraussetzung für die Abrechnung per Gutschrift war – wie bei allen anderen von TEK angebotenen Services – ein Internet-Zugang. Auf technischer Seite musste für die Umstellung lediglich eine Schnittstelle an das Haushalts-Kassen-Verfahren des Landratsamts angepasst werden. „Da es sich bei unserem System um eine standardisierte Lösung handelt, wurde das bisherige, dezentrale Abrechnungsverfahren über Bord geworfen und gemeinsam mit der Finanzverwaltung und dem Rechnungsprüfungsamt ein neuer Prozess für das Gutschriftverfahren definiert, der die Besonderheiten und Anforderungen des Landratsamts Tuttlingen berücksichtigt“, erläutert Monika Schmidt von TEK-Service. „Da es sich bei diesem Verfahren um digitale, standardisierte und bewährte Prozessabläufe handelt, ließ sich der bestehende Ablauf der papiergestützten Rechnungsverarbeitung für den Landkreis Tuttlingen erstaunlich schnell durch das Gutschriftverfahren ersetzen“, erklärt Schmidt weiter. „Die Projekt- und Testphase konnte bereits nach acht Wochen vorzeitig erfolgreich abgeschlossen werden.“
Die Akzeptanz des Gutschriftverfahrens war bei den Beschäftigten von Anfang an hoch. Durch die langjährige Erfahrung mit dem E-Einkauf oder der E-Vergabe wussten sie um den damit einhergehenden Gewinn an Transparenz und die Vereinfachung der Verwaltungsvorgänge. Bereits seit dem Jahr 2005 kommen in Tuttlingen Technologie und Services von TEK zum Einsatz: Da in der zentralen Beschaffung zu wenig Personal zur Verfügung stand, wurde die E-Procurement-Lösung des externen Dienstleisters eingeführt. Mithilfe des Portals konnten personelle Defizite kompensiert und Verfahren effizient organisiert werden. Gabriela Wöhlert: „Zunächst gab es durchaus Vorbehalte, doch das Thema E-Government hat über die Jahre eine gewisse Eigendynamik entwickelt, zumal die Vorteile offensichtlich waren. Seither steuern wir unterschiedlichste Materialien und Lieferanten über eine webbasierte Einkaufsplattform.“
Einer der wichtigsten Gründe, die für den digitalisierten Einkauf in der Verwaltung sprechen, ist die umfassende Transparenz. Durch das Gutschriftverfahren konnte außerdem eine weitere Prozessoptimierung erreicht werden. So können die Mitarbeiter jetzt auf einen Blick den aktuellen Status einer Bestellung oder Lieferung einsehen. Da durch die Zentralisierung und Digitalisierung viele Arbeitsschritte wegfallen, ist außerdem weniger Personal durch die Beschaffung gebunden.

Verfahren soll ausgedehnt werden

Die periodisch von TEK erstellten Berichte und Leistungsbeschreibungen sind belastbar, aussagekräftig und dienen dem Kunden zur Steuerung. Erkennbar wird beispielsweise, wie sich der Anteil eines bestimmten Produktbereichs entwickelt oder welchen Anteil ein Lieferant gemessen am Gesamtumsatz hat. Es wird ersichtlich, ob man sich kundenseitig bereits im ausschreibungspflichtigen Bereich bewegt oder wie nah man sich am Schwellenwert befindet. Heute steuert das Tuttlinger Landratsamt jährlich fast 150.000 Euro über das Einkaufssystem von TEK. Der Anteil der Artikel, die über das Gutschriftverfahren abgerechnet werden, liegt derzeit bei über 100.000 Euro. In absehbarer Zeit soll das Verfahren auf andere Lieferanten ausgedehnt werden. Weitere Sortimente werden entwickelt und ebenfalls in die Einkaufslösung aufgenommen. „Bei der Ausarbeitung der branchenspezifischen Musterkernsortimente oder wenn Leistungsverzeichnisse für bevorstehende Ausschreibungen erforderlich sind, steht TEK dem Amt unterstützend zur Verfügung“, erläutert Monika Schmidt. Damit der Träger frei in der Wahl seiner Lieferanten ist, gleicht TEK außerdem technologische Defizite kleiner Partner aus, die nicht E-Business fähig sind.
Seit Oktober 2015 empfängt das Landratsamt außerdem elektronische Rechnungen ZUGFeRD analog. Dabei handelt es sich um ein PDF mit eingebetteten XML-Dateien. „Noch fehlen uns zwar intern die Voraussetzungen, um diese medienbruchfrei weiterverarbeiten zu können, aber wir arbeiten daran, das zu ändern“, sagt Amtsleiterin Gabriela Wöhlert. „Da bislang auf 80 eingehende Rechnungen pro Jahr nur eine nach dem vom BMWi vorgegebenen ZUGFeRD-Standard kam, bleibt uns dafür jedoch noch Zeit.“ Wie schnell die Entwicklung in den nächsten Jahren vonstatten geht, hängt vorrangig von den Partnern ab, meint Wöhlert: „Je nachdem ob es eine gesetzliche Verpflichtung gibt oder nicht, wird das Ganze noch eine Weile dauern. Vor allem kleine Unternehmen oder Handwerker beschäftigen sich derzeit, wenn überhaupt, nur nebenbei damit. Durch die Services von TEK sind wir aber auf jeden Fall gerüstet, wenn es dann soweit ist.“

Bettine Kuhnert ist freie Redakteurin in München.




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